Wo bitte geht es zur Demokratie? Novellierung des ZDF-Staatsvertrags
Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich am 26.03.2015 auf die Novellierung des ZDF-Staatsvertrags geeinigt. Bekanntlich hatten die Bundes-Verfassungsrichter im letzten Jahr den aktuellen ZDF-Staatsvertrag u. a. wegen seiner Politikerdichte für verfassungswidrig erklärt.
Der derzeitige Fernsehrat ist überproportional mit Vertretern der großen Parteien besetzt. Allein CDU/CDU hat einen Anteil von über 5o %, wenn man die Parteifreunde innerhalb der gesellschaftlich relevanten Gruppierungen außerhalb des Staats- und Parteienspektrums hinzuzählt. Die SPD verfügt über gut 30 % der Sitze. Diese Präsenz legt Zeugnis darüber ab, wer den Intendanten wählt und somit auf die Berichterstattung und Programmgestaltung Einfluss nimmt.
Die Ständige Publikumskonferenz hat sich mit einer Stellungnahme an der Novellierung beteiligt. Wir schlossen uns in weiten Teilen der abweichenden Meinung von Verfassungsrichter Paulus an, der die Nichterfüllung des Versprechens eines staatsfernen Rundfunks und Fernsehens konstatierte. Den Grundpfeilern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nämlich Staatsfreiheit, Programmautonomie sowie Vielfalts-, Neutralitäts- und Ausgewogenheitsverpflichtung entspricht der vorliegende Entwurf im Bereich der Gremienaufsicht wiederum nicht. Es werden, wie gehabt, die regierenden großen Volksparteien wieder im Fernsehrat sitzen.
Kleinere Parteien und damit vor allem die Opposition werden nicht vertreten sein.
Undemokratisch am Prozedere war insbesondere, dass der gesamte Entscheidungsprozess hinter verschlossenen Türen der Staatskanzleien stattfand und somit die eine breite gesellschaftliche Debatte über die künftige Gestaltung des öffentlich-rechtlichen ZDF und seiner Gremien ausfiel. Eine Evaluierung oder gar Überprüfung der gesellschaftlichen Relevanz der Gruppierungen, die im Fernsehrat vertreten sind, wurde vermieden.
Bereits im Vorfeld wurde in äußerst unauffälliger und intransparenter Weise eine rege Öffentlichkeitsbeteiligung verhindert.
Ein entsprechendes Schreiben, in welchem wir gegen die unzureichende Frist für die Meinungsäußerung der Öffentlichkeit zur Neufassung des ZDF-Rundfunkstaatsvertrages beanstandeten blieb unbeantwortet.
Unsere Stellungnahme wurde trotzdem fristgerecht fertig und enthielt zahlreiche Vorschläge, die dazu geeignet waren, kräftig Staub aus Gremium und Staatsvertrag zu schütteln.
Unter anderem plädierten wir für eine Erweiterung von interkulturellen und transkulturellen Programmangeboten aus um einer drohenden Spaltung der Gesellschaft sowie Ressentiments entgegenwirken und dem veränderten Bildungs- und Informationsauftrag Genüge zu tun.
Unsere Erfahrung mit der teils unterirdischen Berichterstattung des ZDF zum Ukrainekonflikt, über Russland und Griechenland, veranlassten zu einer Erweiterung des § 6, der sich insbesondere mit der von uns oft bemühten Objektivität und Unparteilichkeit innerhalb der Berichterstattung befasst.
Bei Kriegs- und Krisenberichterstattung soll demnach die Instrumentalisierung, offene Parteinahme sowie das Schüren von Ressentiments seitens der Korrespondenten ausgeschlossen und die Festschreibung journalistischer Ethik-Kodizes angebracht sein. Die Verantwortung öffentlich-rechtlicher Medien und deren Mitarbeiter hat sich im Interesse des Publikums und des gesetzlichen Auftrages deutlich von denen privater Anbieter abzuheben.
Ein wichtiger Punkt ist für uns die Ergänzung des § 11 (3) der sich mit den immensen Kosten der Verkündigungssendungen (inklusive innerbetrieblicher Leistungen) befasst.
Bislang sah der ZDF-Staatsvertrag eine Erstattung der Kosten der Verkündigungssendungen durch die Kirchen nicht vor, schloss sie aber auch nicht explizit aus. Die Kosten der Verkündigungssendungen sind unserer Meinung nach nicht Bestandteil des gesetzlichen Auftrages und somit dem ZDF von den jeweilig Verantwortlichen der Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche, den Jüdischen Gemeinden sowie anderen religiösen Gruppierungen zu erstatten. Während die verschiedenen Sender pro Fernsehgottesdienst oft 100 000 Euro oder mehr investieren, wird gleichzeitig am Honorar freier Mitarbeiter bis zur Schmerzgrenze gespart. Ein Umstand, der insbesondere sozial schwache und konfessionslose Beitragszahler auf die Palme bringen müsste.
