Die Idee einer atomwaffenfreien Welt versus 80 Mal Hiroshima in der Eifel

Die Idee einer atomwaffenfreien Welt versus 80 Mal Hiroshima in der Eifel

Bildquelle Counterpunch

Im Morgenmagazin vom 31.03.2016 wurde ein Interview mit der ZDF-Washington-Korrespondentin Ines Trams zum Gipfel „Nukleare Sicherheit” in Washington geführt.

Zitat:
“Während einige Länder ihre Arsenale mit nuklearen Material abbauen, stocken andere Länder genau diese Vorräte auf, da ist Nord-Korea zu nennen, da ist Pakistan zu nennen, auch Russland. Russland boykottiert übrigens diesen Gipfel, reist gar nicht erst nach Washington an. Eher eine gemischte Nuklearbilanz, die Obama (sic!) da vorweisen kann und es besteht die große Sorge, dass die Idee einer atomwaffenfreien Welt auch mal erst wieder einschlafen könnte.“

Bei Beiträgen wie diesen frage ich mich immer wieder, was mit den Mitarbeitern in den Sendern und vor allem in den Auslandsstudios nicht in Ordnung ist. Können die aufgrund einer wie auch immer gearteten Sozialisation nicht anders, oder wollen sie nicht anders, weil dann eventuell vertraute Narrative ins Wanken geraten würden, deren Aufrichtung auch unangenehme Eingeständnisse beinhalten dürfte. Die dritte Möglichkeit wäre ein entsprechender Auftrag, derartigen Schwachsinn vor laufenden Kameras zu verkünden – diese Option wird jedoch von den Verantwortlichen stets vehement bestritten. Also wird die Desinformation freiwillig, bereitwillig, aus freien Stücken, völlig unbehelligt von Skrupeln betrieben, was angesichts des gesetzlichen Auftrages der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten der denkbar größte Skandal ist. Wie auch immer – es zeugt mindestens von einer gewissen Ignoranz, wenn trotz Erfahrungen mit der US-amerikanischen Militärgeschichte Nachrichtenbeiträge mit der kompletten Ausblendung realer Zustände einhergehen.

Das eingangs monierte Zitat suggeriert in gewohnter Dreistigkeit, dass Russland kein Interesse an nuklearer Sicherheit habe und stellt das Land, welches – neben den USA – immerhin den Vorsitz der Globalen Initiative zur Bekämpfung des Nuklearen Terrorismus (GICNT) innehat, gefährdungstechnisch neben „Problem-Staaten“, die noch nicht einmal Mitglieder des Atomwaffensperrvertrags sind.

Man muss nicht unbedingt eine Leuchte im Fach Propagandatechniken sein, um zu ahnen, was mit diesen konstruierten Vorwürfen bezweckt werden soll. Die Washington-Korrespondentin Trams suggeriert, das „die Idee einer atomwaffenfreien Welt“ ausgerechnet aufgrund des Fehlverhaltens Russlands „wieder einschlafen“ könne.

Zur Veranstaltung und zur Absage Russlands: Beim vierten Gipfel zur nuklearen Sicherheit, sollte u. a. über die Gefahren des nuklearen Terrorismus debattiert und nach Möglichkeiten gesucht werden, die weltweiten Bestände radioaktiven Materials zu verringern und so gut wie möglich zu sichern. 50 Staaten und internationale Organisationen seien der Einladung der USA gefolgt, 150 wären gar nicht erst eingeladen worden, was dafür spräche, dass eine geschlossene Staatengruppe der restlichen Weltgemeinschaft ihre Tagesordnung im Bereich der nuklearen Sicherheit aufzuzwingen versuche.

Michail Uljanow, Ressortleiter für Nichtweiterverbreitung und Rüstungskontrolle im russischen Außenministerium, schätzte ein, dass der Gipfel nur spezifische Probleme behandele, die sich eher an Atomphysiker, Geheimdienste und Techniker richteten und keine Themen, die auf höchster Ebene zu besprechen wären.

Warum schweigen die Lämmer über das Offensichtliche?

