35 Jahre nach ABLE ARCHER 83 bietet ZDF-Doku Desinformation

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Unter Dokumentation versteht man laut Wikipedia die Nutzbarmachung von Informationen zur weiteren Verwendung. Qualitätsmerkmale von Dokumentation sind: Vollständigkeit, Übersichtlichkeit, Verständlichkeit, Strukturiertheit, Korrektheit, Editierbarkeit, Nachvollziehbarkeit, Integrität/Authentizität, Objektivität. (…) In Filmen und im Rundfunk wird mit Dokumentation ein journalistisch aufbereiteter Bericht bezeichnet, der mithilfe von Quellen und Zeugnissen Anspruch auf Nichtfiktionalität, auf Bezug zur realen Welt, erhebt. Das ZDF erhebt den Anspruch mit seinen Dokumentationen Zusammenhänge gesellschaftlicher Entwicklungen, demokratischer Prozesse sowie politischer und wirtschaftlicher Positionen anschaulich zu machen, Wissen zu vermitteln und bei der Orientierung in Alltags- wie auch existenziellen Themen zu helfen. So weit die Theorie.
Maßgebliche Mitarbeiter und Kontrollinstanzen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten vergessen neben ihrem gesetzlichen Auftrag regelmäßig das Vorhandensein von Rezipienten mit einer gewissen Affinität zur jüngeren Geschichte, von pfiffigen Autoren und die unbegrenzten Möglichkeiten des World Wide Web als Mittel zur Recherche.
Ein Dreiteiler des ZDF
35 Jahre nach ABLE ARCHER 83 bietet das öffentlich-rechtliche Fernsehen noch immer Desinformation
Im Herbst 1983, als Reagan die Abrüstung für tot und eine Co-Existenz mit dem „Reich des Bösen“ für ausgeschlossen erklärte, war der Kalte Krieg so heiß wie nie zuvor. Das Herbstmanöver und insbesondere die Operation Able Archer 83 erschienen dem Kreml als getarnte Vorbereitung eines nuklearen Überraschungsschlags. Berühmtester Zwischenfall war jene Nacht am vermutlich 26. September 1983, als ein Fehlalarm beinahe den Dritten Weltkrieg auslöste (Stanislaw Petrow und das Geheimnis des roten Knopfs).
Die westlichen und insbesondere die deutschen Historiker taten sich schwer mit der historischen Einordnung des Dramas und ignorierten das Thema lange einfach. Tragisch verlief vor allem die Wahrnehmung des ZDF, das im Kalten Krieg die ganze Welt im Sinne der NATO deutete und dem geneigten Publikum die Geschichte bemerkenswert subjektiv erzählt.
Die wohl jüngste Produktion ist Geheime Fronten. Schattenkrieg zwischen Ost und West (2017). Darin beschreibt das ZDF das NATO-Szenario unkritisch so:
„Nach Giftgasangriffen des Gegners antwortet die Nato nuklear.“
Für das ZDF sind also die Staaten des Warschauer Pakts plausible Aggressoren – und nicht etwa General LeMay und seine Kollegen, die jahrzehntelang offen für einen nuklearen Erstschlag plädierten (Overkill – USA geben Geheimdokumente zur Nuklearstrategie von 1964 frei). Man erspart dem Publikum auch Irritation durch die Rhetorik des verantwortungslosen US-Präsidenten Reagan, der mit SDI und Kriegsrhetorik das Drama von 1983 provoziert hatte (Der Krieg der Sterne – Der NATO-Spion – Teil 1).
„Es gibt Anzeichen, dass Moskau Able Archer als Auftakt eines echten Atomschlags missversteht.“
Was will uns das ZDF damit sagen? Damals jedenfalls sahen westliche Geheimdienste solche „Anzeichen“ nicht. Der heutige Forschungsstand geht demgegenüber weit über bloße „Anzeichen“ hinaus. Für die damaligen KGB-Chefs und Mitglieder des Politbüros war eine solche Befürchtung sogar subjektive Gewissheit, die sie teilweise sogar zeitlebens beibehielten. Die damalige sowjetischen Kriegsangst führte mit der Operation RyAN zum größten Unternehmen in der Geschichte des KGB – die den Superspionen im Westen nahezu komplett verborgen blieb.
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