Das Internet durch die Zauberberg-Brille

Bernhard Pörksen verteidigt eine Welt, die das Internet längst zerstört hat.

Das Internet durch die Zauberberg-Brille

Der Titel sagt viel über dieses Buch. „Die große Gereiztheit“: Das ist Thomas Mann, das ist das Bildungsbürgertum. Bernhard Pörksen verteidigt eine Welt, die das Internet längst zerstört hat. Wie das große Vorbild tut er das mit wohlgesetzten Worten.

Bernhard Pörksen weiß, wie man diesen Geist bändigen kann. Das „redaktionelle Bewusstsein“ stärken (S. 22), gar eine „redaktionelle Gesellschaft“ schaffen (S. 186). Im Klartext: Wenn wir alle so arbeiten wie Journalisten, dann wird alles wieder gut. Dann wird alles so wie früher, als die Eliten noch wussten, was die Öffentlichkeit morgen wissen würde, weil sie die Medienleute selbst ausgesucht und selbst erzogen hatten. Die gute, alte Zeit. Was immer die Presse und das Fernsehen an Neuigkeiten bringen würden: Herrschaft und Ordnung hat das nicht tangiert (vgl. Herman/Chomsky 1988).

Bernhard Pörksen sagt: Bringt das redaktionelle Bewusstsein als Schulfach zu den Jüngsten und nehmt die „Plattform-Monopolisten“ in die Pflicht (S. 213) – über einen „Plattform-Rat“ zum Beispiel (S. 217), der als „Anlaufstelle“ und „Schiedsrichter“ Transparenz und Diskursqualitäten einfordert. Die guten, alten Qualitäten wohlgemerkt. … Wie jeder gute Medientheoretiker seit McLuhan hat Bernhard Pörksen zwar keine Studien, die irgendwelche Wirkungen belegen, aber tolle Fälle. Schlimm, was alles so passiert.

„Das Medium radikalisiert die Botschaft“.

… Vielleicht ist es ungerecht, Bernhard Pörksen vorzuwerfen, die Interessen von Eliten zu bedienen. Genau darauf läuft seine „Utopie der redaktionellen Gesellschaft“ aber hinaus (S. 189). Zurück auf Los, zurück in eine Zeit, in der Politik und Wirtschaft bestimmt haben, was eine Nachricht wurde und was nicht.

Nur ein Beispiel: Andreas Elter (2005: 312) erzählt, wie US-Behörden im Irakkrieg 2003 lokale und regionale Fernsehstationen mit Jubelbildern versorgt haben. Billig, aktuell, aber kein Journalismus. Fake News, geliefert direkt aus dem Zentrum der Macht (vgl. Meyen 2018), im Gewand des „klassischen Journalismus“, den Bernhard Pörksen zur „Wahrheits- und Verifikationsinstanz der Moderne“ verklärt (S. 33).

… Macht hat, wer bestimmen kann, worüber wir Bescheid wissen. Und das sind sicher nicht die vielen, die heute in irgendeiner Internet-Ecke sprechen dürfen.