Der Psychologie-Professor Mausfeld gab in einem vielbeachteten Vortrag an, dass eher die gebildeten Schichten anfällig für die Illusion des Informiertseins sind. Diese Schichten sind aus naheliegenden Gründen in besonderem Grad durch die jeweils herrschende Ideologie indoktriniert – das war im Nationalsozialismus nicht anders als heute – sie sind durch ihre schweigende Duldung ein wichtiges Stabilisierungselement der jeweils herrschenden Ideologien. Mit Billigung und Unterstützung der Mehrzahl ihrer (gebildeten) Bürger können Staaten schlimmste Gräueltaten – wie Folter, Massenmorde und Völkermord – begehen und dennoch davon überzeugt sein, dass ihre Taten moralisch nicht verwerflich seien.

Die Chuzpe, mit der zum Beispiel ein Obama ausgerechnet in Cuba die Menschenrechte anmahnt, lässt nur einen Teil der aufgeklärten Bürger entnervt aufstöhnen. Die Mehrheit findet nichts dabei und Guantanamo scheint sie weniger zu schrecken als ein kleines, stolzes Volk mit dem Willen zur Selbstbestimmung. Das Offensichtliche ist unsichtbar geworden durch die Dauerberieslung mit defizitärer Information wie der eingangs beanstandeten.

Wo ist nun der fehlende Teil der Information, mit dem Frau Trams im Interesse ihrer Auslandskarriere so sparsam hausieren geht?

Es ist nie passiert.
Nichts ist jemals passiert.
Sogar als es passierte,
passierte es nicht.
Es spielte keine Rolle. Es
interessierte niemand.“
Harold Pinter

Drei wahre Begebenheiten:

1.) Die NSA gibt zu, 1964 in ihrem Bericht über den Tonkin-Zwischenfall gelogen und Daten so manipuliert zu haben, dass der Eindruck entstand, nordvietnamesische Schnellboote hätten US-Kriegsschiffe angegriffen, um einen Vorwand für den Vietnam-Krieg zu schaffen. Die Zahl der vietnamesischen Kriegsopfer wird auf mindestens zwei bis zu über fünf Millionen, darunter über 1,3 Millionen Soldaten, geschätzt. Mehrere Millionen Vietnamesen wurden verstümmelt und dem hochgiftigen Entlaubungsmittel Agent Orange ausgesetzt.

2.) Das FBI hatte zugegeben, dass die Milzbrand-Anschläge im Jahr 2001 von einem oder mehreren bei der US-Regierung beschäftigten Wissenschaftlern ausgingen; ein höherer FBI-Beamter hatte außerdem enthüllt, das FBI sei vom Weißen Haus angewiesen worden, die Milzbrand-Briefe Al-Qaida und dem Irak anzulasten, weil man sie als Rechtfertigung für einen Regimewechsel im Irak benutzen wollte.

3.) Die USA haben dem Irak zu Unrecht unterstellt, an den Anschlägen am 11.09.2001 beteiligt gewesen zu sein und diese Anschuldigung als eine der Hauptrechtfertigungen für den Überfall auf den Irak benutzt; das geht aus einer Notiz des Verteidigungsministers hervor. „Irak ist das am stärksten durch Uranwaffen kontaminierte Land. Die USA und Großbritannien verschossen in den Kriegen von 1991 und 2003 mindestens 400.000 Kilogramm Uranmunition.“ Quelle Wikipedia

Die denkbar größte reale Gefahr in Bezug auf nuklearen Terrorismus ging bislang von den USA aus. Sie haben seit Jahrzehnten in beispiellosem Maß nukleare, geächtete und konventionelle Angriffe auf zivile Ziele verübt, irreparable Verheerungen bei Atomtests im Pazifik angerichtet und Kriegsgründe en masse inszeniert wie kein anderes Land jemals zuvor.

Die Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki töteten insgesamt etwa 92.000 Menschen sofort – fast ausschließlich Zivilisten. An Folgeschäden starben bis Jahresende 1945 weitere 130.000 Menschen. Das Sterben und die Folgeschäden bei Neugeborenen hielten über Jahrzehnte an.

