ARD/ZDF-Reformstaatsvertrag: Warum so recht niemand damit zufrieden ist

Kritikpunkt Presseähnlichkeit

Einer der großen Kritikpunkte war einmal wieder die Verschär­fung der Pres­seähn­lich­keit. Demnach müssen Online-Inhalte künftig immer einen Bezug zum linearen Programm haben. Ein Beitrag auf tagesschau.de kann also beispielsweise erst veröffentlicht werden, sobald das Thema auch in TV oder Hörfunk behandelt worden ist. In einer Zeit, in der Smartphone oder Laptop häufig als erste Anlaufstelle für Nachrichten genutzt werden, ist dies nicht mehr zeitgemäß. Völlig zurecht sprach die parla­menta­rische Geschäfts­führerin der Linken, Luise Neuhaus-Warten­berg, von einem Eingriff in die jour­nalis­tische Freiheit im Netz. „Kein Verleger wird gerettet, wenn der öffent­lich-recht­liche Rundfunk weniger Texte veröf­fent­licht“, sagte sie in der gestrigen Debatte.

Aus für lineare TV-Programme stößt auf Widerstand

Proble­matisch sehen viele Abge­ordnete auch, dass lineare TV-Programme verschwinden, miteinander fusionieren oder ins Internet verlagert werden sollen. Etwa, dass der Kinder­kanal „KiKa“ ab 2033 nicht mehr linear ausge­strahlt werden soll und Inhalte nur noch in der Media­thek zu finden sein sollen oder, dass Spar­tenka­näle etwa im Kultur­bereich zusam­menge­legt werden. Effi­zienz dürfe nicht zulasten der Qualität gehen, monierte beipielsweise die medi­enpo­liti­sche Spre­cherin der Grünen, Claudia Maicher.

Reformen im Hörfunk sparen praktisch nichts ein

Bereits im Vorfeld gab es auch Kritik an den im Hörfunk geplanten Reformen. Hier werden in erster Linie Hörer des Digi­talra­dios DAB+ „bestraft“, weil rein digital ausge­strahlte Programme terres­trisch wegfallen und nur noch im Internet verbreitet werden sollen. Spar­poten­zial entsteht dadurch prak­tisch nicht, denn die Produktion der Programme findet ja weiter statt.

Es ist genau genommen noch viel absurder: Da die Verbrei­tungs­wege DAB+ und auch der Satellit wegfallen (der Wegfall eines Programms spart bei der Verbreitung kein Geld ein, da die technischen Kapazitäten in Form von DAB+-Ensembles oder Satelliten-Transponder weiter bereitstehen), wird die Zahl der Stream-Abrufe steigen. Und das gene­riert höhere Kosten für die ARD-Anstalten, denn jeder Inter­nethörer sorgt für mehr Traffic, den die Anstalten bezahlen müssen. Die eigent­lich ange­dachte „Spar­maßnahme“ spart also kein Geld, sondern es wird für die Anstalten (und somit den Gebüh­renzahler) sogar teurer, wenn die Inhalte weiterhin wie gewohnt ange­boten werden.

https://www.digitalfernsehen.de/news/inhalte/fernsehen/ard-zdf-reformstaatsvertrag-warum-so-recht-niemand-damit-zufrieden-ist-1162690/

Die Unsicherheit, ob der Reformstaatsvertrag am Sächsischen Landtag scheitern würde, hielt sich am Tag der abschließenden Lesung bis gegen 17.00 Uhr. Dann beantragte die CDU eine Auszeit von 30 Minuten. Hätte die Abstimmung zu diesem Zeitpunkt stattgefunden, wäre sie 55 zu 56 ausgefallen. AfD, BSW sowie der parteilose Abgeordnete wollten gegen die Vereinbarung stimmen, die Grünen mit der CDU/SPD-Regierung dafür und die Linke plante eine Enthaltung. Gegen 17.30 konnte Ministerpräsident Michael Kretschmer, mit einer sehr emotionalen Rede, die sechs linken Abgeordneten doch noch bewegen, positiv zu votieren. So endete der medienpolitische Krimi gegen 18.00 Uhr mit einer 61- zu- 56- Entscheidung für die Medienpolitik der Länder.
https://www.medienpolitik.net/aktuelle-themen/aktuelle-themen/sachsen-hat-gewaehlt-653

Reformstaatsvertrag: Sachsens Zustimmung, aber viele offene Fragen

https://www.deutschlandfunk.de/reformstaatsvertrag-sachsens-zustimmung-aber-viele-offene-fragen-100.html

Sachsens Zustimmung für den Reformstaatsvertrag: Die Öffentlich-Rechtlichen müssen berechtigte Kritik annehmen

Das sächsische Ja zum Reformstaatsvertrag hat eine signifikante Symbol- und Signalkraft. Doch das Ringen darum hat erneut bewiesen: Die Luft um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist dünn geworden. […]

Dieser Staatsvertrag formuliert keine Reform vom Feinsten, sondern vom Kleinsten. Weniger Hörfunksender, weniger TV-Spartenkanäle, weniger Sportrechte, weniger Presseähnlichkeit, mehr Digitales, mehr Kooperation zwischen den Sendern, mehr Kontrolle durch die Gremien – dieses Weniger und Mehr wird das angestrebte Ziel eines stabilen Rundfunkbeitrags kaum erreichen können. Die Sender haben bereits kundgetan, dass sie die Einspareffekte als marginal ansehen. […]

Der Reformstaatsvertrag lässt sich als das kleine Karo deutscher Rundfunkpolitik ausbuchstabieren, weil er eben unter dem Druck der Einstimmigkeit entstanden ist. […]

Die Zustimmung der 16 Länderparlamente ist im Vordergrund ein minimaler Sparkorb, im Hintergrund ist sie ein maximaler Auftrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Die Sender müssen raus aus dem Angstschweigen, wenn Kulturstaatsminister Wolfram Weimer vom „Zwangsbeitrag“ schwadroniert. Sie müssen selbst Sparvorschläge formulieren, wenn der Rundfunkbeitrag weiterhin ihre Existenz finanzieren soll. Es ist unfreiwillig komisch, wenn der ARD-Vorsitzende und HR-Intendant Florian Hager mit breiter Brust betont, die Anstalten hätten die Reformvorhaben auch dann umgesetzt, wenn der Staatsvertrag im sächsischen Landtag durchgefallen wäre.

https://www.tagesspiegel.de/kultur/sachsens-zustimmung-fur-den-reformstaatsvertrag-die-offentlich-rechtlichen-mussen-berechtigte-kritik-annehmen-14698445.html

Das wäre von außen betrachtet der Idealfall. Das Programm bleibt regional, Doppelstrukturen in den Verwaltungsapparaten verschwinden. Doch das würde auch bedeuten: Der Einfluss der einzelnen Länder schwindet. Und: Arbeitsplätze vor Ort gingen verloren.

Dem wird mindestens das Bundesland seine Zustimmung verweigern, das durch den Beschluss Einfluss und Arbeitsplätze verliert. Damit ist die Reform schon gescheitert, denn in der Medienpolitik müssen die Beschlüsse einstimmig fallen.

https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-4404.html