Quarks & Co, Facebook und die Russland-Deutschen

Bildquelle: Screenshoot Quarks & Co. WDR
Seit wir Anfang 2014 unsere Arbeit als medienkritische Rezipienteninitiative aufnahmen, bildete insbesondere die Berichterstattung über Russland und die Krise um die Ukraine einen Schwerpunkt. Dabei erscheint bis heute die Darstellung Russlands nicht nur weiten Teilen, sondern, wie eindeutige Umfragen belegen, einer satten Zweidrittelmehrheit der deutschen Bevölkerung als grob einseitig, verzerrend und alarmierend feindselig.
Obgleich es noch nie ein Thema in den siebzig Nachkriegsjahren der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, das die Zuschauer so aufwühlte, verpufft der Protest in kompletter Wirkungslosigkeit. Mehr noch: Genau jene öffentlich-rechtlichen Sender, die ja an den Rundfunkvertrag gebunden sind und durch die Bürger verpflichtend finanziert werden müssen, ergehen sich in wüster Publikumsbeschimpfung und tun so, als ob hinter demokratischem Widerspruch zweifelhafte politische Motivationen steckten. Das Ausmaß, in dem dies geschieht, lässt den Verdacht aufkommen, dass kritische Stimmen durch Einschüchterung gezielt zum Verstummen gebracht werden sollen.
Dabei hängt von einem kooperativen und freundlichen Verhältnis zu Russland nicht mehr und nicht weniger ab als der innere Frieden dieser Gesellschaft und der Frieden in Europa. Aus der von zwei verheerenden und mörderischen Kriegen geprägten Geschichte beider Länder, die Deutschland verschuldet hat, müsste dies eigentlich jedem vernünftigen Menschen klar sein. Umso befremdlicher ist es, dass anscheinend maßgebliche Funktionsträger in Politik und Medien von dieser Erkenntnis völlig unberührt zu sein scheinen. Dies macht vielen Menschen Angst: Selbst die vor wenigen Jahren noch völlig unvorstellbare Gefahr eines für Russen wie Deutsche katastrophalen und vernichtenden Krieges dämmert als bedrohliches Szenario am Horizont.
Die Folgen der medialen und politischen Konfrontation für den innergesellschaftlichen Frieden in Deutschland sind schon länger spürbar. Verständigen Bürgern ist es klar, dass die grob verhetzende Form der Russlandberichterstattung besonders schmerzhaft für in Deutschland lebende Menschen mit russischer und russlanddeutscher Herkunft ist, die sich beiden Ländern verbunden fühlen. Dies umso mehr, als sich Stimmen in den Medien mehren, die offen Misstrauen gegen aus Russland stammende Mitbürger als vermeintlich „fünfte Kolonne des Kremls“ streuen. Wenn man sich die durch den deutschen Vernichtungskrieg ausgelösten Folgen dieses Vorwurfs vor allem für die Lebensgeschichten der Russlanddeutschen ansieht, die historisch Misstrauen und Verfolgung zunächst durch die Nazis und dann in der Sowjetunion ausgesetzt waren, kann man ermessen, wie bösartig und geschichtsvergessen der aktuelle Kampagnenjournalismus ausufert.
Viele Menschen mit russischem, russlanddeutschem oder – durch Eheschließungen – mit deutsch-russischem Familienhintergrund schilderten uns per Brief oder im persönlichen Gespräch, dass sich der russlandfeindliche Diskurs öffentlich-rechtlicher Medien bereits spürbar in ihrem Alltag in Deutschland bemerkbar macht und sogar zu Mobbingerfahrungen von Kindern und Jugendlichen in Schule und Freizeit führt. Vor allem den Problemen, die sich hieraus für die Identität und das intakte Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen ergeben, muss unsere besondere Sorge und Aufmerksamkeit in einer solidarischen und humanen Gesellschaft gehören.
Deutschland und Russland sind durch eine lange und intensive, zuweilen sehr schmerzhafte Geschichte miteinander verbunden. Für jeden verständigen Menschen ist es ein Gewinn, dass in unserem Land Menschen leben, deren Biographie eine fruchtbare Brücke zwischen den beiden Ländern bildet. Wir sind nicht der Auffassung, dass irgendwer berechtigt ist, aus Gründen skrupelloser Machtpolitik hier Gift zu streuen und Beziehungen zu zerstören. Insbesondere nicht jene öffentlich finanzierten Rundfunkanstalten, die per Gesetz dazu angehalten sind, die Völkerverständigung zu fördern.
Gestern ereichte uns eine Programmbeschwerde, die innerhalb eines Beitrages der Reihe Quarks & Co. ab Minute 29:10 eine stark verallgemeinernde, gruppenbezogene Stereotypisierung von der in Deutschland lebenden ethnischen Minderheit der Russland-Deutschen thematisierte.
„In der Sendung „Quarks & Co“, ein populärwissenschaftliches Sendeformat, wurden die Gefahren und Risiken die aus der Nutzung der sozialen Medien erwachsen, thematisiert, u.a. jene Gefahren, die bei der Nutzung der Plattform „Facebook“ resultieren können.
Als Beispiel für die hohen Risiken und Schattenseiten von Facebook wurde dann als Story und Beleg die Russland-Deutschen herangezogen. Diese hätten sich – so der Beitrag – nach dem tatsächlichen oder vermeintlichen Missbrauch eines minderjährigen Mädchens via Facebook zusammengerottet und über diese Plattform gezielt fremdenfeindliche Stimmungen im Lande erzeugt und verbreitet.
Das bizarre Fazit von Quarks & Co: die Russland-Deutschen wurden als besonders tückische Gefährder und Quelle von Fremdenfeindlichkeit dargestellt und ausgemacht. Diese vom ARD /WDR fabrizierte und ausgestrahlte Darstellung ist in hohem Maße
• rassistisch
• eine gesamte Volksgruppe denunzierend
• geradezu abstoßend grotesk
Dieser Beitrag fügt sich somit nahtlos in die Anti-Russland Agitation von ARD / ZDF ein, die sich wie ein roter Faden durch die Sendeformate des hiesigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks zieht.
Ein Novum dabei ist, dass offensichtlich nicht nur Nachrichten- und Polit-Sendungen betroffen sind, sondern auch auf den ersten Blick „harmlose“ Beiträge wie „Quarks & Co“.“
Stereotype tragen immer dazu bei, durch tendierte Merkmalszuschreibungen Bilder zu manifestieren und – wie im Fall – der „Russland-Deutschen“ in bestimmten Kontexten zu reproduzieren, hier der fremdenfeindliche, russlanddeutsche Mob im Nationenstereotyp. In Deutschland leben um die 4,5 Millionen Russland-Deutsche, von denen ein Großteil bestens integriert ist und die kultuelle Vielfalt in Deutschland bereichert.
Die Geschichte der damals 13-jährigen Lisa liegt nun bereits über zwei Jahre zurück und die ganze WAHRHEIT über diesen Fall wird noch immer in diversen Redaktionen unter Verschluss gehalten. Lisa ist noch immer minderjährig und es sollte ihr und ihrer Familie künftig erspart bleiben, als Mittel zum Zweck der Denunzierung ganzer Volksgruppen durch die Medien gezerrt zu werden.