Corona-Aufarbeitung, psychiatrische Kliniken und die Furcht der SPD vor einem „Tribunal“

Die sächsische SPD wollte Quarantäne-Verweigerer zwangsweise in Psychiatrien unterbringen. Einen Corona-Untersuchungsausschuss bezeichnet sie nun als „Tribunal“.

Die politische Lage in Sachsen ist nach dem Wahlerfolg der AfD weiter angespannt. Eine mögliche Regierungsbildung (Brombeer-Koalition) wackelt schon in den ersten Gesprächen mit der SPD. Anlass ist der kommende Corona-Untersuchungsausschuss und die Zustimmung einiger BSW-Mitglieder zu einem entsprechenden Antrag der AfD.

„Durch ihr Abstimmungsverhalten hat die BSW-Fraktion damit einem Tribunal zugestimmt. Das ist für uns nicht hinnehmbar“, so die Vorsitzenden der SPD Sachsen, Kathrin Michel und Henning Homann. Die BSM-Fraktion habe sich „zu einer inhaltlichen Unterstützung eines populistischen Antrags einer gesichert rechtsextremen Partei entschieden“.

Der Antrag ist öffentlich einsehbar. Zur Begründung des Antrags heißt es darin zusammenfassend: „Die Corona-Krise stellte einen in ihrer Dauer und Intensität beispiellosen Ausnahmezustand dar, welcher alle Teile der Gesellschaft betraf und enorme Auswirkungen hatte. Durch die Entscheidungen der sächsischen Staatsregierung wurde in bislang nie dagewesener Art und Weise in die Grund- und Freiheitsrechte der sächsischen Bürger eingegriffen.“

Zur Arbeitsweise des Corona-Ausschusses heißt es: „Zur Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes sind neben den zwingend einzubeziehenden Beweismitteln u. a. auch die Experten und Entscheidungsträger auf Seiten der sächsischen Staatsregierung sowie der jeweils zuständigen Ministerien und der ihrer Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht unterstehenden Behörden, der Bundesministerien, der Bundesregierung, des Robert-Koch-Institutes und der Landesregierungen anderer Bundesländer sowie sonstige in die Corona-Krise involvierte Akteure, weitere Experten aus den Bereichen der Virologie und Epidemiologie, Mediziner, Juristen, Volkswirte, Verwaltungsexperten, Soziologen, Psychologen und Bedienstete des Freistaats Sachsen zurate zu ziehen.“

Der Arzt, Politiker und Maßnahmen-Kritiker Dr. Puerner verteidigt die Entscheidung seiner Kollegen unterdessen.

Dazu muss man wissen, dass die sächsische SPD in der Corona-Zeit deutschlandweit für Aufsehen sorgte: Anlass dafür waren Pläne, Quarantäne-Verweigerer notfalls in psychiatrischen Krankenhäusern unterzubringen und von der Polizei überwachen zu lassen. Unter Berufung auf das Sozialministerium hatte der damals MDR gemeldet, dass die Landesregierung in vier psychiatrischen Krankenhäusern insgesamt 22 Zimmer freigeräumt habe – in den Kliniken Altscherbitz, Arnsdorf, Großschweidnitz und Rodewisch.

Die sächsische SPD-Sozialministerin Petra Köpping hatte damals gesagt: „Falls es im Einzelfall dazu kommen sollte, dass sich Menschen den Anordnungen widersetzen, ist es aber notwendig, die von den Gesundheitsämtern angeordneten Maßnahmen mit Zwang durchzusetzen.“ Und weiter: „Dazu ist es möglich, diese Menschen mit einem richterlichen Beschluss in einem geschlossenen Teil eines Krankenhauses unterzubringen.“

Kathrin Michel, derzeit sächsische Landesvorsitzende der SPD, warf in der Corona-Zeit „Landkreisen und Innenministerium Versäumnisse bei Kontrollen der geltenden Schutzregeln“ vor. Als der Vize-Landrat Udo Witschas (CDU) Anfang 2022 ankündigte, das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen werde die Impfpflicht für Pflegekräfte nicht durchsetzen, sagte Michel: „Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang.“ Michel sagte weiter: „Ein Vize-Landrat ruft öffentlich dazu auf, Recht zu brechen. Nicht nur, dass er dem Bild unseres Landkreises massiv schadet, er schadet auch der Bekämpfung der Pandemie.“ An anderer Stelle betonte sie, eine besonders wichtige Leitlinie der SPD sei: „Geimpfte können etwas mehr Freiheiten behalten als Ungeimpfte.“

Und nun, Jahre später, bricht SPD-Politikerin Michel Gespräche mit dem BSW ab, weil einzelne Abgeordnete einem AfD-Antrag für einen Corona-Untersuchungsausschuss zugestimmt haben. Und torpediert damit die womöglich einzige Möglichkeit, in Sachsen eine Regierung bilden zu können.

Weil sie ein „Tribunal“ befürchtet.

https://www.nordkurier.de/politik/corona-aufarbeitung-sachsen-die-furcht-der-spd-vor-einem-tribunal-3022336