Über die Feinde der freien Meinungsäußerung und der Demokratie

Über die Feinde der freien Meinungsäußerung und der Demokratie

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Selbst Zuschreibungen, die zart besaitete Zeitgenossen entrüstet zum Kadi stürmen lassen, sind vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Trotz eindeutiger Rechtsprechung ist jedoch diversen Institutionen, Medienhäusern, Politikern, Wissenschaftlern und in irgendeiner Weise involvierten Einzelpersonen, die Meinungsfreiheit ein Dorn im Auge – insbesondere wenn sie nicht mit der eigenen Weltanschauung, Deutung oder Religion korrespondiert.

Angesichts der für das Fußvolk vermeintlich komfortablen Situation, sich zu äußern wie Herz und Verstand begehren und Schnäbel gewachsen sind, werden deutsche Leitmedien zusehends nervös, angesichts abweichender Meinungen. Natürlich stellt sich die Frage, ob und inwieweit traditionelle Medien in ihrer Bedeutsamkeit als Faktoren der öffentlichen Meinungsbildung beeinflusst oder gar eingeschränkt werden, wenn sich innerhalb der noch vorhandenen Partizipationsmöglichkeiten ideologisch „gefährliche“ Netzwerkbildung ereignet. Wenn die Deutungshoheit in Gefahr ist, muss gehandelt werden.

Nachdem die FAZ, als Vorreiterin der Unterdrückung freier Meinungsäußerung, bereits die Leserpartizipation in NSA-Manier durchleuchtete und bedauerliche Einzelschicksale als Vorwand dafür benutzte, die Kommentarfunktionen dicht zu machen, war die einfache Strategie gegen abweichende Meinungen klar.

„Die IP-Adressen, von denen die Kommentare abgesandt wurden, stammen zum größten Teil aus Deutschland. Und wenn man sich einige Kommentatoren genauer anschaut, so sind viele davon schon seit Jahren aktiv.“

Natürlich sind Kommentatoren, die dem heiligen Wort studierter Meinungsbildner unter dem trautem Dach eines glasklaren Tendenzschutzes wiedersprechen, Trolle, Sockenpuppen, bezahlte Propagandisten und Manipulatoren.

“Kommentare, die propagandistischer Natur sind, die versuchen, anderslautende Meinungen auszuschalten, werden von uns moderiert.” ZEIT

Auch im Tagesschaublog wird zensiert was das Zeug hält und es wurde schon laut darüber nachgedacht, den Kommentarbereich zu schließen bzw. einzuschränken.
Auffällig bei den zensierten Artikeln im Tagesschaublog ist, dass sich von Zensur betroffene Foristen seltener im Ton vergreifen, sondern lediglich ihre freie, aber abweichende, Meinung gegenüber dem jeweiligen Tenor des Beitrages vertreten. Teils vollkommen abwegige, aber mit dem jeweiligen Nachrichtenbeitrag konform gehende Meinungsäußerungen bleiben stehen – unmittelbare Entgegnungen oder Widerspruch werden oft zensiert.

Natürlich hat das Recht auf Meinungsfreiheit nichts mit einem Recht auf Meinungsveröffentlichung zu tun. Es gibt kein explizites Recht darauf, die eigene Meinung in Kommentarspalten oder Leserbriefrubriken veröffentlicht zu sehen. Meinungsfreiheit in der Demokratie bedeutet lediglich, dass man nicht in den Knast wandert oder anderweitige Schikanen erfährt, wenn man dieses Grundrecht ausübt.

Einigermaßen schizophren mutet es daher an, wenn in einem Land, in dem das für eine freiheitlich demokratische Zivilisation selbstverständliche Recht auf freie Meinungsäußerung (Pressefreiheit) einerseits gefeiert wird wie ein revolutionärer Akt, dieses Grundrecht aber wie ein Bollwerk gegen potentielle Kritiker aufgebaut wird. Medienkritiker, sofern sie nicht irgendwie auch an der eigenen Front tätig sind, werden in regelmäßigen Abständen in Diskussionsforen abgehandelt, schubladisiert und diffamiert.

Dass mit dieser Art der Diskreditierung des eigenen partizipationswilligen Publikums ganz klar medienpolitische Ziele verfolgt werden, dürfte den Betroffenen von Zensur inzwischen genauso klar sein, wie den Initiatoren der Schikanen. Die Entmenschlichung der Kommentatoren durch die diskreditierende Zuschreibung Troll geht einher mit der Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch die Verfechter der Pressefreiheit.
Der zutiefst undemokratische Vorgang, Kritikern durch diverse Etikettierung und sonstig wirren Zuschreibungen indirekt Denkverbote und die sprichwörtliche Schere im Kopf zu verpassen, ist wohl nur durch eine gewisse gestörte Inklusionserwartungen der Beteiligten zu erklären. Wenn sich Rezipienten in die Anonymität treiben lassen und abweichende Meinungen vor dem Diktat des Mainstream kapitulieren – dann ist jedenfalls das Ende der Meinungsfreiheit eingeläutet.

