Über die Hofberichterstattung um das Tarifeinheitsgesetz

Über die Hofberichterstattung um das Tarifeinheitsgesetz

Am 22.05.2015 wurde im Bundestag ein Gesetz beschlossen, welches das Streikrecht kleiner Gewerkschaften einschränkt und damit auch das Recht der Arbeitnehmer, sich so zu organisieren wie sie es wollen und wie es ihnen laut GG Artikel 9 vom Gesetzgeber garantiert wurde. Das Gesetz kommt einem Verbot der freien Wahl einer Gewerkschaft gleich und ist damit klar verfassungswidrig.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Sowohl der Staatsbetrieb Deutsche Bahn, als auch die beitragsfinanzierten Rundfunkanstalten wurden während des Arbeitskampfes offensichtlich ganz im Sinne der Bundesregierung tätig, um eine entsprechende Stimmung in der Bevölkerung zu erzeugen, die unter anderem dazu geeignet war, über Denunziationen, Einschüchterungen und Rufmord gegenüber Einzelpersonen die Wahrnehmung demokratischer Rechte zu diskreditieren.

Durch die kampagnenartige Berichterstattung wurde in der Bevölkerung eine breite Zustimmung für ein Gesetz generiert, welches sich im Endeffekt gegen die Grundrechte aller Bürger unseres Landes richtet, auch gegen die Grundrechte jener, denen durch den Arbeitskampf der GDL kurzzeitig eine Einschränkung ihrer Mobilität wiederfuhr.

Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten agierten mit der Mobilmachung gegen die GDL somit einmal mehr gegen ihre eigenen Grundsätze sowie gegen die Interessen und die verbrieften Grundrechte ihrer Anspruchsberechtigten. Die Rolle der ehemaligen Arbeiterpartei SPD wird zum absoluten Trauerspiel, wenn man deren Rolle innerhalb der Gremien der Medienanstalten berücksichtigt und traurig konstatieren muss, dass Kontrolle abwegiger Berichterstattungen offenbar nicht stattfindet. Zumindest marginale Informationen darüber, dass weder Gesetzgeber noch Vertreter von Staatsunternehmen irgendein Recht haben, spezialisierte Berufsgewerkschaften von Tarifverhandlungen abzuhalten, hätte in seriöser Berichterstattung stattfinden müssen.

Die Bahn und deren Eigentümer wollten, um es allgemeinverständlich auszudrücken, dass Arbeitnehmer freiwillig verbriefte Grundrechte abtreten. Wer einem solchen Begehren mediale Unterstützung verschafft, ohne aufzuklären, handelt entgegen der Interessen des Publikums und des gesetzlichen Auftrages. Die Hofberichterstattung für die hinterhältige und arbeitgeberfreundliche Politik der GROKO diente insbesondere dazu, den Provokateuren Deutsche Bahn und Bundesregierung die Steigbügel für das seit längerer Zeit geplante Tarifeinheitsgesetzes zu halten, dessen Zweck einzig darin besteht, kleinere schlagkräftige Gewerkschaften wie die GDL ihrer Existenz zu berauben.

Das kollektive und gleichgeschaltete Aufstacheln der Öffentlichkeit durch Kampagnen gegen die Person des engagierten Gewerkschafters Weselsky reiht sich ein in die Liste absurder Tiefpunkte öffentlich-rechtlicher Informationspolitik. Dass GDL-Chef Weselsky, der „meistgehasste Mann der Republik“ in aggressiven Angriffen ad personam gänzlich allein und persönlich für den Streik verantwortlich gemacht wurde, als ob es den Auftrag der Gewerkschaft kraft Urabstimmung und Tarifkommission nicht gäbe, gehört zu dem Kapitel Volksverdummung, welches eigentlich dem Boulevard vorbehalten bleiben sollte.

Wer immer an vorderster Front kämpft, der muss sich nicht wundern, wenn er auch mal von einer Kugel getroffen wird.

Den massiven Angriffen gegen die Person Weselsky stand ein komplett aus der Verantwortung genommener Konzern gegenüber, dessen angebliche Verhandlungs- und Abschlussbereitschaft permanent durch einen einzigen „Machtmenschen“ konterkariert wurde. Miosga, Atalay, Slomka und diverse andere Glanzlichter des öffentlich-rechtlichen Fragmentjournalismus schafften es somit tatsächlich, den „längsten Streik in der Bahngeschichte“ ganz im Sinne der Bosse zu lancieren und öffentlichen Druck durch Desinformation gegen die organisierte Arbeitnehmerschaft zu erzeugen. Da diese Stimmungsmache sich natürlich bestens in den hauseigenen Meinungsbarometern darstellen lässt und damit das Publikum doppelt manipuliert wird, kann von Glück zu reden sein, dass sich die Anzahl der Fernsehzuschauer in moderaten Grenzen hält und sich immer mehr Menschen über Original- oder Alternativquellen informieren.

