DLF-Intendant zum Manifest – Es gibt ein Gefühl, dass nicht die ganze Wahrheit ans Licht kommt
DLF-Intendant: Es gibt ein Gefühl, dass nicht die ganze Wahrheit ans Licht kommt
Stefan Raue, Intendant des Deutschlandradios, bezieht Stellung zum neuen Manifest, das eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordert. […]
Wenn ich mir anschaue, wer da unterschrieben hat – Luc Jochimsen, Gabriele Gysi, Jürgen Fliege –, alles respektable Persönlichkeiten. Das sind nicht Menschen, die in den letzten Jahren verschwiegen oder unterdrückt wurden. Deswegen ist dieser Vorwurf der Zensur oder des Einschränkens da nicht so konkret fassbar. Ich habe mir das Papier mehrfach durchgelesen, aber so richtig bin ich der Sache nicht auf die Spur gekommen. Ich kann nur sagen, dass Themen wie Corona oder Ukraine und Russland bei uns im Haus sehr intensiv und vielschichtig diskutiert werden. Es wird sehr offen diskutiert, da haben auch diejenigen mitdiskutiert, die da unterschrieben haben. Ich kann viele Sätze nachvollziehen, die da stehen. Mit der generellen Stoßrichtung – im Öffentlich-Rechtlichen werden Themen ausgeblendet oder nicht gehört oder gesendet – kann ich wenig anfangen. Das ist in unserem Haus eine ganz andere Praxis. […]
In den letzten Jahren ist die Skepsis der Menschen gegenüber den etablierten Wissensagenturen – Wissenschaften, Universitäten, Verlage, Medien – gewachsen. Das würde das Nachdenken lohnen, warum das so gekommen ist. Den Vorwurf, dass man etwas zu viel betont und etwas anderes zu wenig, den hat es immer schon gegeben, das ist nicht neu. Aber das Gefühl, dass nicht die ganze Wahrheit ans Licht kommt, das ist schon bei vielen Menschen durchaus verbreitet. Das müssen wir als Medienleute ernst nehmen. Insoweit findet so ein Aufruf auch das Interesse bei einem gewissen Publikum. Aber für eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Manifest fehlen mir da jetzt die konkreten Vorwürfe.
Wir sehen in unserer Audiothek, dass bei uns die Beiträge besonders gut angenommen werden, die Hintergrund anbieten, sich mehr Zeit nehmen, längere Beiträge. Die sind in allen Altersklassen sehr beliebt. Das Schnelle, Kurzatmige wird eigentlich wenig goutiert. Aber wir sind natürlich Vollblutjournalisten: Wenn ich sehe, dass die anderen ein relevantes Thema haben, das ich nicht habe, das macht natürlich nervös. […]
Ich glaube, dass wir Medien viele Aspekte des ganzen Lebens um uns herum nicht ausreichend eingefangen bekommen. Aber ich würde das nicht längs der großen Streitthemen sehen. Der Zukunftsrat hat uns gesagt: Ihr sitzt in Köln und Berlin, also in urbanen Millionenzentren, aber ihr müsst in ganz Deutschland vertreten sein. Wir müssen das, was in der kleinen Stadt passiert, auf dem Land, stärker in den Blick nehmen.