ZAPP – Medien in der Vertrauenskrise

„Unterschiedliche Studien aus der jüngsten Zeit kommen alle zu ähnlichen Ergebnissen: Bis zu 40 Prozent der Befragten verleihen in den Untersuchungen ihrer Medienskepsis Ausdruck und geben an, der Berichterstattung wenig oder keinen Glauben zu schenken – wobei sich die einzelnen Werte zum Teil deutlich unterscheiden.“
Das NDR-Medienmagazin ZAPP hat erneut eine Sendung zum Thema „Medien in der Vertrauenskrise“ produziert, die einerseits Hoffnung macht, aber andererseits auch wieder alte Stereotypen bedient, die einer punktgenauen Überprüfung nicht standhalten würden. Interessant war jedoch vor allem der Blick über den Tellerrand und die Ansicht des Nachrichtenchefs vom dänischen Rundfunk. Es sollte z. B. eine Selbstverständlichkeit in einer Demokratie sein, politische Spektren und Parteien, die nicht verboten sind, adäquat innerhalb der Berichterstattung zu behandeln und Kritik an der Berichterstattung endlich ernst zu nehmen.
Der Chefredakteur der Tagesschau Kai Gniffke meint u. a. in der Flüchtlingskrise keine Position bezogen zu haben, sondern beschrieben zu haben was ist – in allen Facetten.
Für ZDF-Moderatorin Dunja Hayali ist es im ZAPP-Interview die „Gretchenfrage“: Wie kann man das Vertrauen des Publikums zurückgewinnen?
Ausgewählte Zuschauerzuschriften.
Unsere Mitstreiterin Anja Böttcher hat ihre Kritik an der Sendung gewohnt scharfsinnig und rhetorisch mitreißend zur Kenntnis gebracht:
Sehr geehrte ZAPP-Redaktion,
als jemand der mediendidaktisch tätig ist und hierdurch sowohl wissenschaftlich fundierte Medienkritik wie auch die eben nicht akademisch reflektierenden Äußerungen der vielen emotional auf Medienkampagnen reagierenden Zuschauer kennt, habe ich mit großem Interesse Ihren erneuten ZAPP-Beitrag vom 17. Februar 2016 angeschaut – und war, wie inzwischen üblich, enttäuscht. Statt einer wirklich analytischen Untersuchung der Ursachen des Publikumsunmuts, die auch entsprechende wissenschaftliche Befunde zur Kenntnis nimmt, wurde hier wieder einmal, unter Eingeständnis vereinzelter handwerklicher und persönlicher Fehler im Detail, der wesentliche Grund des weit verbreiteten Protests nur aufseiten der Zuschauer verortet, denen – durch Einspielen äußerst selektiver und leicht zu diskreditierender Einzelstimmen – entweder politische Unbedarftheit, eine extremistische politische Grundüberzeugung oder die Nähe zu obskuren „Verschwörungstheorien“ attestiert wurden.
Und dabei ist der Grundbefund der Diskrepanz zwischen etablierten Medien (inklusive ÖF) und der Stimmung der Bevölkerungsmehrheit nicht nur mit Händen zu greifen, sondern auch in großen Teilen der Wissenschaft nicht ansatzweise umstritten: Die seit der breit diskutierten Veröffentlichung von Thomas Piketty („Das Kapital im 21. Jahrhundert“) in der Öffentlichkeit bewusste extreme sozioökonomische Asymmetrie, die mit der von Colin Crouch unter dem Begriff der „Postdemokratie“ diagnostizierten Homogenisierung der politischen Agenda (die einen allgemeinen sozio-ökonomischen Rechtsschub der Eliten durch ein links angehauchtes rhetorisches Decorum kaschiert) einherging, bildet sich in der Ausrichtung von Medien, die entweder von zunehmend monopolisierten Medienkonzernen oder ihnen durch lobbyistische Netzwerke verbundenen Parteien abhängen, vollständig ab.
In den kampagnenartigen Kernnarrativen, die sich aus der Summe der medialen Beiträge ergeben, operiert auch der öffentliche Rundfunk ganz offensichtlich nach der Devise: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Dieses Lied jedoch ist an allen Fronten eine Aufkündigung des Grundkonsensus‘, der die bundesdeutsche Sozialdemokratie von 1949- 1989 auszeichnete: Dies betrifft ebenso die Sozialpolitik wie die Ersetzung der Friedens- durch eine unverantwortliche Kriegspolitik wie auch die Aufkündigung des Grundrechtschutzes durch Totalüberwachung und das Eindringen der betriebswirtschaftlichen Logik in alle Lebensbereiche.
In dem Protest dagegen nur die rechtspopulistischen Stimmen und die angebliche „5. Kolonne der russischen Regierung“ zu sehen, ist einfach eine Ungeheuerlichkeit und der unverfrorene Versuch einer demagogischen Publikumsbeschimpfung. (Ist Ihnen noch nie in den Sinn gekommen, dass zum Beispiel der Protest gegen die konfrontative Russlandberichterstattung nach zwei Weltkriegen einfach der beRECHTigten KRIEGSANGST der Menschen entspringt? Dass dem Publikum vernünftigerweise mehr als nur flau wird, wenn in Bezug gerade auf dieses Land Journalisten alleine durch ihr „Wording“ eine unverständliche Lüsternheit zeigen, propagandistisch zur Kanone zu greifen? So mancher hat einen Großvater gehabt, der im Kessel von Stalingrad steckte, und hält es deshalb für unglaublich, dass Medienvertreter einen Ton anschlagen, der Unsicherheit darüber aufkommen lässt, ob nicht erneut Schlafwandler zu einer Wiederholung des Hasardeurspiels voranspreschen – und dies im Zeitalter nuklearer Bewaffnung?)
Das Publikum, das eben mehrheitlich den sozioökonomischen Rechtsruck des Neoliberalismus nicht mitvollzogen hat, wehrt sich dagegen, durch Gebühren die Propaganda einer Politik subventionieren zu sollen, die sich inzwischen weder seiner sozialökonomischen noch seiner blanken physischen Existenz verpflichtet fühlt. Und damit ist es tausendfach näher am Rechtsbestand des Grundgesetzes als die medialen Blockflöten einer Politik, die sich gerne für eine Refugee-Welcome=Show feiern lässt, aber keine Probleme damit hat, PR für eine Logik zu machen, die die Herkunftsländer der Flüchtlinge in Schutt und Asche gelegt hat und dies fortzuführen gedenkt.
Wie viele diesen Zusammenhang durchaus differenziert zu begreifen versuchen, könnte Ihnen der unglaubliche Erfolg des folgenden Vortrags eines Professors der Universität Kiel auf Youtube verdeutlichen:
Es wäre also langsam an der Zeit, die Deklassifizierungsattacken gegen das Publikum durch eine ernsthafte Ursachenanalyse zu ersetzen – wenn Sie nicht wollen, dass uns diese Gesellschaft noch um die Ohren fliegen wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Anja Böttcher
Update: Auch die ehemalige Mitarbeiterin des kleinen RT-Ablegers „RTdeutsch“ Lea Frings musste nun erfahren, wie beim NDR gearbeitet wird. ZAPP ist dafür bekannt, dass O-Töne aus dem Zusammenhang gerissen werden, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Dass allerdings ausgerechnet eine Sendung für derart unfaire Methoden genutzt wird, in deren Verlauf es um die „Vertrauenskrise der Medien“ geht, hat Chuzpe.