Wie Westverlage die ostdeutsche Regionalpresse übernahmen
Wie Westverlage die ostdeutsche Regionalpresse übernahmen
Das in Greifswald ansässige “Katapult”-Magazin hat auf einer Landkarte die Verbreitungsgebiete größerer ostdeutscher Regionalzeitungen und deren Eigentümer eingetragen. Bis auf eine Ausnahme befänden sich alle im Besitz westdeutscher Verlage. Der Grund sei historisch bedingt: die Privatisierungswelle der Nach-Wende-Zeit Anfang der 90er-Jahre.
https://bildblog.de/129784/politik-auf-social-media-westverlage-im-osten-suesses-geliergeheimnis/
Mit nur einer Ausnahme befinden sich alle größeren ostdeutschen Regionalzeitungen im Besitz von westdeutschen Verlagen. Diese übernahmen nach der Wende die einstigen SED-Blätter mit fest abgesteckten regionalen Monopolen. Konkurrenz und Pressevielfalt? Fehlanzeige.
Als die DDR-Zeitungen Anfang der 90er privatisiert wurden, kam es mutmaßlich zu Unregelmäßigkeiten, an denen auch das Kanzleramt unter Helmut Kohl beteiligt war. Die Freie Presse aus Chemnitz etwa hatte kurz nach der Wende eine Auflage von mehr als 600.000 Exemplaren und war somit die größte Regionalzeitung der ehemaligen DDR – so viele Ausgaben verkaufen Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche und Taz heute nicht mal mehr zusammen. Klar, dass viele an einem Blatt dieser Größe interessiert waren. Ohne Ausschreibung wurde die Freie Presse an einen CDU-nahen Verlag in Kohls Heimatstadt Ludwigshafen verkauft. Der Spiegel berichtete damals über konkrete Hinweise darauf, dass sich das Kanzleramt beim Chef der Treuhand für den Verkauf der Zeitung an einen Weggefährten Kohls eingesetzte hatte. …. Die Medienwissenschaftlerin Mandy Tröger sieht in der Art, wie die Westverlage in der ehemaligen DDR vorgingen und wie die alternativen Medien niedergewalzt wurden, auch einen von vielen Gründen dafür, warum die politischen Verhältnisse im Osten heute so sind, wie sie sind: “Die Wendeerfahrung ist auch eine Erfahrung der Desillusion, besonders der Bewegung von unten, die auf so vielen Ebenen kaputt gemacht wurde. Es zählten vor allem politische und wirtschaftliche Interessen des Westens.”
https://katapult-magazin.de/de/artikel/wie-westverlage-die-ostdeutsche-regionalpresse-uebernahmen
Mandy Tröger: „Medienrealität ist konstruiert, egal in welchem System“
Unsere Autorin hat Mediensysteme erlebt, die unterschiedlicher nicht sein könnten: in der DDR und den USA. Als Forscherin sieht sie überraschende Parallelen.
Als Kind im Ost-Berlin der 1980er-Jahre wuchs ich mit zwei Medienrealitäten auf – dem Ost- und dem Westfernsehen. Im Ostfernsehen gab es das „Sandmännchen“, die „Flimmerstunde“ und den Jugendsport, im Westfernsehen „Alf“, den „Denver Clan“, und vor allem gab es Reklame. Ich war lange überzeugt, Barbies bewegen sich von allein. Das taten sie ja in der Werbung, und die war Medienrealität ohne Realitätsabgleich.
Der Abgleich kam nach dem Fall der Mauer: Barbies waren nur dünne Puppen und ziemlich langweilig dazu. Natürlich könnte man Ähnliches über die Nachrichten sagen. Aber ich war Kind, Nachrichten interessierten mich (noch) nicht. (Paid)