Es geht um alles – nicht nur für den Iran

Es geht um alles – nicht nur für den Iran

Die Welt rast auf einen Abgrund zu. Die USA scheinen unter Trump noch stärker als unter Biden ihre eigenen Probleme nicht unter Kontrolle zu bekommen. Ein friedliches Zusammenleben mit anderen scheint zum entrückten Weltbild zu werden.

Beitrag von René Zittlau

Einleitung

Sollte die Menschheit die Krise überleben, die mit dem Überfall Israels und der USA auf den Iran angebrochen ist und die weit über den Iran und Israel hinaus das Geschehen in der Welt zu beeinflussen droht, so werden dereinst Historiker und Lehrer ihren Studenten und Schülern erklären, dass am Freitag, dem 13. Juni 2025 die nach dem zweiten Weltkrieg geschaffene internationale Nachkriegsordnung – das vielzitierte sogenannte Völkerrecht – endgültig aufhörte zu existieren.

Diese durch die Charta der Vereinten Nationen begründete und in der Folge durch eine Unzahl von internationalen Verträgen schriftlich definierte Ordnung basiert auf einem mühsam errungenen Mindestmaß an Vertrauen zwischen den Staaten. Durch Rechtsbrüche und Kriege wurde sie immer wieder auf die Probe gestellt. Doch wohl nie zuvor seit 1945 wurde die Welt so demonstrativ, arrogant und so vorsätzlich belogen, wie es Israel in Person seines Ministerpräsidenten Netanjahu und die USA in Person ihres Präsidenten Trump am 13. Juni 2025 taten. Als „Staatsmänner“ erklärten sie der Weltöffentlichkeit allen Ernstes, sie mussten den Iran präventiv angreifen, um Israel zu schützen. Iran, ein Land, das seit Ewigkeiten kein anderes Land angegriffen hat und auf eine offensive Kriegsführung überhaupt nicht ausgerichtet ist.

Außerhalb der G7 sowie der zu ihrem Dunstkreis gehörenden abhängigen Staaten haben die USA mit diesem Vorgehen sämtlichen politischen Kredit verspielt, allen voran beim Iran, China und Russland, aber auch zum Beispiel bei Pakistan oder großen Teilen Afrikas. Es ist nicht absehbar, wie massiv die politischen Verwerfungen weltweit ausfallen werden durch diese Demaskierung der hegemonialen Interessen der USA und seiner Vasallen live und in Echtzeit.

Der Krieg Israels gegen den Iran kann lange dauern. Er wird die Welt in einer Weise spalten, die wir uns heute nicht einzugestehen vermögen.

Das Weiße Haus ist politisch nackt

Von Israel ist die Weltöffentlichkeit inzwischen seit Jahren auf die bewusste Verdrehung von Tatsachen beruhende Lügen gewohnt. Die unverhohlenen Lügen des amerikanischen Präsidenten im Zusammenhang mit dem durch Israel begonnenen Krieg gegen den Iran haben allerdings eine bisher so nicht gekannte Qualität. Seine Verhöhnung der vorsätzlichen Morden zum Opfer gefallenen iranischen Wissenschaftler und Politiker wird das politische Zusammenleben der Völker verändern. Seine narzisstische Persönlichkeit ließ den US-Präsidenten einfach nicht abseits stehen, als der israelische Ministerpräsident seine vermeintlichen Siegesmeldungen am 13. Juni 2025 verkündete. Er konnte einfach nicht anders, als der Welt mitzuteilen: Ja, aber ohne uns war das nicht möglich.

Der Westen gegen den Iran

Damit war der allen aufmerksamen Beobachtern seit langem und sattsam bekannte Geist aus der Flasche – die USA waren direkt an der Planung und Durchführung des israelischen Angriffs auf den Iran beteiligt.

Sie lieferten Tage vor dem Angriff die Hellfire-Raketen, mit denen die iranischen Wissenschaftler exekutiert wurden.

Hellfire Rakete – links: Ergebnis; rechts: Hellfire Rakete

Sie lieferten Geheimdienstinformationen. Sie betankten die israelischen Bomber über Syrien, was für sich allein eine massive Verletzung des Völkerrechts darstellt. Wie man hört, ist inzwischen auch der deutsche Kriegsgeist erwacht, so dass die deutsche Regierung ebenfalls seine Flugzeuge schickt.

Die USA waren und sind auch maßgeblich an der Detektierung und Identifizierung der vom Iran als Antwort auf Israel abgefeuerten Raketen und Drohnen beteiligt.

Die folgende Karte zeigt die unter US-Kontrolle stehenden Radarstützpunkte im Nahen Osten. Israel ist ohne die USA überhaupt nicht in der Lage ist, den Iran „zu sehen“.

