Kritik am ÖRR: Ein „Manifest“ und die Reaktionen darauf
Kritik am ÖRR: Ein „Manifest“ und die Reaktionen darauf
Mit einem „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ fordern etwa 130 Unterzeichner mehr Meinungsvielfalt von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Ihre Kritik und wie sie kommentiert und eingeordnet wird – eine Übersicht.
https://www.deutschlandfunk.de/reaktionen-auf-oerr-kritisches-manifest-100.html
Interview mit WDR-Chefredakteur Stefan Brandenburg
Streitgespräch zu umstrittenem „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ mit Luk(rezia) Jochimsen, ehem. Chefredakteurin HR-Fernsehen und mit Mika Beuster, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV)
Manifest
(11:07) ÖRR: Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Ole Skambraks – Hubert Krech – Michael Schmidt – Steffen Grimberg
Radio1-Medienmagazin 06.04.2024
https://www.radioeins.de/archiv/podcast/medienmagazin.html
Gegendarstellung von Ole Skambraks, Herausgeber von meinungsvielfalt.jetzt auf djv.de:
„Im Impressum der Website https://meinungsvielfalt.jetzt steht seit ihrer Erstellung im Mai 2022 ausschließlich Ole Skambraks. Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Beziehung von Ole Skambraks und Meinungsvielfalt.jetzt zu dem Verein Zivile Allianz.“
https://www.djv.de/startseite/service/blogs-und-intranet/djv-blog/detail/news-nah-am-rand
Framing statt Berichterstattung: DJV-Blog korrigiert intransparent
Von der ursprünglichen Behauptung, noch vor Kurzem sei im Impressum der Seite www.meinungsvielfalt.jetzt ein Verein Zivile Allianz genannt worden, der eine Verbindung zur AfD-Politikerin Beatrix von Storch aufweise, blieb also nichts übrig. Es gab aber auch keinen Widerruf, kein Fehlereingeständnis. Diese zwei Veränderungen nicht zu dokumentieren widerspricht dem deutschen Pressekodex, über dessen Einhaltung im Deutschen Presserat regelmäßig auch DJV-Vertreter befinden.
https://www.spiegelkritik.de/2024/04/06/framing-statt-berichterstattung/
In einer früheren Version des Artikels hieß es, im Impressum der Seite „meinungsvielfalt.jetzt“ habe bis vor Kurzem noch der Verein Zivile Allianz gestanden. Das haben wir korrigiert. Seit ihrer Erstellung im Jahr 2022 steht ausschließlich Ole Skambraks im Impressum.“
Hinweis I: Auch wird der deutsche Journalismus im internationalen Vergleich keine schlechten Noten bekommen. „Ich kenne kaum ein Land, wo Journalisten so unabhängig und investigativ arbeiten können wie in Deutschland. Investigative Ressorts sind überall im Trend.“ (Otto 2017, S. 41)
Trotzdem kann die Lage des Journalismus, ohne in Schwarzmalerei abzudriften, sondern einfach indem man andere Fakten anspricht, auch anders dargestellt werden. Sich verschlechternde Rahmen- und Arbeitsbedingungen bei Presse und Rundfunk, insbesondere sinkende Printauflagen, Einbrüche bei den Werbeerlösen, Einschnitte in redaktionelle Ressourcen, Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen und Personalabbau sind einige der Stichworte, die seit Jahren fallen, wenn von Journalismus die Rede ist. Hinzugekommen sind Debatten um den Journalismus als unkritisches Sprachrohr eines elitären Establishments, um eine Glaubwürdigkeitskrise, um Vertrauensverlust, um Lügenpresse und Fake News.
Eine genauere Analyse „macht zehn mehrfach miteinander verknüpfte Faktoren sichtbar, die sich essenziell auf die Güte und die mittel- und langfristigen Rahmenbedingungen der journalistischen Arbeit und ihrer Ergebnisse auswirken. Deutlich wird dabei, dass sich die allermeisten dieser Faktoren in den letzten Jahren negativ entwickelt haben.“ […]
Wenn Meinungsvielfalt öffentlich erkennbar sein soll, wenn sich die unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen im Selbstbild der Gesellschaft wiederfinden und deren Akteure die Erfahrung machen sollen, dass ihre Stimmen gehört werden, dann muss der Journalismus erkennen lassen, dass er sich zumindest mit der Frage auseinandersetzt, worüber er wie berichtet und worüber er in diesem Fall nicht berichtet.
(Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Mühl-Benninghaus, Jürgen Schulz: MEDIENVIELFALT = MEINUNGSVIELFALT? Historische, systematische und digitale Perspektiven auf Meinungsbildung und öffentliche Meinung. Eine Studie im Auftrag der Organisation der Mediaagenturen (OMG e.V.),
und der ZDF Werbefernsehen GmbH. S. 114 f. Oktober 2017.)
