Im öffentlichen Auftrag – Part II
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Viel Kohle für nichts
Das Sommerloch bietet nicht nur den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten hervorragende Möglichkeiten dafür, Wiederholungen von Produktionen in der Primetime zu platzieren, die bereits bei der Erstausstrahlung nicht so der ultimative Kracher waren – das Sommerloch bietet auch für uns die Chance brisante Themen zu reanimieren, über die sich bereits sachte und gnädig der Schleier der Vergessenheit gelegt hatte.
Wir erinnern uns:
Die ARD hatte einst mit Supermoderator Thomas Gottschalk für 144 Ausgaben der Vorabendshow „Gottschalk Live“ ein Honorar von insgesamt 4,6 Mio – pro Sendung ca. 32.000 Euro – vereinbart. Produktionskosten wurden mit etwa 7,4 Mio Euro beziffert. Für den Fall einer etwaigen vorzeitigen Absetzung von „Gottschalk Live“ sollte der Moderator das volle Honorar von 4,6 Mio Euro erhalten. Thomas Gottschalk absolvierte 70 Ausgaben der Vorabendshow, die schlussendlich im Juni 2012 auf Grund massiven Publikumsschwundes vorzeitig eingestellt wurde.
Der Rundfunkrat des WDR befasste sich zuständigerweise und in Folge massiver öffentlicher und medialer Kritik mit dem Vorgang, für den der Sender über seine Werbetochter WDR mediagroup federführend zuständig war.
Die AG DOK forderte in einem offenen Brief die Offenlegung der skandalösen Vorgänge.
Die WDR mediagroup GmbH ist eine hundertprozentige Tochterfirma des WDR. Ihre Hauptgeschäftsfelder sind die Vermarktung und Verwertung von WDR-Hörfunk- und Fernsehprogrammen auf diversen Verbreitungswegen. Einen Schwerpunkt bildet u. a. die
Werbezeitenvermarktung für die WDR-Hörfunkwellen und die Regionalwerbung für NRW im ARD-Vorabendprogramm. Aufgabe des Aufsichtsrats ist die Kontrolle der Geschäftsführung unter dem Vorsitz des stellvertretenden Rundfunkratsvorsitzenden
Friedhelm Wixforth. Die Vorsitzende des Rundfunkrats Ruth Hieronymi ist qua Amt Mitglied des Aufsichtsrates.
Die Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates Ruth Hieronymi gab im Interview vom 30.05.2015 im Gespräch mit WDR5 an, dass der Vertrag mit der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment zwischen Werbetochter WDR Mediagroup über die Produktion der Sendung „Gottschalk Live“ dem Aufsichtsgremium des WDR seinerzeit nicht vorgelegt wurde. Das sei jedoch kein Skandal, sondern entspräche klaren Abgrenzung der Zuständigkeiten. Der Rundfunkrat müsse werbefinanzierten Produktionen wie die Gottschalk-Show nicht zustimmen. Dennoch habe sich Ruth Hieronymi, bereits 2012 für eine Vereinbarung zur besseren Einsicht in solche Verträge stark gemacht.
„Der WDR-Rundfunkrat hatte sich in seiner Sitzung am 19. Juni 2015 dafür ausgesprochen, dass die Rundfunkräte und Verwaltungsräte der ARD künftig mehr Mitsprache auch bei werbefinanzierten Produktionsverträgen erhalten sollen. Diese werden durch die Degeto bzw. die Werbetöchter der Landesrundfunkanstalten (LRA) abgeschlossen. Im Nachgang des Vertrags zu Gottschalk live war bereits 2012 erreicht worden, dass die Gremien über werbefinanzierte Verträge informiert werden, wenn sie die Aufgreifschwelle von fünf Mio. Euro überschreiten. Zur nun anstehenden Evaluierung des Verfahrens auf Ebene der Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD (ARD-GVK) hatten der Vorstand sowie der Haushalts- und Finanzausschuss des WDR-Rundfunkrats empfohlen, die Gremien bei Produktionsverträgen der Werbetöchter genauso zu beteiligen, wie es bei beitragsfinanzierten Produktionsverträgen der Landesrundfunkanstalten selbst vorgeschrieben ist.“
Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Malu Dreyer (SPD), hatte angesichts des Debakels um die Millionenzahlungen mehr Kontrolle gefordert. „Natürlich machen solche Verträge und die Höhe der Honorare ohne Gegenleistung wie im Fall von Thomas Gottschalk mehr als nachdenklich“, sagte die SPD-Politikerin dem Magazin Cicero.
„Daher meine Forderung: Die Rundfunkanstalten müssen die Kontrolle durch die Gremien auch auf die Beteiligungsunternehmen ausdehnen.“
Schlussendlich stellte NRW-Medienministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) klar, dass die Landesregierung nicht der Auffassung sei, dass Aufsichtsgremien ihrer Aufgabe ausreichend nachkommen könnten, solange ihnen Verträge von Tochterunternehmen der Sendeanstalten nicht vorgelegt würden.
Nochmal zum mitmeißeln: Die Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates fordert eine stärkere Beteiligung der ARD-Gremien an Verträgen über werbefinanzierte Produktionen und zwei wichtige Medien-Politikerinnen drängen darauf, die Tochterunternehmen stärker zu kontrollieren.
Nur – wer kontrolliert bislang die Tochterunternehmen? Die im aktuellem Fall verantwortliche Werbetochter des Senders, die WDR-mediagroup, ist eine GmbH und diese Art Unternehmen werden bekanntermaßen von Aussichtsräten kontrolliert.
Der Aufsichtsrat der WDR mediagroup GmbH der die Aktivitäten des Unternehmens gewissenhaft überwacht und die Geschäftsleitung sachkundig berät, bestand bereits im Jahr 2013 aus dem folgenden Personenkreis:
Im Jahr 2014 setzte sich der Aufsichtsrat der WDR-mediagroup wie folgt zusammen: siehe letzte Seite.
Es ist davon auszugehen, dass zur gewissenhaften Überwachung und sachkundigen Beratung der Geschäftsleitung durch den Aufsichtsrat auch die Sichtung und Kontrolle brisanter Verträge gehört bzw. die Kenntniss diverser Vorgänge durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Wenn also zum Teil die gleichen Personen im Aussichtsrat der mediagroup sitzen, die auch Kontrollfunktionen innerhalb der Mutterorganisation WDR ausüben, sollte doch zumindest der Hauch einer Ahnung über Inhalt und Dimension diverser wichtiger Verträge zu vermuten sein.
Im Klartext: Die Forderung, die Kontrolle durch die Gremien (WDR-Rundfunkrat) auch auf die Beteiligungsunternehmen auszudehnen, bedeutet: hohe Multi-Funktionäre, Ex-Berufs-PolitikerInnen und Honoratioren im Haupt-und Nebenberuf „Rundfunk-, Verwaltungs- und Aufsichtsrat“ kontrollieren sich selbst – allerdings ohne nennenswerte Refexion oder gar Transparenz zu generieren.
Da offenbar weder Frau Schwall-Düren noch Frau Dreyer über die durchaus vorhandenen komfortablen Kontrollmöglichkeiten der Mutter über die Tochter im Bilde sind, werden wir sie zeitnah darüber unterrichten.