Doch die Beteiligung der USA endet hier nicht. US-Kampfflugzeuge sind aktiv beteiligt an der Bekämpfung von iranischen Drohnen und Raketen. Das erfolgt nicht im israelischen Luftraum, sondern am Himmel vom Irak, Syrien und Jordanien. Dabei helfen ihnen nach Kräften ihre NATO-Kollegen aus Großbritannien und Frankreich.

Vor der Küste Israels nimmt sich dieser Aufgabe der US-Zerstörer USS Thomas Hudner an, der zu diesem Zweck kurzfristig aus dem westlichen Mittelmeer dorthin beordert wurde.

Die offene Unterstützung des Krieges Israels gegen den Iran durch den Westen geht also weit über das in der Ukraine „übliche“ Maß hinaus.

Auch an der diplomatischen Front fällt auf, dass die NATO-Staaten abgestimmt auftreten. Frankreich, Großbritannien und Deutschland veröffentlichten eine praktisch wortgleiche Verurteilung – nicht des israelischen Angriffs auf Iran, sondern der Verteidigung des Iran gegen den Angriff.

Der Westen hilft Israel auch auf andere Weise. In Erwartung heftiger iranischer Reaktionen verlegte Israel seine zivilen Flugzeuge nach Zypern und Militärflugzeuge auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt auf Zypern.

Die genaue Beobachtung von Einzelheiten bei der Unterstützung Israels offenbart jedoch auch für den Ukraine-Konflikt bedeutsame Tatsachen.

Der in den letzten Tagen öffentlich gemachte Abzug von US-Luftabwehrsystemen vom Typ „Patriot“ aus der Ukraine nach Israel belegt auf seine Weise, dass die Ukraine für die USA nur ein Mittel zum Zweck im unerklärten Krieg gegen Russland darstellt. Er zeigt auch, dass die Ukraine ganz offensichtlich keinerlei Souveränität über ihr vom Westen gelieferte Waffen besitzt. Nur der, der die Kontrolle hat, der die Fäden in den Händen hält, kann nach Belieben für das Kriegsgeschehen relevante Waffensysteme abziehen.

Die IAEA – eine Außenstelle von NATO, CIA und MI-6

Die Internationale Atomenergie Organisation (IAEA) ist eine Spezialorganisation der UNO. Sie setzt sich laut Statut für eine friedliche und sichere Nutzung der Kernenergie ein und schuf dafür die international gültigen Standards. Leider hat sie wie so gut wie alle UNO-Unterorganisationen und auch die internationalen Sportorganisationen – zum Beispiel IOC, FIFA – wie Organisationen wie die OSZE auch eine andere, dunkle Seite. Denn alle diese Organisationen wurden vom Westen unterwandert und so zu einem Spielball desselben in seinem unstillbaren Bestreben nach unipolarer Weltherrschaft.

Das Wirken der IAEA in Bezug auf den Iran erinnert eher an die Mafia als an eine einst seriöse internationale Organisation. Seine Offenheit ihr gegenüber und gegenüber ihren Inspektoren musste der Iran erneut sehr teuer bezahlen.

Im Lichte der Ereignisse stellt sich die Iran-Resolution der IAEA vom 12. Juni 2025 dar wie ein von der NATO und Israel bestelltes Dokument. Es bezichtigt den Iran, vorsätzlich gegen Vereinbarungen mit der IAEA verstoßen zu haben. Praktisch hatte der Iran nicht einmal Zeit, auf die Vorhaltungen in einer angemessenen Zeit zu reagieren. Hinzu kommt, dass sich der Iran in der Atomfrage einen entscheidenden Durchbruch bei den für den 15. Juni 2025 mit den USA im Oman geplanten Verhandlungen versprach.  Dazu erklärte er vorab öffentlich seine Bereitschaft, auf praktisch alle an ihn gestellten Forderungen einzugehen.

Doch diese geplanten Verhandlungen nutzten die USA als Tarnung für ihre mit Israel für den 12. Juni 2025 gegen den Iran losgetretene Aggression.

Und noch ein Detail ist erschreckend: Der iranische Geheimdienst machte wenige Tage vor dem Angriff öffentlich, dass er brisante Dokumente zum israelischen Atomprogramm erbeutet hatte. In den Dokumenten fanden die Iraner die persönlichen Daten der iranischen Atomwissenschaftler, die am 12. Juni 2025 von Israel mit z.B. Hellfire-Raketen ermordet wurden und die Teilnehmer der iranischen Delegation am 15. Juni 2025 in Oman sein sollten.

In den erbeuteten Dokumenten ist festgehalten, dass Israel diese Daten von der IAEA erhalten hatte – Daten, die zum unmittelbaren Tod der Wissenschaftler führten. https://www.youtube.com/watch?v=9L-A8bx8-X0 (ab Minute 16.50)

Warum eskalieren Israel und die USA gerade jetzt?

