Als hätte das Außenministerium Regie geführt

Ein ARD-Beitrag offenbart ein seltsames Verständnis vom kritischen Journalismus

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland werfen Kritiker oft eine zu große Staatsnähe vor. Manchmal zu Recht, wie ein Beitrag über den Uno-Migrationspakt zeigt.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht in Deutschland regelmäßig in der Kritik. So wie bei allen Medien ist sie manchmal fair und manchmal nicht. Das Schmähwort vom «Staatsfunk» etwa ist unangemessen, weil es suggeriert, die Anstalten würden direkt vom Staat kontrolliert. Dem ist nicht so; in den Aufsichtsgremien dürfen staatliche und staatsnahe Mitglieder maximal noch ein Drittel ausmachen, den Rest stellen unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. Allerdings sucht man das Gegenteil des Staatsfunks – die Staatsferne – oft vergeblich. Das gilt vor allem für einige politische Sendungen.
Im «Bericht aus Berlin» der ARD wurde am Sonntagabend ein Beitrag über den Uno-Migrationspakt gesendet, den staatsfern zu nennen eine Beleidigung für all jene Journalisten in den Anstalten wäre, die sich täglich um eine ausgewogene Berichterstattung bemühen. Hätte die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Auswärtigen Amt eine Sendung zum Thema komponieren dürfen, dann wäre wohl etwas in dieser Art herausgekommen.

Nachteile? Welche Nachteile?

Schon in der Anmoderation gab der Moderator Thomas Baumann die Richtung vor. Es falle auf, sagte der stellvertretende ARD-Chefredakteur, dass Union und SPD «Existenz und Vorteile des Pakts» bis vor wenigen Tagen kaum kommuniziert hätten. Deshalb hätten rechte Gruppierungen im Kampf um die Deutungshoheit nun einen Vorsprung. Und während die Verunsicherung bis in Teile der Union hineinreiche, gehe die Propaganda des rechten Rands weiter.

Damit war die Bühne bereitet: Es gibt einen Pakt mit Vorteilen, und es gibt eine rechte Kampagne, auf die zu spät reagiert wurde. Mehr gibt es nicht. Nun wird kein vernünftiger Mensch abstreiten, dass die AfD und rechtsradikale Gruppen maßlose Tiraden gegen den Migrationspakt verbreiten – etwa die Behauptung Alexander Gaulands, dass Deutschland heimlich in ein Siedlungsgebiet für Migranten aus aller Welt verwandelt werden solle. Das ist Unfug. Aber gibt es davon abgesehen wirklich nur Vorteile, die man rechtzeitig hätte «kommunizieren» müssen, wie der «Bericht aus Berlin» der ARD insinuiert?

Nur ein paar Stichworte: Der Vertrag mag kein völkerrechtlich verbindliches Abkommen darstellen, wie seine Befürworter nicht müde werden zu betonen. Dennoch hat die deutsche Regierung im vergangenen Monat in ihrer Unterrichtung des Parlaments selbst festgehalten: «Beide Pakte sind als rechtlich nicht bindend, aber politisch verpflichtend konzipiert.» Von dieser Verpflichtung und ihren möglichen Implikationen ist im Beitrag keine Rede. Gleiches gilt für die Sorge, dass Gerichte, zumal in Deutschland, aus dem Soft Law des Pakts später ein Menschenrecht auf Migration mit allen möglichen damit verbundenen Ansprüchen ableiten könnten. Schließlich ist da noch die fast ausschließlich positive Interpretation von Migration in dem Papier – und der Wunsch der Autoren, dass die Medien weltweit entsprechend berichten.

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