ARD: Es drohen sowohl die Repräsentation als auch die Produktion von Kunst und Kultur Schaden zu nehmen
ARD: Es drohen sowohl die Repräsentation als auch die Produktion von Kunst und Kultur Schaden zu nehmen
Der Rundfunk macht derzeit seine größte Medientransformation durch, indem er vom linearen Senden auf Online umstellt. Das ist richtig und zeitgemäß. In diesem Prozess aber drohen sowohl die Repräsentation als auch die Produktion von Kunst und Kultur Schaden zu nehmen – und damit nicht zuletzt die Arbeitsgrundlagen für Autorinnen und Autoren.
Anlass für diesen offenen Brief sind der neue Medienstaatsvertrag und der bevorstehende Abschluss neuer Honorarregelungen für Hörspielautor:innen. Kunst und Kultur werden in den neuen Medienstaatsverträgen nicht mehr als Auftrag des Rundfunks definiert, sondern lediglich als ‘Angebote’. Die ARD nimmt damit Abschied vom Gedanken der Grundversorgung und wandelt sich schrittweise in einen quasi kommerziellen Anbieter um, der Einzelangebote auf den Markt bringt wie beispielsweise Audible oder Netflix. Damit aber verliert die künstlerische Produktion ihren Anspruch auf Schutz und Pflege, die sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Form des Kulturauftrags immer gehabt hat. Nur vor diesem Hintergrund der kulturellen Grundversorgung aber können die Klangkörper der Sendeanstalten, kann das Feature, die Lesung und insbesondere das Hörspiel als Genre existieren.
Die neuen, zwischen dem Verband der Bühnenverleger und ARD/DLF ausgehandelten Vergütungsregeln für Hörspielautor:innen sind weder zeitgemäß – weil sie aufs lineare Senden ausgerichtet sind – noch sozial gerecht – weil sie die Sparbemühungen der Sender auf den Rücken der Künstlerinnen und Künstler austragen. Die Art und Weise, wie die Sender durch Deckeln der Ersthonorarsätze, durch Veränderung von Übernahme- und Wiederholungssätzen zu ihren Gunsten und vor allem durch wirklichkeitsfern niedrige Online-Zuschläge die schöpferische Arbeit von Schreibenden ausbeuten, ist nicht hinnehmbar. Die Honorare sind ohnehin schon niedrig, bei den Übernahme- und Wiederholungshonoraren herrscht die reine Willkür. ….
Die öffentlich-rechtlichen Sender werden zunehmend ‘kulturvergessen’, indem sie dem Primat der Klick- und Downloadzahlen folgen und sich am vermeintlichen Mainstream orientieren. So entsteht die Echoblase der ewigen Krimis und Bestseller-Adaptionen. Auf der Strecke bleiben Kunst und Vertiefung.
Die Vorwürfe sind massiv: Von einem Schaden für Kunst und Kultur ist die Rede. Dass dem Genre Hörspiel die Auflösung droht und dem Autorenberuf die Entprofessionalisierung. Weiterhin, dass der öffentlich-rechtliche Hörfunk die Kultur nicht mehr als seinen Auftrag definiert, sondern nur noch als ein Angebot. Es ist die Rede von prekärer Bezahlung, dem Wegfall der Arbeitsgrundlage. Das alles gipfelt in dem Satz: „Die öffentlich-rechtlichen Sender werden zunehmend kulturvergessen.“
So steht es in einem Offenen Brief der Hans-Flesch-Gesellschaft und des Verbandes der Theaterautor:innen, adressiert an ARD und Deutschlandradio. …. Die Misere für die Autoren ist eine dreifache: Der Wegfall etlicher Sendeplätze – zuletzt hat der NDR eine von zwei Hörspiel-Ausstrahlungen am Wochenende gestrichen – hat zur Folge, dass weniger Stücke neu produziert und dann auch seltener wiederholt werden. Immer häufiger handelt es sich dabei um Bestseller-Adaptionen statt um original fürs Hörspiel entwickelte Stoffe. Und schließlich wird, was gesendet wird, in Summe schlechter bezahlt. Die ARD verweist auf Anfrage in einer Stellungnahme schlicht auf die geltenden Tarifverträge.
Zwar haben sich die Öffentlich-Rechtlichen mit dem Verband der Bühnenverleger mit Wirkung von Mitte 2019 darauf geeinigt, das Ersthonorar moderat anzuheben und einen zehnprozentigen Aufschlag zu bezahlen für die Online-Verwertung. Die Honorare für Wiederholungen und Übernahmen durch andere Sender wurden im selben Zug jedoch massiv gesenkt. Die ARD argumentiert, dadurch würden Anreize für zusätzliche Wiederholungen geschaffen. …
Die ARD errechnet den Online-Zuschlag laut eigener Aussage aus dem Verhältnis der Abrufzahlen im Netz zur Livenutzung von Radio, die demnach zehnmal höher ist. Nur liegt die Reichweite von Hörspielen im linearen Programm unter dem Durchschnitt der meisten Kulturwellen. In den Audiotheken sind das jedoch die am häufigsten abgerufenen Programme. ….
Die Öffentlich-Rechtlichen, aufgrund des Rundfunkbeitrags verschont vom freien Markt, rechnen ihren Autoren vor, wie häufig deren Sendungen gehört werden und begründen damit die Honorarsätze. Was angemessen ist, entscheiden nicht Wert und Relevanz einer künstlerischen Arbeit sowie der Aufwand, sondern die Einschaltquoten. ….
Als Audiotheken noch keine Rolle gespielt haben, sei es durchaus üblich gewesen, dass ein Hörspiel durch das Ersthonorar, das im mittleren vierstelligen Bereich liegt, sowie diverse Wiederholungen und Übernahmen um die 20 000 Euro eingebracht habe. Heute seien es oft nur noch 12 000 Euro. Kein Vergleich mit den Honoraren, die Drehbuchautoren beim Fernsehen verdienen: Hier liegt die Grundvergütung für einen 90-minütigen Spielfilm bei 65 000 Euro.
https://www.sueddeutsche.de/medien/protest-hoerspielautoren-ard-1.5327697