Eine der durchsichtigen Storys, die von etablierten Medien in regelmäßigen Abständen aus der Rumpelkammer der Banalitäten gekramt werden, sind die Geschichten von sogenannten Trollfabriken, in denen (schwarz) bezahlte Trolle im persönlichem Auftrag des Dämons Putin unterwegs sind, um die wahrheitsliebende Medienlandschaft in Deutschland zu zersetzen.

Die sicherlich unfreiwillige Komik der ganzen Storys liegt wohl in der Tatsache, dass die USA der Propagandamaschinerie Russlands angeblich nicht beikäme, wie der US-Außenminister kürzlich öffentlich beklagte. Den enormen Mitteln, die seit Jahren erfolglos für Gegenpropaganda aufgewendet wurden, stehen offenbar laut Recherchen deutscher Qualitätsmedien lediglich ein paar Hundertschaften schwarzarbeitender junger Leute gegenüber.

„This is just ridiculous.“

Laut USA Today wurden im Rahmen des „Pentagon Propaganda Programms“ des US Verteidigungsministerium Pentagon jährlich bis zu 580 Mio. US-Dollar an Medien (Zeitungen, Fernsehsender, YouTube-Propaganda-Videos z.B. von oppositionellen Gruppen in Krisengebieten), Blogs und sonstige wichtige Multiplikatoren im Ausland gezahlt. (USA Today v. 28. Mai 2013). Im Jahr 2012 seien rund 54 Mio. US-Dollar für Kriegspropaganda im Ausland ausgegeben worden.

USA Today: “Since 2005, the Pentagon has spent hundreds of million of dollars on Military Information Support Operations (MISO). These propaganda efforts include websites, leaflets and broadcasts intended to chance foreigners attitudes and behaviors to support US Government”.

Dabei halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass innerhalb der Onlinemedien bezahlte Mitarbeiter aller Herren Länder unterwegs sind, die auf die jeweils favorisierte oder auch die gegensätzliche Weltanschauung meinungsbildend einwirken.
Was mich lediglich am Diskurs stört ist die Doppelzüngigkeit in der Argumentation.

Als Gegenpart zu (schwarz) bezahlten russischen Internet-Claqueuren findet sich innerhalb der deutschsprachigen Bloggerszene offenbar eine idealistische Subbotnik-Bewegung.

Hier werden in guter alter Blockwartmentalität Journalisten, Foristen, Blogger und Kommentatoren angeschwärzt und aufgelistet, die sich kritisch gegenüber etablierten Medien äußern oder anderweitig durch freche Systemkritik auffallen. Es wird unterstellt, dass Kommentatoren bezahlte Nebentätigkeit ausüben oder gar für Geheimdienste anderer Länder tätig seien. In arg simplifizierenden Duktus und obskur verschwörungstheoretisch geprägtem Jargon wird unter eifriger Mithilfe der ansässigen Foristen Denunziation in Reinkultur betrieben und Nicknames als auch Klarnamen von vermeintlichen Putin-Trollen aufgelistet.

Zahlreiche „Aktivisten“ aus diesem Spektrum unterwandern Kommentarforen kritischer Webseiten mit der eindeutigen Absicht zu diskreditieren, zu stören und sowohl Seitenbetreiber als auch Foristen in ein Licht zu setzen, welches mit der Realität nichts zu tun hat.

Braune Soße

Darüber, ob diese Figuren aus reinem Patriotismus tätig werden, darf gerne spekuliert oder auch recherchiert werden.
Die unterstellten oder vermuteten Motive dafür, dass genau die selben Leute in ihrem Denunziationswahn unter fremden Klarnamen Kommentare ins Netz stellen, können sowohl mit deren eingeschränkten Möglichkeiten der Distribution eigener Inhalte, mit sehr viel Langeweile oder auch mit einer gewissen kriminellen Neigung zu tun haben.

Das hybride Wechselspiel zwischen dem Beharrungsvermögen auf die jeweils eigene Deutung weltpolitischer Wahrhaftigkeiten und der Innovationsfähigkeit virtueller Lenker und Lakaien wird einen Einfluss auf die künftige Kollektiv- und Gemeinschaftsorientierung der Internetgemeinde nehmen, die sich stark von einem wünschenswerten Zustand abgrenzen dürfte.

Auf der Strecke bleiben werden dabei demokratische Grundrechte.