Wir sehen nicht ein, dass Kosten für religiöse Institutionen, die über eigene Einnahmen und beträchtliche Vermögen verfügen, aus dem Beitragsaufkommen finanziert werden. Rundfunkgesetze und Staatsverträge verpflichten die Sender zwar dazu, Kirchensendungen auszustrahlen, es existiert allerdings in keinem Staatsvertrag ein Hinweis darauf, dass die Sender auch zu deren Produktion bzw. der Übernahme entsprechender Kosten verpflichtet sind. Die jährlichen Kosten für Verkündigungssendungen inklusive innerbetrieblicher Leistungen von derzeit rund 3,3 Millionen Euro (2013) werden seit vielen Jahren vom Haushalt des ZDF getragen und vom Beitragszahler finanziert. Das ist nicht länger hinnehmbar.
Weiterhin schlugen wir vor, im Interesse der Vielfalt und der demokratischen Beteiligung weiterer gesellschaftlich relevanter Gruppierungen die ursprüngliche Anzahl der Sitze beizubehalten oder alternativ die Sitze der Entsendeorganisationen entsprechend der Relevanz, der Mitgliederzahlen und der veränderten gesellschaftlichen Erfordernisse zu korrigieren. Religionszugehoerigkeit_Bevoelkerung_Deutschland_2014
Die Katholische und die evangelische Kirche haben weiterhin je zwei Sitze im Fernsehrat – Konfessionslose oder Atheisten weiterhin keinen.
Die Argumentation, dass sich unter den gesellschaftlich relevanten Gruppierungen auch konfessionsfreie Personen befinden ist müßig, denn das träfe auch für katholische oder evangelische Personen zu. Auch die Zivilgesellschaft, die Nichtwähler, die NGOs, die Opposition, Kinder, Jugendliche und Studierende sind nicht berücksichtigt – dafür aber 70 Jahre nach dem Krieg noch immer die Vertriebenenverbände.
Immerhin ist man einer entsprechenden Forderung gefolgt und entsendet einen Vertreter der Lesben und Schwulen. Zu Zeiten des ersten Staatsvertrags war männliche Homosexualität in Deutschland noch strafbar. Auch im Hinblick auf die andauernde Kritik an der Situation Homosexueller in anderen Ländern kann man hier nur von einem überfälligen Schritt sprechen.
Weitere Vorschläge der Publikumskonferenz waren, dass die Gremien-Vertreter aus Gründen der Vermeidung von Ämterhäufung und der damit verbundenen Belastungen nicht die Vorsitzenden der Entsendeorganisation sein sollten.
Auch sollten die Vertreter der Entsendeorganisationen „Vertreter aus den Bereichen des Erziehungs- und Bildungswesens, der Wissenschaft, der Kunst, der Kultur, der Filmwirtschaft, der Freien Berufe, der Familienarbeit, des Kinderschutzes, der Jugendarbeit, des Verbraucherschutzes und des Tierschutzes“ – kein aktiv besetztes politisches Amt ausüben und somit zusätzliche Parteipräsenz durch die Hintertür verhindert werden.
Ein Ende der Dauerpräsenz ergrauter Eminenzen im Kontrollgremium Fernsehrat ist überfällig. Daher forderten wir die Begrenzung der Amtsperioden auf maximal 8 Jahre. Auch für Vorsitzende und deren Stellvertreter.
Da bislang stets nur eine Zusammenfassung der Jahresabschlüsse und Konzernberichte veröffentlicht wurde, fordern wir die Offenlegung aller Finanzströme innerhalb des ZDF. Exorbitante Bezüge und Honorare auf der einen Seite und die Not freier Mitarbeiter auf der anderen sorgen unter anderem für Verstimmungen innerhalb und außerhalb der Rundfunkanstalten. Seit Einführung der Haushaltsabgabe Anfang 2013 wird die Offenlegung der Mittelverwendung mit Recht verstärkt angemahnt. Die Anspruchsberechtigten (Beitragszahler) haben ein Recht darauf zu erfahren wofür ihr Geld ausgegeben wird.
Man darf sehr gespannt sein, ob sich die hohen Häuser dazu herablassen, den Forderungen der Anspruchsberechtigten zumindest in Form eines geeigneten Feedbacks zu entgegnen. Falls sich die Arroganz, die Selbstbedienungs- und Verteilungsmentaltät sowie die Missachtung von Publikumsinteressen innerhalb des ZDF und dessen Gremien fortsetzen, werden wir eine angemessene Verfahrensweise zur weiteren Bündelung von Interessen in Betracht ziehen.