Offener Brief an den DJV zum FIFA-FAKE

Offener Brief an den DJV zum FIFA-FAKE

Beitragsbild: Press24.net

Prof. Dr. Frank Überall
DJV Bundesvorsitzender
Charlottenstr. 17
10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Überall,

die Bild-„Zeitung“ titelte vor einigen Tagen „FIFA kuscht vor Putin“. Es ging um angebliche Zensur der Berichterstattung zum Confederations-Cup, welcher demnächst in Russland ausgetragen wird. Ich selbst bin weder Bild-Leser noch Fußballfan, sondern Mitglied des Vereins Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V., und möchte Ihnen deshalb meine Meinung bezüglich Ihrem Beitrag zu diesem Artikel mitteilen. Sie wurden in dem Artikel zitiert mit den Worten:

„Die FIFA lässt sich hier vor den Karren einer menschenrechtsfeindlichen Regierungspolitik spannen, indem sie Journalisten massiv in Ihrer Arbeit behindert. Man muss darüber nachdenken, ob man solche Turniere künftig noch in Ländern austragen kann, die die Pressefreiheit mit Füßen treten.“

Seltsam, dass bei ARD und ZDF als Rechteinhabern des Confed-Cup nichts von Einschränkungen der Pressefreiheit beim Confed-Cup bekannt ist. Ihnen, Herr Überall, ist vermutlich nicht aufgefallen, dass der Bild-Artikel die Realität völlig verdreht hatte. Von Zensur kann keine Rede sein. Der tatsächliche Vorgang war, dass Russland Journalisten ein vereinfachtes Visum-Verfahren anbot in Zusammenhang mit einem Standard-Formular der FIFA, welches auch bei vielen anderen Wettkämpfen in anderen Ländern zuvor verwendet wurde. In diesem Standard-Formular der FIFA ist die Formulierung enthalten, dass der Journalist seine Berichterstattung auf das Sportereignis beschränkt. Für Journalisten, welche mehr berichten wollen, steht natürlich das normale Arbeitsvisum für Journalisten zur Verfügung, allerdings mit dann eventuell längerer Bearbeitungsdauer.

Wieso lassen Sie sich eigentlich von der Bild für deren gezielte Falschberichterstattung instrumentalisieren? Sie sind derjenige, der sich „vor den Karren spannen“ lässt, nicht die FIFA. Vor den Karren einer allgemeinen antirussischen Propaganda. Sie als Vorstand des deutschen Journalistenverbandes disqualifizieren sich mit so etwas selbst. Oder verstehen sich Journalisten mittlerweile nur noch als Propagandawerkzeuge? Man hat den Eindruck, eine pauschal Russland-feindliche Geisteshaltung ist in deutschen Journalistenkreisen Grundvoraussetzung für Karriere. Deutsche Journalisten besinnen sich wohl auf die „Werte“ ihrer Väter und Großväter?

Bitte denken Sie immer daran, dass deutsche Journalisten mit ihrer feindseligen und herabsetzenden Propaganda über Jahre hinweg eine Stimmung erzeugen, in der ein kleiner Anlass oder Vorwand für den Beginn eines Krieges in Europa genügt. Mir ist bekannt, dass transatlantische Verbindungen einen Einfluss bei führenden Journalisten haben, z. B. der Verein Atlantikbrücke. Der dort propagierte Stil der amerikanischen Außenpolitik hat leider nichts zu tun mit der ehemals in Mitteleuropa erfolgreichen Politik des Wandels durch Annäherung, sondern mehr mit dem Wunsch nach Unilateralismus und Universalität der westlichen Werte. Russland und China stören dabei nur. Aber mittels egoistischer Verfolgung eigener Interessen und mittels Drohungen / Sanktionen wird kein nachhaltiger gesellschaftlicher Fortschritt erzeugt. Ein Fortschritt in Richtung einer friedlicheren und gerechteren Welt lässt sich nur mit gegenseitigem Respekt und Interessenausgleich erzielen.

Für den deutschen Journalismus in seiner gegenwärtigen Verfassung und ideologischen Ausrichtung habe ich als allgemein politisch interessierter Bürger im Zeitungsladen keinen Cent übrig.

Mit freundlichen Grüßen

Jens Köhler