Phoenix: Gegen die Vollverblödung – nicht einmal 10 Cent vom Rundfunkbeitrag
Immer atemloser und hasserfüllter wird Politik bewertet. Aber bei Phoenix bleiben sie auch mal elf Stunden auf Sendung, um Demokratie zu erklären. Nur, wie lange noch? Über den wahren Wert von ein paar Cent Rundfunkgebühr. […]
Wenn Muster sichtbar werden, ist das fürs Publikum ein Erkenntnisgewinn. So was funktioniert aber nur, wenn Sender und Empfänger durchhaltebereit sind. Phoenix, der Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF, bleibt bei Parlamentsdebatten stundenlang drauf, als Zuschauer findet man dann manchmal nachmittags etwas wieder, was man schon vormittags entdeckt hat, der Parlamentsfunk erinnert an die Dauersendungen von Olympischen Spielen. Man macht das Publikum mit etwas vertraut, allein durch die permanente Anwesenheit von Kameras und Kommentatoren. Keine Ansicht ohne Einordnung. […]
Aber solange es noch nicht so weit ist, reden sie bei Phoenix in aller Ruhe erst mal weiter, steigen in die Tiefe der Themen ein, schlagen Schneisen in wild wuchernde Schlagwortwälder: Heizhammer, Teuer-Schock, Steuerknall. Das kostet natürlich Rundfunkgebühren, aber nicht mal zehn Cent. Keine sehr hohe Versicherungssumme für den Schutz gegen gesamtgesellschaftliche Vollverblödung. […]
Das Programm voller Einordnungen von Zeitzeugen, aber ohne Alarmismus kam beim Publikum gut an, Spitzenreichweite von fast zehn Prozent. Auch bei der Abstimmung über das Schuldenprogramm im März hatte Phoenix bis zu 7,7 Prozent. […]
Phoenix, das Gemeinschaftsprojekt von ARD und ZDF, ist ein Informationskanal ohne Shows, ohne Werbung. Der Großreporter Fritz Pleitgen hatte als USA-Korrespondent den Dokumentations-Sender C-Span schätzen gelernt, als WDR-Instanz wollte er so was in Deutschland auch haben. […]
Bei Phoenix verlassen sie sich auf die Expertise von Universitäts-Politologinnen statt auf das Gedröhne von Krawallbuchautorinnen, die im Ersten bei Sandra Maischberger gern eingeladen werden, weil die Netzgemeinde sie entweder feiert oder verachtet. Wenn beide zuschauen, Feiernde und Verachtende, ist Quote garantiert. […]
Die Öffentlich-Rechtlichen müssen sparen, im Bereich „Information“ sollen von den vier Sendern Phoenix, Tagesschau24, ARD-Alpha und ZDF Info nur zwei linear überleben, das haben die Landesregierungen im Reformstaatsvertrag vereinbart. Phoenix ist stark bei Parteitagen, in der Berichterstattung aus den Parlamenten, in Gesprächen. Wenn Geschichte geschrieben und darüber geredet wird. Aber es wird halt nicht permanent Geschichte geschrieben. […]
Phoenix nimmt sich Zeit. Nur: Wenn aktuell was passiert, wenn mal wieder irgendwo eine U-Bahn-Strecke ausgebaut wird und sich dabei ein Stadtarchiv ins Erdinnere verabschiedet, sind andere Infosender schneller. Noch sind keine Entscheidungen gefallen, ob hier was zusammengelegt oder dort als Stream weitergeführt wird. Aber die Durchhalter von Phoenix haben die Sorge, nicht übrig zu bleiben oder im Netz verbuddelt zu werden.
„Es ist halt so: Wir kriegen keine Signale, dass wir erhalten bleiben. Wir bekommen aber auch nicht Signale: Ihr seid sowieso weg.“ […]
Täuschen die Spardebatten nicht eigentlich darüber hinweg, dass es um viel Größeres geht? Hass und Fake im Netz, kalkulierte Flüsterpropaganda, Denunziation, neuerdings KI-Dreck. Roquebert sagt: „In dieser Situation soll ein Sender abgeschafft werden, der den Zuschauern die Möglichkeit gibt, ungefiltert zu sehen, wie die Parlamentsdebatten laufen. Ohne dass da jemand was rauskürzt oder nur den Teil zeigt, der am aufregendsten ist.“ […]
134 000 Menschen haben die Petition inzwischen unterschrieben, Roquebert und die anderen waren damit zuletzt bei der Bundestags- und Bundesratspräsidentin, ein Besuch bei den Intendanten von ARD und ZDF ist das nächste Ziel. […]
Aber wenn es Phoenix nicht mehr gibt, ist auch die Bonner Republik endgültig gestorben. Und nur Menschen, die nicht das ganze Bild im Blick haben, würden sagen, dass da nichts verloren geht.