Ostukraine: Angst vor Großoffensive des Kiewer Regimes gegen Zivilbevölkerung

Bildquelle: https://blog.fdik.org/2017-02/s1486321410.html
Bei Donezk und Mariupol wurden in der vergangenen Woche zum ersten Mal seit Monaten wieder Raketenwerfer eingesetzt. Die Beobachter der OSZE-Mission in der Ostukraine registrierten an einem Sonntag 2260 Verstöße gegen den Waffenstillstand. Mitunter standen sie auch direkt neben den Verstößen, wie unser Beitragsbild zeigt. Das Pubikum erlebt in der nächsten Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Wiederauflage von Medienberichten zum Konflikt, die stark an jene erinnert, welche 2014 den Beginn einer Zuschauerrevolte und den massiven Einbruch des Vertrauens in die hiesige Medienlandschaft zur Folge hatte.
Drei Mitstreiter der Publikumskonferenz haben sich Gedanken zum Thema gemacht und weisen auf einige Fakten hin, die vom Flaggschiff der deutschen Nachrichtengebung gekonnt ausgespart werden.
Programmbeschwerde: Manipulierte Nachrichten über die Ukraine
Wetten nehmen Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer nicht mehr an: Wenn ARD-aktuell über den geopolitischen Krisenherd Ukraine berichtet, dann manipulativ und mit Schlagseite. Allerdings schön verpackt in scheinneutralen Sätzen wie diesen:
„[…] Die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien waren am vergangenen Wochenende wieder aufgeflammt.“
„ […] schwersten Kämpfe seit mehr als einem Jahr, berichtet die OSZE […] Panzer, Haubitzen, Mörser, schwere Waffen, die laut Minsker Abkommen nahe der Front verboten sind, würden wieder aufgefahren, sagt die OSZE, auf beiden Seiten. […] Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig. […]“
Das Kritikwürdige daran: Die Informationen sind von ihren politischen und faktischen Kontexten „gereinigt“. Auch die hier zitierten Aussagen sind bestenfalls halbwahr, denn einen zeitgleichen „Ausbruch“ von Kämpfen gibt es nicht: Eine der beiden Seiten hat damit angefangen. Zum realitätsgerechten Verständnis der Vorgänge wäre es also notwendig, diese und andere Fragen zu klären und eine grundlegende, präzise Information über das erwähnte Minsker Abkommen anzubieten: Was ist vereinbart? Wer kommt welchen Bestimmungen nicht nach? Wer sabotiert?
Das jedoch unterlässt die Redaktion ARD-aktuell, ganz abgesehen davon, dass sie sich offenbar nicht einmal selbst die klassische Frage stellt, die immer zu stellen ist: „Cui bono?“ Wem nützt der Grenzkrieg, wer hat ein Interesse daran?
Kein Interesse kann Moskau daran haben, denn die Kämpfe stören die neuerdings wieder denkbare Annäherung der USA an Russland erheblich. Umgekehrt gibt es aber ein starkes Interesse der NATO, sie nutzt die Kämpfe, um ihre Expansionspolitik Richtung russische Grenzen zu „legitimieren“. Interesse am Kampfgetümmel haben ferner die obama-clintonistische Bellizistenfraktion in den USA und die antirussischen Trump-Widersacher in dessen eigenem Lager. Deren Frontmann, Senator McCain, hielt sich gerade in der Ukraine auf und verlangte, sogar die nazistischen Freikorps an der Frontlinie zum Donbass mit schweren Waffen zu beliefern.
Die Kämpfe liegen auch im Interesse des Kiewer Putschregimes Poroschenko. Die Ukraine ist praktisch bankrott und abhängig von milliardenschweren Zahlungen, die von den USA, der NATO, der EU und von Berlin erbettelt werden. Zu diesem Zweck hielt sich der korrupte Poroschenko gerade in Berlin auf, als es „zufällig“ im Donbass wieder losging.
Der Kiewer (!) Politologe M. Pogrebinski schrieb, Poroschenko wolle mit einem Angriff Russland zu einer harten Antwort provozieren, er sehe sich von Trumps Entspannungskurs selbst ins Abseits gedrängt.
Originalquelle (kyrillsch): Quelle: http://ukraina.ru/exclusive/20170131/1018227751.html
Weitere Hinweise darauf, dass die ukrainische Armee und nazistische Freischärler mit den Kampfhandlungen begannen und dass das von langer Hand vorbereitet worden war.
ARD-aktuell ging absichtlich nicht der naheliegenden Frage nach, welche Erkenntnisse die OSZE über die jüngste Verletzung des Minsker Abkommens hat. Die OSZE überwacht die „Frontlinie“ mit Beobachtern am Boden sowie mittels Drohnen und Satelliten, verfügt demnach über sekundengenaue Kenntnisse, wer wann womit das Feuer eröffnet hat. ARD-aktuell nahm ebensowenig wahr, dass die Rolle der unter starkem Einfluss der „Wertegemeinschaft“ WWG stehenden OSZE selbst problematisch ist und verschwieg, dass deren Beobachtergruppe in Donezk am 2. Februar fluchtartig mit Hab und Gut und ohne Mitteilung an die Offiziellen das Zentrum verlassen hatte – und dass dieses Zentrum kurz danach von der ukrainischen Artillerie u.a. mit einer Uragan-Rakete beschossen wurde, die bisher schwerste Verletzung des Minsker Abkommens seitens der Regierungstruppen. Es liegt nahe, dass die OSZE-Leute von Kiew zuvor gewarnt worden waren.
