Fehlt ARD und ZDF die Wirtschaftskompetenz? Studienergebnisse werfen Fragen auf
Seit einem Jahr gibt es ein neues Format auf funk. „Was kostet die Welt“, heißt es. Kurze Videos sollen der Zielgruppe dreimal im Monat die Wirtschaftswelt nahebringen.
Zwar findet sich auf der Internetseite von funk der Satz „Die Inhalte entstehen in Redaktionen von ARD und ZDF in ganz Deutschland…“ – Das neue Format wird aber von einem privaten Medienunternehmen produziert, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Denn dort kommt, so heißt es in der Pressemitteilung von funk, die „geballte Wirtschaftskompetenz“ zusammen. Und das, obwohl im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland 27.000 Festangestellte arbeiten.
Doch wo hätten die Redakteure von funk nachfragen sollen, innerhalb der ARD? Viele Anstalten halten Fachredakteure für entbehrlich und beschäftigen sogenannten Allrounder, also Redakteure, die alle Themen bearbeiten. Fachredakteure gibt es fast nur noch im Sport. So beschäftigt der MDR-Hörfunk nur noch einen festangestellten Wirtschaftsredakteur – für ein Sendegebiet von acht Millionen Menschen. […]
Wie ist es um die wirtschaftliche Kompetenz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestellt? Diese Frage wird selten beleuchtet. Doch eine Umfrage unter 908 Familienunternehmen, die kurz vor der Bundestagswahl 2025 veröffentlicht wurde, spricht eine deutliche Sprache. Auf die Frage „Welcher Sender ist ihrer Meinung nach am wirtschaftsfeindlichsten?“ antworteten 53 Prozent: das ZDF. Mit 30 Prozent landete die ARD auf Platz 2. Erst danach folgen RTL, Welt, ntv, arte und Phoenix – alle im einstelligen Prozentbereich. […]
Das Unternehmen Media Tenor hat 1.285 Berichte der Nachrichtensendungen des ZDF ausgewertet. Demnach wurde in „heute“ und „heute journal“ zwischen Oktober 2023 und Januar 2025 in 20 Prozent der Beiträge über Neueinstellungen informiert, in 80 Prozent dagegen über Entlassungen.
Firmen-Neugründungen behandelten Beiträge im gleichen Zeitraum in heute in weniger als 0,1 Prozent. Über Insolvenzen wurde dagegen in über einem Prozent der Fälle berichtet, also mehr als zehnmal so häufig. Im heute journal sah das nur wenig besser aus. […]
Und Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau, ergänzt: „Die Berichterstattung über Forschung und Entwicklung, Patente und Innovationsdynamik kommt ebenfalls viel zu kurz.“ […]
Schatz weist auf einen weiteren Umstand hin: „Deutschland ist das Land des Mittelstandes. Wir haben mehr Weltmarktführer als die USA.“ Denn 99 Prozent der deutschen Unternehmen sind klein- und mittelständig. Hier sind mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer beschäftigt. „Trotzdem betrachten öffentlich-rechtliche Redakteure die Wirtschaft durch die Kapitalmarkt-Brille. Vielleicht, weil ein Studium der Wirtschaftswissenschaft bei den Redakteuren die Ausnahme ist“, so Schatz.
Viel Kraft – wenig Biss: Wirtschaftsberichterstattung in ARD und ZDF
Ohne eine verlässliche, qualitativ hochwertige und zugleich verständliche Berichterstattung kann sie nicht gelingen. Gebraucht werden zuverlässige Daten über die Entwicklung der Wirtschaft – aber auch solide Informationen über die Rollen und das Agieren in ihr engagierter Akteur*innen.Henrik Müller und Gerret von Nordheim gehen im OBS-Arbeitspapier 67 der Frage nach, ob die Wirtschaftsberichterstattung von ARD & ZDF diesen Ansprüchen genügt. Sie haben zwischen September 2022 und Februar 2023 nicht weniger als knapp 5.800 Sendungen mit beachtlichen rund 3.400 Stunden Programm mitgeschnitten, analysiert und bewertet.
https://www.otto-brenner-stiftung.de/wirtschaftsberichterstattung-in-ard-und-zdf/
Der Umfang der wirtschaftspolitischen Berichterstattung ist beachtlich: Nachrichtensendungen, Talkshows und Politmagazine widmen rund ein Fünftel ihrer Sendezeit wirtschaftspolitischen Themen.
Die Themensetzung wird stark von der Bundespolitik getrieben, Kontinuität und Kontextualisierung der Berichterstattung lassen zu wünschen übrig.
Insbesondere die Wirtschaftsmagazine adressieren ihr Publikum überwiegend als Verbraucherinnen und Verbraucher, andere Perspektiven bleiben unterbelichtet. […]
Der Fokus liegt auf individuellen Reaktionsmöglichkeiten auf wirtschaftliche Ereignisse. Ein umfangreiches Verständnis für wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Zusammenhänge ist kaum erklärtes Ziel, nur selten finden Konfrontationen mit Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft statt. […]
Abhilfe könnte aus Sicht der Autoren ein neues „Ständiges Wirtschaftspolitisches Format“ schaffen, das in die Wirtschaftsmagazine integriert und in den Mediatheken gebündelt angeboten werden könnte