66 nukleare Sprengkörper ließen die USA zwischen 1946 und 1958 auf den Marshallinseln explodieren, das entspricht 1,6 Hiroshimas jeden einzelnen Tag – 12 Jahre lang. Bikini ist heute tot, mutiert und verstrahlt. Die Palmen wachsen mit einem seltsamen Muster. Nichts bewegt sich. Es gibt keine Vögel. Die Grabsteine auf dem alten Friedhof strahlen.

Die Obama-Regierung lässt noch mehr Nuklearwaffen bauen, weitere Atomsprengköpfe, weitere nukleare Trägersysteme, noch mehr Nuklearanlagen. Die Ausgaben allein für atomare Sprengköpfe stiegen unter Obama höher als unter jedem anderen Präsidenten. Die Kosten betragen über 30 Jahre mehr als eine Billion Dollar. Dass ausgerechnet US-Präsident Obama „die Welt noch vor seinem Amtsende ein Stück sicherer machen“ will, wie die Tagesschau behauptet, ist ein weiterer Treppenwitz der Weltgeschichte und an Zynismus nicht zu überbieten.

In den letzten 18 Monaten gab es entlang Russlands Westgrenze die größte Aufstockung militärischer Kräfte seit dem Zweiten Weltkrieg – angeführt von den USA. Seit Hitler in die Sowjetunion einmarschierte, haben ausländischen Truppen nicht eine solch offensichtliche Bedrohung für Russland dargestellt.

Nach Expertenschätzung lagern in Büchel in der Eifel (Rheinland-Pfalz) noch bis zu 20 Atomsprengköpfe aus den Zeiten des Kalten Kriegs, für deren Einsatz im Ernstfall die Bundeswehr „Tornado“-Kampfflieger bereit hält. Zudem belegen US-Haushaltspläne die geplante atomare Aufrüstung in Büchel. Rüstungsexperten bestätigen, dass die neuen taktischen Mini-Nuklearwaffen vom Typ B 61-12 lenkfähig und damit wesentlich zielgenauer sind als die Atombomben, die bislang in Büchel lagern. Im Kriegsfall sollen deutsche Tornado-Piloten im Rahmen der NATO-Strategie der “Nuklearen Teilhabe“ Angriffe mit den US-Bomben fliegen.

„Nukleare Teilhabe“ – das kling so sozial, oder?

Bis 2020 soll die erste der B61-12 fertiggestellt sein, weitere vier Jahre später soll die Produktion abgeschlossen und die alten Bomben abgelöst sein – sowohl in den USA, in Europa und im deutschen Eifel-Dörfchen Büchel, auf dessen Fliegerhorst noch immer bis zu 20 US-Atombomben vom Typ B61 gelagert sind. Dann, so der Plan, kann die neue Bombe sowohl mit taktischen Kampfflugzeugen wie der F-16, dem deutschen Tornado, der F-15E oder dem neuen Jagdbomber F-35 eingesetzt werden als auch von strategischen Bombern wie der B-2 „Spirit“ oder dem geplanten Zukunftsbomber vom Typ LRS-B.

“Mit den neuen Bomben verwischen die Grenzen zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen“, kritisierte Hans Kristensen vom Nuclear Information Projects (Atomic Scientists) in Washington D.C./USA und die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa sagte gegenüber Frontal21: “Uns beunruhigt, dass Staaten, die eigentlich keine Atomwaffen besitzen, den Einsatz dieser Waffen üben, und zwar im Rahmen der NATO-Praxis der Nuklearen Teilhabe. Das ist eine Verletzung der Artikel 1 und 2 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Atomwaffen.“

Können wir uns gegen
eine systematische
Manipulation unserer
Einstellungen,
Überzeugungen und
Meinungen schützen?

„Nur wenn wir erkennen, dass wir uns in einem Manipulationskontext befinden, und dann die Medien, über die die gewünschten Manipulationen vermittelt werden, aktiv vermeiden, haben wir in derartigen Situationen eine Chance, uns einen Rest von Autonomie zu bewahren.“