Wie kann es sein, dass Claas Relotius 2018 zum vierten Mal mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet wurde?

Wie kann es sein, dass Claas Relotius 2018 zum vierten Mal mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet wurde? Ein Erklärungsversuch

Als wir vom Reporter-Forum den Preis vor 10 Jahren begründeten, wollten wir aus den Fehlern anderer Preise lernen. Wir legten Wert darauf, dass die Jurysitzungen öffentlich sind, dass die Kategorien regelmäßig wechseln, genau wie die Jurorinnen und Juroren, die auch aus anderen Branchen kommen; dass es ein aufrichtiger, transparenter Preis ist, durchlässig für die Strömungen seiner Zeit. …

Dieser letzten Jury gehörten 10 Journalistinnen und Journalisten und ein TV-Produzent an, 8 Frauen und 3 Männer. Unter anderem lag ihnen ein Reader vor mit 15 nominierten „Besten Reportagen“. Darin: zwei Texte von Claas Relotius. Einer davon hieß: „Ein Kinderspiel“ und erzählte die Geschichte des Syrienkrieges aus der Sicht eines der „Graffiti-Boys“ nach. Nach zweistündiger Debatte setzte sich dieses Stück knapp gegen eine Reportage von „stern“-Autor Jan-Christoph Wiechmann durch.

All das: die knappe Entscheidung, die offene Konstruktion der Jury, genau wie der Wunsch, sich nicht hastig mit offensichtlichen Plattitüden zu rechtfertigen und aus der Verantwortung zu stehlen – sind die Gründe dafür, dass sich die Jury sich bislang nicht öffentlich geäußert, sondern nur intern diskutiert hat. Hier kommen, gegliedert nach fünf Fragen, die Argumente der Jurorinnen und Juroren.

http://www.reporter-forum.de/fileadmin/pdf/Reporterpreis_2018/2018_Urteil_der_Jury.pdf

„Wir sind erschüttert, wir sind enttäuscht, wir sind wütend und, ja, wir schämen uns, dass wir diesem Betrüger auf den Leim gegangen sind“, teilt die Jury des Reporterpreises mit. Zu ihr zählten Cigdem Akyol, Nikolaus Brender, Rainer Hank, Tina Hildebrandt, Friedrich Küppersbusch, Ines Pohl, Doreen Reinhard, Evelyn Roll, Regine Sylvester und Diana Zinkler, als Moderator fungierte Ariel Hauptmeier. Die Erklärung der Juroren für ihr Fehlurteil: Die Reportage sei „packend“ gewesen“, sagt Cigdem Akyol, Details schienen richtig, „eine wichtige Geschichte, sehr gut erzählt“. Sie sei davon ausgegangen, „dass komplett erfundene Geschichten“ es nicht in den „Spiegel“ schafften. Der Großteil der Jury, erinnert sich der frühere ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, sei „von der stilistischen Brillanz des Autors beeindruckt“ gewesen. Als „preiswürdig“ sei, so Rainer Hank, langjähriger Leiter der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, „die Art“ erschienen, „wie genial“ Relotius erzählt habe. Die „Relevanz des Themas und die dichte Erzählweise“ hätten überzeugt, sagt Ines Pohl, Chefredakteurin der Deutschen Welle.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/preis-jury-ueber-relotius-erschuettert-und-wuetend-16010915.html