„Die Medienaufsicht ist ein zahnloser Tiger“
„Die Medienaufsicht ist ein zahnloser Tiger“
Zwei für die Reality-TV-Show „Plötzlich arm, plötzlich reich“ gecastete Kinder sind offenbar Opfer sexuellen Missbrauchs. Der Sender Sat.1 und die Produktionsfirma sollen davon gewusst haben. Medienwissenschaftler Bernd Gäbler wundert das nicht. …
Sowohl der Sender als auch die Produktionsfirma Imago TV seien offenbar über die Situation der Familie im Bilde gewesen, sagt der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler, der 2020 seine Studie „Armutszeugnis. Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt“ veröffentlichte.
Gäbler wirft darin einen kritischen Blick vor allem auf Reality-Formate und sagt: „Ziel ist in der Regel, Menschen, die ganz unten in der Gesellschaft sind, darzustellen und auch vorzuführen. Die Kameras führen uns dabei an die Abgründe menschlicher Existenz oft sehr kranker, alkoholsüchtiger Leute.“
Diesen Menschen mangele es häufig an der geistigen Fähigkeit zu durchschauen, dass sie vorgeführt und benutzt würden, um den Voyeurismus anderer zu befriedigen, kritisiert Gäbler. …
Er beschreibt das Prozedere hinter der Produktion: Der Sender gebe die Verantwortung nach unten, an die Produktionsfirma, weiter – entsprechende Verträge sicherten ihn ab. Die Produktionsfirma versichere mit ihrer Vertragsunterschrift ihrerseits, dass sie sauber recherchiert habe. Die Protagonisten wiederum, die für ihr Mitwirken bezahlt werden, würden gegenüber der Produktionsfirma zur Verschwiegenheit verpflichtet. Eine wirksame Kontrolle, ob hinter den Kulissen wirklich alles mit rechten Dingen zugehe, gebe es kaum.
Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt
OBS-Arbeitspapier 40, Erschienen am 07. April 2020