Grundsätzliche Kritik: ARD-aktuell versäumt, die Kernbestimmungen des Minsker Abkommens in ihrer vertraglichen Abfolge darzustellen, obwohl sich daraus herleiten lässt, wem die Hauptschuld an dem Blutvergießen im Donbass zuzuschreiben ist.
1. Umfassende Waffenruhe, beginnend am 14. Februar 2015.
2. Pufferzone frei von schweren Waffen: je nach Waffenart Rückzug um 50 bis 140 km von der Frontlinie
3. Gefangenenaustausch.
4. Überwachung der Front durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit Unterstützung von Satelliten und Drohnen.
5. Innerhalb von 30 Tagen soll das ukrainische Parlament in Kiew eine Autonomie „bestimmter Regionen der Gebiete Lugansk und Donezk“ beschließen
6. Ab Ende 2015 sollen zwischen der Ostukraine und Russland wieder Grenzkontrollen stattfinden. Zunächst jedoch sollen Kommunalwahlen im Osten stattfinden und per Verfassungsreform eine Dezentralisierung der Ukraine verwirklicht werden.
7. Fremde Truppen, fremde Kämpfer („Söldner“) und alle ihre Waffen sollen vom Gebiet der Ukraine zurückgezogen werden.
[…] Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Minsk_II
Das Regime in Kiew hat bis heute alle Bestrebungen sabotiert, der Ostukraine Autonomie zu gewähren, hat die Verfassungsreform zur Dezentralisierung der Ukraine verhindert und Regionalwahlen blockiert (Punkte 5 und 6). Vielmehr provoziert das Regime Zwischenfälle an der Demarkationslinie im Interesse der WWG und der NATO. Füglich erklärte der Putschistenpräsident Poroschenko am 3. Februar, er werde ein Referendum über die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO ansetzen. Die gäbe den sich seit Jahren in der Ukraine tummelnden Söldnern und Militärs der USA endgültig einen offiziellen Status.
All dies lässt ARD-aktuell außer Betracht und liefert nur entkernte, sterile Halbinformation – unter Verletzung des Programmauftrags und der Programmrichtlinien des NDR Staatsvertrags.
Unser Vorstandsmitglied Jens Köhler nahm ebenfalls die irreführende und tendenziöse Berichterstattung der Tagesschau zu den Kämpfen in der Ostukraine aufs Korn. Tagesschau am 03.02.2017 um 20 Uhr:
Jan Hofer sagte in seiner Anmoderation: „Ein Brennpunkt der Gefechte zwischen Armee und Russland-nahen Separatisten ist die Stadt Awitja.“ (Anmerkung: die Stadt heißt tatsächlich Awdijewka). Dass die Millionenstadt Donezk mindestens ebenso Brennpunkt des Beschusses war, wurde schon in der Anmoderation unterschlagen.
Danach folgten Erläuterungen von Golineh Atai, dass laut Beobachtungen der OSZE beide Seiten Anteil an der Eskalation hätten. Danach wurde eine Äußerung von Herrn Poroschenko eingeblendet: „Unsere Soldaten haben nicht den Befehl, auf eine Aggression nicht zu antworten.“ Golineh Atai: „Der Feind habe heute zum ersten Mal mit schwerem Gerät Zivilisten gezielt beschossen“. Weiter Golineh Atai: „Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig.“ Weiter beschrieb Golineh Atai die schwierige humanitäre Situation in Awdijewka ausführlich. Im Anschluss daran: „Im UN-Sicherheitsrat bedauerte die neue Botschafterin der USA, dass sie schon bei Ihrem ersten Auftritt die Aggression Russlands verurteilen müsse.“
Nikki Haley: „Wir wollen unsere Beziehungen mit Russland verbessern, aber die düstere Lage in der Ostukraine verlangt eine klare und starke Verurteilung russischer Handlungen“. Weiter dann Golineh Atai: „Die Sanktionen hielten die USA aufrecht, bis Russland die Annexion der Krim rückgängig mache.“ Danach kommentierte Frau Atai noch kurz die Stellungnahme des russischen Botschafters beim UN-Sicherheitsrat, Witali Tschurkin: „Russlands Botschafter hingegen warf der Ukraine vor so zu tun, als ob sie Opfer einer Aggression sei, sie wolle sich damit Geldhilfen von der EU und den USA erschwindeln.“ Als Schlusssatz ging Golineh Atai kurz auf die Situation in Donezk ein: „Zerstörung und Tote auch in den Wohngebieten von Donezk, die unter Kontrolle der Separatisten stehen.“
Die Anmoderation, die Reihenfolge der Meinungsäußerungen, die Kommentierungen von Frau Atai, alles führte zu dem irreführenden Eindruck, die bösen „Separatisten“ hätten mit Unterstützung aus Russland wieder einmal eine Aggression gegen die notleidende Ukraine gestartet, worunter vor allem die Zivilisten in Awdijewka leiden, und ein bisschen ganz nebenbei und zum Schluss übrigens auch die Zivilisten in Donezk.
