Staatsfern? Staatsfunk?

09.12.2021

Staatsfern? Staatsfunk?

Vom Star-Journalisten zum Regierungssprecher mit Rückkehroption. Warum die Karrieren von Steffen Seibert, Ulrich Wilhelm und anderen stärker hinterfragt werden sollten … Hauptstadtjournalist Steven Geyer vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) publizierte gerade einen Artikel, wie derzeit viele zum Regierungswechsel gibt: Der Langzeit-Rekord, den Merkel nicht ganz schaffte – Helmut Kohl war einige Tage länger Kanzler–, gelang ihrem Sprecher, Steffen Seibert.

Ein paar lapidare Worte über berufliche Aussichten für den 61-Jährigen. Aber: Kein Wort darüber, dass Steffen Seibert ein allgemeines Rückkehrrecht zum ZDF hat, worauf jüngst der Branchendienst quotenmeter hingewiesen hatte.

Dabei sollte ein Strukturproblem zwischen Journalismus und PR gerade in Deutschland wieder viel mehr in den Blickpunkt geraten können: Inwiefern ist Journalismus hierzulande unabhängig von Interessen Dritter? Und insbesondere: Wie nah stehen sich, strukturell und persönlich, öffentlich-rechtliche Anstalten und Exekutive? Inwiefern gilt die Norm der größtmöglichen „Staatsferne“ jener Medien? … Ein anderer Aspekt dieser Unabhängigkeits-Debatten: Wer wechselt zwischen Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit die Seiten? Und womöglich zurück? …

Weiter habe das ZDF mitgeteilt, dass es beim Sender „keine entsprechenden Planungen“ für eine Rückkehr Seiberts gebe. Dass aber solch ein allgemeines Rückkehrrecht für einen „beamteten Staatssekretär“ als Problem etwaiger struktureller und personaler Parallelen zwischen Regierung und ZDF kritisiert werden sollte, scheint hierzulande öffentlich kaum zu interessieren. …

Aber was, wenn Rekord-Regierungssprecher Seibert künftig beim ZDF eine Leitungsfunktion übernehmen würde, gar als Intendant? So etwas wäre undenkbar? Keineswegs, wie das Beispiel von Ulrich Wilhelm zeigt, dem direkten Vorgänger von Steffen Seibert im Amt des Regierungssprechers von 2005 bis 2010. … 2010 dann, es wird spannend, bewarb sich Ulrich Wilhelm um den Posten des Intendanten des Bayerischen Rundfunks. Am 6. Mai 2010, noch im Amt des Regierungssprechers, wählte ihn der BR-Rundfunkrat mit 40 von 44 Stimmen für die Dauer von fünf Jahren zum Chef der viertgrößten ARD-Anstalt.

Seine Regierungsämter legte Wilhelm Ende Juli 2010 nieder und trat das Amt als Intendant ein halbes Jahr später an.

https://www.heise.de/tp/features/Staatsfern-Staatsfunk-6289175.html