20 weitere Fragen, die Journalisten zum Fall Skripal stellen sollten

20 weitere Fragen, die Journalisten zum Fall Skripal stellen sollten
von Rob Slane, 27.03.2018, Übersetzung FritzTheCat

Meiner Kenntnis nach ist keine der Fragen, die ich in meinem vorangegangenen Artikel stellte – „30 Fragen, die Journalisten zum Fall Skripal stellen sollten“ – zufriedenstellend beantwortet worden, zumindest nicht öffentlich. Und trotz der Tatsache, dass diese legitimen Fragen noch nicht beantwortet wurden und viele wichtige Fakten rund um den Fall immer noch unbekannt sind, hat der Fall zu einer ernsten internationalen Krise geführt, durch die außerordentliche Ausweisung russischer Diplomaten am 26. März aus vielen EU-Ländern und insbesondere aus den USA.

Hier sollte man mal innehalten. Am 4. März wurden in der Innenstadt von Salisbury ein Mann und seine Tochter vergiftet. Trotz der Tatsache, dass die Ermittler anscheinend noch nicht wissen, wie sie vergiftet wurden, wann sie vergiftet wurden oder wo sie vergiftet wurden, haben eine Reihe westlicher Länder den Zwischenfall als Vorwand für eine koordinierte Ausweisung russischer Diplomaten benutzt, in einem Ausmaß wie wir es nicht einmal am Höhepunkt des Kalten Krieges erlebt haben. Dies sind eindeutig sehr abartige und sehr gefährliche Zeiten.

In meinem vorangegangenen Artikel habe ich darauf hingewiesen, dass es nicht meine Absicht ist, auf diesem Blog irgendwelche Verschwörungstheorien zu verbreiten. Es bleibt dabei, dass ich einfach keine ganzheitliche Theorie dazu habe – Verschwörung oder sonst was – wer das durchgeführt hat und ich bleibe für alles offen. Aber da die Regierung meines Landes zu einem vorschnellen Urteil gekommen ist, ohne dass viele der Fakten zu dem Fall bewiesen sind und seither zur größten Verschlechterung der Beziehungen zwischen nuklear bewaffneten Nationen seit der Kuba-Krise geführt hat, da scheint mir, dass es wichtiger denn je ist, weiterhin Fragen zu stellen, in der Hoffnung dass Antworten kommen.

Und daher, wozu immer es auch gut sein mag, sind hier weitere 20 wichtige Fragen von denen ich meine, dass die Journalisten sie zu diesem Fall stellen sollten:

1.) Hat die Polizei in dem Fall schon irgendwelche Verdächtige identifiziert?

2.) Wenn ja, gibt es irgendeinen Beweis, der sie mit der russischen Regierung in Verbindung bringt?

3.) Falls nein, wie kann man dann eine Schuldzuweisung treffen, so wie es die britische Regierung getan hat?

4.) In einer Rede an das Parlament hat Theresa May, die britische Premierministerin, am 12. März Folgendes gesagt:

„Es ist jetzt klar, dass Mr. Skripal und seine Tochter mit einem militärischen Nervenkampfstoff von einem durch Russland entwickelten Typ vergiftet wurden. Das ist ein Teil einer Gruppe von Nervengiften, die als ‚Novichok‘ bekannt sind. Dies basiert auf der positiven Identifikation dieses chemischen Kampfstoffs durch weltweit führende Experten des Defence Science and Technology Laboratory in Porton Down.“

Im Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 22. März über die Zulässigkeit, Blutproben von Sergei und Yulia Skripal zur Prüfung durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu entnehmen, legte Porton Down Beweise vor Gericht vor (Abschnitt 17 i) in denen es heißt:

„Es wurden Blutproben von Sergei Skripal und Yulia Skripal analysiert und die Befunde deuten darauf hin, dass sie einem Nervenkampfstoff oder einer verwandten Verbindung ausgesetzt waren. Die Proben wurden positiv auf das Vorhandensein eines Nervenkampfstoffes der Klasse Novichok oder eines eng verwandten Stoffes getestet.“

Die Premierministerin sagt also, dass Porton Down die Substanz positiv als einen Novichok Nervenkampfstoff identifiziert habe. Die Ausage von Porton Down sagt, dass ihre Tests darauf hindeuten, dass es ein Novichok-Kampfmittel war oder ein eng verwandter Kampfstoff. Besagen diese zwei Äußerungen genau das selbe?