Der Schlusssatz bezüglich Donezk enthielt dem Publikum die zur Einordnung wichtigen Informationen vor:
Die OSZE hat mehr als 1200 Einschläge von schweren Waffen im Gebiet von Donezk innerhalb weniger Tage gezählt. Donetzk erlebt den seit langem intensivsten Beschuss aus Richtung Westen. Zivile Infrastruktur wie Energie- und Wasserversorgung, 5 Schulen und Wohnhäuser wurden beschädigt. Die ukrainische Armee und „Freiwilligen-bataillone“ beschießen Wohngebiete mit zielungenauen Waffen. Es gab viele zivile Tote. Die ukrainische Armee schoss mit einer BUK-Rakete eine OSZE-Beobachtungsdrohne ab (das Raketen-Unterteil stürzte in ein Wohngebiet). Totschka-U-Raketen (Boden-Boden-Raketen mit enormer Zerstörungskraft) wurden auf ukrainischer Seite in Stellung gebracht und vermutlich auch inzwischen verwendet.
Aus militärischer Sicht sind die ukrainischen Aktionen gegen Wohngebiete sinnlos und können nur zum Ziel haben, den Gegner zu Gegenmaßnahmen zu provozieren. Damit von einer Aggression der „Russland-freundlichen Separatisten“ gesprochen wird in westlichen Medien während Poroschenkos Besuch bei Frau Merkel, in Trumps neuem Team in Washington und bei der UNO in New York. Das wahre Ausmaß, in dem Zivilisten auch in Donetzk leiden, zivile Infrastruktur zerstört wird, erfahren hier im Westen nur diejenigen, welche sich die Mühe machen, die OSZE-Berichte zu lesen und mit den Nachrichten von vor Ort zu vergleichen.
In der Tagesschau vom 05.02.2017 wurde durch Herrn Lielischkies dann auch bestätigt, dass die ukrainische Armee mehrere Quadratkilometer Land „wieder zurückerobert hat“. „Die ukrainische Armee begründete dies damit, dass dies immer noch weniger sei, als die Separatisten nach dem Abkommen Minsk 1 erobert hatten.“
Unterschlagen wurde im Beitrag von Herrn Lielischkies die Schlussfolgerung, dass hier also eine Aggression der ukrainischen Seite und ein klarer Bruch des Abkommens Minsk 2 durch die ukrainische Seite vorlag. Und auch, dass es sich um Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung von Donezk handelte.
Sie fragen nicht, warum so häufig pünktlich zu Beginn von Auslandstouren des Herrn Poroschenko die militärische Lage in der Ostukraine eskaliert. Wenn der denkende Zuschauer sich fragt, cui bono? Wem nützt es? Kann er gut die Wertung nachvollziehen, welche Russlands Präsident zu dem Konflikt während einer Pressekonferenz in Budapest den Journalisten mitteilte: Kiew versucht, Geld und Unterstützung aus dem Westen zu erhalten.
Auf Süddeutsche.de erläuterte Journalistin Cathrin Kahlweit die Hintergründe der neuen Eskalation etwas ausführlicher:
„Ukraine Krieg als Signal
Der Gefechtslärm im Donbass soll in Washington gehört werden. Doch wer hat die neuen Kämpfe provoziert?
Nicht nur in den USA hat der neue Präsident Donald Trump allerhand durcheinandergebracht. In der Ukraine löst die Furcht vor einer Annäherung Trumps an Moskau und die mögliche Aufhebung der Sanktionen regelrechte Panik aus. Staatschef Petro Poroschenko hat deshalb gerade erst in Berlin um Unterstützung geworben.
In diesem Augenblick kommen die schweren Kämpfe in der Ostukraine, die an Intensität wieder zunehmen, der Regierung in Kiew durchaus zupass. In den Augen der Ukrainer sind sie ein Beweis dafür, dass der Kreml sich neuerdings im Donbass mit einem Freifahrtschein ausgerüstet sieht, den es unter der Obama-Administration nicht gab. Umgekehrt vermuten Experten, die Eskalation sei von der ukrainischen Armee provoziert worden, um Washington die Dramatik der Lage zu signalisieren.
Die Wahrheit in diesem hybriden Krieg hat viele Facetten, und die traurigste ist: Beide Seiten nutzen schwere Waffen, beide Seiten töten, beide Seiten zielen, trotz Dementis, auf Wohngebiete, beide Seiten nehmen das Leid der Bevölkerung in Kauf. Kiew kann so verhindern, dass die russische Aggression in Vergessenheit gerät. Moskau profitiert indes davon, dass die Ukraine nicht mehr die Rolle des alleinigen Opfers, des Underdogs hat. Die Situation ist verfahren. Es steht zu befürchten, dass Trump zur Lösung des Chaos‘ nichts beitragen wird.“