Das Artefakt Glaubwürdigkeit: Was Umfragen zur Medienbewertung wirklich messen

„Qualität ist messbar, auch im Journalismus – allerdings nicht über Umfragen, in denen es um Glaubwürdigkeit geht. Die Aufregung um solche Studien ist in letzter Zeit groß. „Glaubwürdigkeit der Informationsangebote deutscher Medien deutlich gestiegen“, meldete der WDR Anfang März. 65 Prozent – und damit acht Punkte mehr als 2016 und sogar dreizehn mehr als 2015. …. Was solche Studien messen, ist allerdings ein Artefakt. Ein Kunstprodukt, nach Deutschland gebracht von den US-Amerikanern, die nach 1945 die neue Ordnung legitimieren müssen (Demokratisierung, Re-Education) und dabei Konzepte wie Vertrauen und Glaubwürdigkeit nutzen, die dafür überhaupt nicht geeignet sind. Wer die Menschen fragt, ob sie den Medien glauben oder ihnen gar vertrauen, bekommt das, was er verdient: eine Antwort, die allenfalls die Zufriedenheit mit dem gesellschaftlichen System insgesamt ausdrückt und im Zweifel vor allem denen hilft, die die Studie bezahlen. Glaubwürdigkeit ist keine Eigenschaft von Journalisten, Sendungen oder Medieneinrichtungen, sondern Ergebnis einer Zuschreibung (vgl. Meyen 2004: 234-240). Wir, die Nutzer, lesen einen Text und schätzen dabei ein, was wir davon halten. Wie alle Bewertungen schwankt dieses Urteil: Es hängt vom Kontext ab und von den Kriterien. …“

„Eigentlich waren die Studien zu Vertrauen und Glaubwürdigkeit, zu Wahrheitstreue und Objektivität Mitte der 1990er Jahre tot – kein Wunder nach den desaströsen Ergebnissen (Tabellen 3, 4, vgl. Meyen 2004: 238). 1995 sagte nur noch jeder Fünfte, dass die Medien die Dinge so wiedergeben, „wie sie wirklich sind“. Das ist lange vor Facebook, Fake News und Lückenpresse.

ARD und ZDF haben den Fragebogen damals stillschweigend geändert und in ihrer Langzeitstudie fortan die relative Glaubwürdigkeit auf Gattungsebene untersucht (Fernsehen, Radio, Zeitung, Zeitschrift, Internet). Auf Nummer sicher gehen, sozusagen….“