Hinweis II: „Die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Formate entsprach in dieser Hinsicht aber nahezu exakt der durchschnittlichen Berichterstattung der 34 Vergleichsmedien. Dies ist auch nicht erstaunlich, weil öffentlich-rechtliche wie private Medien letztlich derselben journalistischen Logik folgen. […]
In Bezug auf die Perspektivenvielfalt zeigen sich zwei bemerkenswerte grundsätzliche Befunde. Zum einen fiel die wertende Darstellung politischer Akteure (hier die Darstellung von Parteien und Politikern) in den öffentlich-rechtlichen Formaten bei weitem überwiegend negativ aus. In fast jedem der neun öffentlich-rechtlichen Formate wurden sowohl Parteien links der Mitte als auch Parteien rechts der Mitte im Saldo negativ bewertet. Gleiches galt allerdings auch hier wieder für die 34 Vergleichs- und vor allem die 4 Extremmedien. Unterschiede zwischen den Medien zeigten sich nur im Hinblick darauf, wie groß der Überhang negativer Informationen war, und ob die Parteien links oder rechts der Mitte stärker kritisiert wurden. Natürlich erschienen in allen Medien auch Beiträge, die die Parteien positiv darstellten, sodass prinzipiell unterschiedliche Perspektiven vorhanden waren. Diese Beiträge waren aber in den meisten Formaten so klar in der Minderheit, dass von einer ausgewogenen Berichterstattung insgesamt eher nicht die Rede sein kann. Alle hier untersuchten Nachrichtenmedien erweckten bei ihrem Publikum vielmehr überwiegend den Eindruck, dass weder Regierung noch Opposition in der Lage sind, die aktuellen Probleme zu lösen. […]
Zum anderen zeigt sich in Bezug auf die Positionierung entlang grundlegender gesellschaftlicher Konfliktlinien, dass sich die neun hier untersuchten öffentlich-rechtlichen Formate ausnahmslos (Sozialstaatsorientierung) bzw. überwiegend (liberalprogressive Grundhaltung) auf der Seite der Gesellschaft positionieren, die man vereinfacht ausgedrückt als politisch links der Mitte bezeichnen kann. Sie reihten sich damit auch hier wieder weitgehend nahtlos in die 34 Vergleichsmedien ein, die mit wenigen Ausnahmen ebenfalls Sozialstaatsorientierung mit einer liberal-progressiven Grundhaltung verbanden. […]
Insgesamt positionierten sich die neun hier untersuchten öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformate folglich relativ gleichmäßig in einem durch Außenpluralismus, aber auch eine leichte Linksschiefe gekennzeichneten Mediensystem. Sie fielen durch einen gegenüber den Vergleichsmedien weniger kritischen Umgang mit den aktuellen Regierungsparteien auf, gehörten aber ansonsten nicht zu den Medien, die sich am stärksten positionierten. Allerdings berichteten sie im Schnitt auch nicht unbedingt vielfältiger und ausgewogener als die Vergleichsmedien, obwohl die Ansprüche an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Hinsicht durchaus höher sind.
(Marcus Maurer, Simon Kruschinski, Pablo Jost: Fehlt da was? Perspektivenvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten. 2024. S. 19 f.
https://www.polkom.ifp.uni-mainz.de/files/2024/01/pm_perspektivenvielfalt.pdf)
Hinweis der Redaktion III: (05.03.2024) Uwe Krüger hat um die Jahre 2013 bis 2015 eine deutliche Veränderung in Deutschland wahrgenommen. Medienkritik würde inzwischen leicht von rechten Verschwörungstheoretikern vereinnahmt oder mit ihnen in Verbindung gebracht.
Damals, zwischen 2013 und 2015, entstanden AfD und Pegida-Bewegung, die das Schlagwort „Lügenpresse“ verbreiteten. Diese Entwicklung leistete einer fatalen Polarisierung Vorschub: Während rechte Kreise das Feld der Medienkritik immer weiter besetzen konnten, bildeten viele Leitmedien eine Art Wagenburgmentalität aus und immunisierten sich gegen Kritik, indem sie sich als Verteidiger der freiheitlichen Ordnung gegen den rechten Mob inszenierten. […]
Eine grundlegende Kritik an der Funktionsweise von Massenmedien wurde zunehmend zwischen diesen Fronten zerrieben. Dabei ist eine solche Kritik aus emanzipatorischer Sicht heute notwendiger denn je, gerade auch um der Rechtsentwicklung entgegenzuwirken.
https://taz.de/Emanzipatorische-Medienkritik/!5993262/
Interessantes Gespräch mit einer Unterzeichnerin auf dem Kanal von Jasmin Kosubek
Annekatrin Mücke ist freie Journalistin beim RBB und kann auf über 25 Jahre Arbeit im öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiobetrieb zurückblicken. Sie unterzeichnete das Manifest meinungsvielfalt.jetzt und unterstützt das Vorhaben, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu reformieren.
📖Kapitel 00:00 Intro 01:05 Vorstellung der freiberuflichen Journalistin Annekatrin Mücke 07:48 Warum macht man bei der Aktion Meinungsvielfalt.jetzt mit? 10:44 Was läuft schief im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR)? 16:33 War die Arbeit im ÖRR jemals anders? 23:00 Was sagt der Deutsche Journalistenverband zum Manifest? 32:20 Viel Kritik und trotzdem soll der ÖRR reformierbar sein? 40:30 Was wäre ein angemessener Rundfunkbeitrag? 45:00 Das ÖRR-Programm auf dem freien Mark?