5.) Warum wurden die Begriffe „verwandte Verbindung“ und „eng verwandter Kampfstoff“ der Feststellung von Porton Down hinzugefügt, und ist das ein Hinweis darauf, dass die Wissenschaftler nicht 100% sicher waren, dass die Substanz ein „Novichok“ Kampfstoff war?

6.) Warum wurden diese Begriffe aus der Rede der Premierministerin im Parlament weggelassen?

7.) Warum benutzte die Premierministerin in ihrer Rede das Wort „Novichok“ und nicht das Wort Foliant, was der tatsächliche Name des Programms ist, das von der Sowjetunion eingeleitet wurde, als man in den 1970ern und 1980ern versuchte, eine neue Klasse chemischer Waffen zu entwickeln?

8.) In einem Interview mit Deutsche Welle zu der Frage, wie Wissenschaftler in Porton Down so schnell herausgefunden haben, dass der Nervenkampfstoff zur „Novichok“-Klasse der chemischen Waffen gehört, wurde der Außenminister Boris Johnson gefragt, ob Porton Down Proben davon besitze. So hat er geanwortet:
„Besitzen sie. Und sie waren absolut kategorisch und ich fragte den Kerl selbst, ich sagte, ‚Sind Sie sicher?‘ Und er sagte, dass es keinen Zweifel gäbe.“
Wenn Mr. Johnsons Äußerung richtig ist und das Defence Science and Technology Laboratory (DSTL) in Porton Down Proben von „Novichok“ in seinem Besitz hat, wo kamen sie her?

9.) Wurden sie in Porton Down produziert?

10.) Wie lange haben sie sie schon in ihrem Besitz?

11.) Warum hat das DSTL den Besitz dieser Substanzen nicht bei der OPCW angemeldet, wozu sie gemäß der Chemiewaffen-Konvention (CWC) gesetzlich verpflichtet sind?

12.) Deutete diese Äußerung von Mr. Johnson nicht darauf hin, dass „Novichoks“ in jeder modernen Chemiewaffen-Anlage hergestellt werden kann, so wie im Iran 2016 unter der Schirmherrschaft der OPCW?

13.) Wenn dem so ist, wie kann die Regierung so sicher sein, dass die bei der Vergiftung von Mr. Skripal und seiner Tochter verwendete Substanz durch Russland hergestellt oder produziert wurde?

14.) In ihrer Rede am Mittwoch den 14. März vor dem Parlament sagte die britische Premierministerin, dass es nur zwei plausible Erklärungen für die Vergiftung von Mr. Skripal und seiner Tochter gäbe:

„Entweder war es eine direkte Tat des russischen Staats gegen unser Land. Oder vielleicht hatte die russische Regierung die Kontrolle über einen militärischen Nervenkampfstoff verloren und zugelassen, dass er in andere Hände gelangt.“

Gibt es, abgesehen von der tatsächlich verwendeten Substanz, irgendwelche festen Beweise, die die Regierung zu dem Schluss kommen ließen, dies seien die beiden einzigen plausiblen Szenarien?

15.) Am 26. März haben eine Reihe von Ländern als offensichtliche Antwort auf den Vorfall in Salisbury russische Diplomaten ausgewiesen. Die OPCW hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber den Fall noch gar nicht untersucht oder die Blutproben analysiert. Warum wurde die eindeutig koordinierte Entscheidung zur Ausweisung von Diplomaten getroffen, bevor die Untersuchung der OPCW abgeschlossen ist?

16.) Setzt man damit nicht die OPCW unter gewaltigen Druck, mit der „richtigen“ Schlussfolgerung herauszukommen?

17.) Es wird damit gerechnet, dass die OPCW-Untersuchung der Substanz bis zum Ende mindestens drei Wochen dauern wird. Porton Down brauchte weniger als eine Woche für die Analyse. Wie kommt es zu diesem Unterschied?

18.) Wird die OPCW jene „Novichok“-Proben verwenden, die laut Boris Johnson in Porton Down aufbewahrt werden, um sie mit den Blutproben von Mr. Skripal und dessen Tochter zu vergleichen?

19.) Wenn nicht, auf welcher Grundlage wird dieser Vergleich gemacht werden, da die erste bekannte Synthese eines „Novichoks“ 2016 im Iran gemacht wurde?

20.) Falls die OPCW herausfindet, dass die Substanz tatsächlich ein „Novichok“ ist, wird das ein ausreichender Beweis sein um festzustellen wer den Angriff auf die Skripals ausgeführt hat oder wären – angesichts der Tatsache, dass andere Länder eindeutig in der Lage sind, solche Substanzen herzustellen – weitere Beweise notwendig?

 

 

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