Als absoluter Lichtblick ist zu werten, dass sich u. a. auch der Deutsche Journalisten-Verband mit der GDL solidarisch erklärt hatte. So hielt DJV-Vorsitzender Michael Konken (Mitglied im ZDF-Fernsehrat) der Geschäftsführung der Bahn folgerichtig vor, eine Tarifeinigung nicht wirklich anzustreben. Sie spiele auf Zeit und stilisiere sich effektvoll und populistisch an der Seite der Reisenden zum Opfer eines angeblich verbohrten Gewerkschaftsbosses. Herr Weselsky und die Lokführer wurden ermuntert standhaft zu bleiben. Sein Appell an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, dem Gesetzentwurf zur Tarifeinheit die Zustimmung zu verweigern, lief leider ins Leere.

„Das Gesetz schränkt die gewerkschaftlichen Grundrechte massiv ein und lässt sich deshalb nicht mit der Verfassung vereinbaren.“

Kurios mutet es nach den monatelangen unqualifizierten Angriffen auf die GDL und ihren Vorsitzenden an, dass nun plötzlich die SPD, insbesondere die Person von Andrea Nahles, (nicht zu Unrecht) im Fokus der medialen Kritik steht. Schließlich gäbe es ja verschiedene Gewerkschaften und diese dürften nicht am streiken gehindert werden. Ein vorläufig in trockenen Tüchern gewähntes Gesetz wird zum ungeahnten Gegenstand neu erwachter journalistischer Sorgfalt. Bislang wurde die sture Kompromisslosigkeit der Bahn und deren Schützenhilfen im deutschen Bundestag, die diesen lange geplanten Gesetzentwurf maßgeblich vorangetrieben haben, im publizistischen Dunkel gehalten.

Der Grund für die schnelle Einigung zur Schlichtung lag dabei, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, in der Person des eingeführten Mitverhandlers der GDL begründet und war ein durchaus cleverer Schachzug der GDL. Der Ex-Richter am BAG, hatte bereits am Urteil für den Marburger Bund 2010 mitgewirkt und die Bahn wohl im aktuellem Fall mit der eindeutigen Rechtslage konfrontiert. Eine ähnlich polemisierende und sinnfreie mediale Schmutzkampagne wie jene, die gegen den ostdeutschen GDL-Chef Weselsky gefahren wurde, war hier wohl aus gutem Grund nicht angebracht.

Eine andere wichtige Personalie im Konflikt (insbesondere im Zusammenhang mit der expliziten Verantwortlichkeit des Aufsichtsrates der DB) ist die Polizeibeamtin Kirsten Lühmann, die als Inhaberin der einzigen ablehnenden Stimme innerhalb der SPD wohl als letzter Rettungsanker angesichts des Unterganges der ehemaligen Arbeitnehmerpartei in die Geschichte eingehen wird. Kirsten Lühmann hatte sich als Aufsichtsratmitglied der DB, im Gegensatz zu den Genossen der Bosse, wohl etwas intensiver mit der Sachlage auseinander gesetzt. Jeder Aufsichtsrat ist verpflichtet, Schaden von seinem Unternehmen abzuhalten. Jeder ist persönlich haftbar. Im Aufsichtsrat der Bahn sitzen mehrere juristisch versierte Personen unter anderen: die frühere Justizministerin Brigitte Zypries und eben jene Polizeikommissarin Kirstin Lühmann. Beide wissen von Amts wegen und von ihrer Ausbildung her, was unter Recht, Ordnung, Gesetz und Gesetzlichkeit zu verstehen ist.

Gutachten – sofern sie nicht von involvierten Unternehmen in Auftrag gegeben wurden – die dem Gesetz zur Tarifeinheit Verfassungsfeindlichkeit bescheinigen, wären ein lohnendes Betätigungsfeld für Journalisten mit freiem Meinungsbildungsauftrag. Ein solches Gutachten hat der Wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung im Auftrag der Abgeordneten Beate Müller‐Gemmeke (Grüne) erarbeitet. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass das Gesetz einen Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes darstellt. Die Koalitionsfreiheit ist die Grundlage für frei ausgehandelte Tarifverträge und für Arbeitskämpfe. Beide Freiheiten würden vom geplanten Gesetz explizit berührt, die im Gesetz formulierten Begründungen reichten zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffes nicht aus. Müller-­Gemmeke darf das Gutachten weder veröffentlichen, noch aus ihm zitieren, sondern den Inhalt nur in eigenen Worten wiedergeben. Grundlage des Gutachtens sind juristische Schriften, Stellungnahmen und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Dass ein so wichtiges Gutachten unter Verschluss gehalten wird, sollte der breiten Öffentlichkeit alsbald zur Kenntnis gebracht werden.

Es ist wohl immer wieder aufs Neue angebracht darauf hinzuweisen, dass es nicht Aufgabe öffentlich-rechtlicher Medien ist, als Sprachrohr diverser politischer oder wirtschaftlicher Interessen zu fungieren. DIE brandheiße Story jedoch, dass der Frontalangriff auf demokratische Grundrechte von langer Hand geplant wurde und der jeweilig „längste Streik in der Geschichte der Bahn“ für die Bosse der Republik und deren willfährige Handlanger in Politik und Medien lediglich als Alibi-Initialzündung für das vermeintlich vertrocknete Volkshirn diente, könnte ganze Investigativ-Teams über Wochen beschäftigen.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Weitere Quellen:
Wiki 1
Wiki 2
Wiki 3

Update: Weiter gehts im Niveau-Limbo: „Warum, so ist zu fragen, recherchieren diese Medien nicht?“