Was Bundeskanzler Olaf Scholz für guten Journalismus hält

Hoher Besuch bei der Jahrestagung des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin: Zur Feier des 70-jährigen Bestehens des Verbands übernahm Bundeskanzler Olaf Scholz die Hauptrede. Darin warnte er vor dem Eindruck mangelnder Distanz der Medien zu den Mächtigen und mahnte zur Wachsamkeit bei der Nutzung von KI. Was die Verleger von Scholz erwarten.

Nachdenkliche Worte zur professionellen Rolle der Medien in der Gesellschaft: „Die Wahrnehmung, Politik und Medien seien ein und dieselbe Sauce – so fernliegend Ihnen und mir das auch erscheinen mag, die muss uns schon zu denken geben“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei der BDZV-Tagung in Berlin vor 250 geladenen Gästen aus Wirtschaft, Politik und Medien. „Denn für die Glaubwürdigkeit von Medien ist kritische Distanz entscheidend.“ Vor dieser kritischen Distanz habe Scholz daher großen Respekt. […]

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz mache die journalistische Einordnung notwendiger denn je. „Ich würde sogar sagen: Nie waren freie Medien und guter Journalismus so wichtig“, bilanzierte Scholz. Damit KI tatsächlich dem Qualitätsjournalismus und der Pressefreiheit diene, müsse außerdem klar sein, dass die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten weiter als solche geschützt und erkennbar bleibe. „Die unlängst verabschiedete europäische KI-Verordnung versucht den Spagat zwischen KI-Offenheit und dem Schutz kreativen menschlichen Schaffens.“

Besondere Aufmerksamkeit lenkte er zudem auf den Wert des Lokaljournalismus. „Lokale Medien sind das Rückgrat unserer Medienlandschaft“, sagte Olaf Scholz. „In vielen Regionen sind sie sogar die einzige unabhängige Quelle für lokale Nachrichten. Und diese lokalen Nachrichten bewegen die Bürgerinnen und Bürger oft mindestens genauso stark wie die große Politik.“ Vor diesem Hintergrund sei er fest davon überzeugt, dass „lokale News ein Geschäftsmodell bleiben“.

https://meedia.de/news/beitrag/17642-was-bundeskanzler-olaf-scholz-fuer-guten-journalismus-haelt.html

Zu Fragen, die für die freie Presse überlebenswichtig sind, fallen ihm politische Maßnahmen allerdings nicht ein. […]

Nur ansatzweise gefragt wurde Scholz freilich, was die Bundesregierung dafür tut, dass es die unabhängige Presse auch weiterhin gibt. Die Antwort gab nach ihm der Kartellexperte Thomas Höppner: die Regierung tut als Gesetzgeber nichts, um die Macht der Digitalkonzerne einzuschränken. Die für Medienpolitik zuständigen Länder haben zuwenig Macht, Google und Co. interessieren sich nicht dafür, was die zuständigen Behörden – die Landesmedienanstalten – meinen; das Bundeskartellamt ist ein Totalausfall.

Mit dem Siegeszug der KI – gefüttert und trainiert mit den Inhalten von Urhebern und Verlagen, die nichts bekommen – wachse die Dominanz der fünf führenden Digitalkonzerne weiter, deren Umsätze stiegen unaufhörlich, Werbeeinnahmen und Zugriffe auf die Angebote der Verlage sänken (bis 2026 um weitere 26 Prozent), weil sich Nutzer auf die Antworten der KI verlassen und schließlich gerate die Demokratie aus den Fugen, weil – der unabhängige Journalismus als Pfeiler der Meinungsbildung ausfällt. […]

Das Verfahren, an dessen Ende der Europäische Gerichtshof gerade eine von der EU-Kommission 2017 verhängte Strafe von 2,4 Milliarden Euro für Google bestätigt hat, haben nämlich die Verleger in die Wege geleitet – vor 15 Jahren.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/bundeskanzler-olaf-scholz-beim-bdzv-kongress-19979931.html