Die Vorbereitungen des Überfalls auf den Iran waren langfristig, wie die israelischen Offiziellen bereitwillig zugaben. Der Angriffstermin war somit nicht zufällig.

Angesichts der geplanten Atom-Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran im Oman waren die Iraner offenbar vom guten Willen der Amerikaner überzeugt. Sie rechneten zwar mit einem möglichen israelischen militärischen Angriff, doch NACH den Verhandlungen. Und sie rechneten vor allem nicht mit einem Angriff aus dem Innern des eigenen Landes.

Eines der großen Ziele Israels war und ist es, die USA in den Krieg mit dem Iran hineinzuziehen. Denn ohne die USA ist Israel nicht in der Lage, den Iran konventionell zu besiegen.

Die folgenden Fakten machen deutlich, dass die USA tief in die Planung des Angriffs eingebunden sein mussten. Denn um den Iran bezüglich seiner Atomforschung „zur Verantwortung zu ziehen“, musste ein Konflikt bis zum Oktober 2025 provoziert werden. Denn im Oktober 2025 läuft der Vertrag zwischen der IAEA und dem Iran aus. Nach dem Auslaufen ist der Iran frei zu tun, was immer er für richtig hält.

Ein weiterer für den Kriegstermin wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass die USA bereits im September 2025 entsprechend eines Vertrages mit der irakischen Regierung die Kontrolle über den irakischen Luftraum verlieren. Ohne diese Kontrolle hätte Israel völlig anders planen müssen.

Doch das sind taktische Überlegungen vor dem großen strategischen Ziel.

Der Iran ist ein Schlüsselstaat der BRICS. Und BRICS selbst stellt für den gesamten Westen ökonomisch, gesellschaftlich und politisch eine gewaltige Herausforderung dar. In praktisch allen Schlüsselparametern ist diese Staatengruppe dem Westen überlegen. Hinzu kommt die enge Verflechtung der BRICS mit der OPEC und auch den afrikanischen und asiatischen Staaten.

In den letzten Monaten gab es seitens des Westens immer wieder Bestrebungen, das eine oder andere BRICS-Mitglied zu umgarnen oder unter Druck zu setzen. Der kürzliche Konflikt zwischen Pakistan und Indien weist ebenfalls diesbezügliche Aspekte auf.

Israel und die USA wollen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ein Regimechange würde die gewünschte westliche Ordnung im Nahen Osten wiederherstellen einschließlich des langgehegten Zugangs zu den iranischen Bodenschätzen. Gleichzeitig wäre das ein empfindlicher Schlag gegen die BRICS-Gruppe.

Eine Lehre für Russland

Die Art und Weise des Verrats der USA gegenüber dem Iran dürfte Russland äußerst aufmerksam verfolgt haben. Dieses Vorgehen wird auch dem letzten Zweifler in der russischen Politik die Augen geöffnet haben über Donald Trump und das Wesen der amerikanischen Avancen gegenüber Russland.

Ein Herausbrechen des Iran aus BRICS würde Russland vor erhebliche Probleme stellen. Der angestrebte Nord-Süd-Transportkorridor vom Norden Russlands über Aserbaidschan, Iran nach Indien ist ohne den Iran nicht realisierbar.

China verliert ohne den Iran seinen derzeit größten Erdgaslieferanten. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass Israel im Iran gerade das weltweit größte Gasfeld in Brand setzte.

Ohne den Iran verliert BRICS seine innere Statik.

Das eigentliche Ziel des Angriffs ist also nicht der Iran, es ist BRICS. Das wird auch in Moskau und Peking zu entsprechenden Überlegungen und Entscheidungen führen.

Es wird ein Ringen der Giganten – der Westen gegen BRICS einschließlich des globalen Südens. Die ökonomischen Kennziffern sprechen für BRICS, was einen waidwunden Westen durchaus zum letzten Mittel greifen lassen könnte – zur Atombombe.

Wie wird der Iran reagieren?

Die Geschichte der Beziehungen mit dem Westen ist für den Iran lang und schmerzvoll. Nicht nur einmal haben Großbritannien und die USA gewaltsam den Lauf der Geschichte des rohstoffreichen Landes geändert oder dies versucht. Der westliche Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung Mossadegh im Jahre 1953 hat Auswirkungen bis in die Gegenwart.

Iran hat also guten Grund, den Angeboten des Westens zu misstrauen, zumal die Wahl zwischen Pest und Cholera zu treffen ist, zwischen Kapitulation mit Regimechange oder ökonomischer Unterwerfung.  Wobei letztere Möglichkeit den Regimechange impliziert.

Die Ereignisse der letzten Stunden und Tage werden den Iran möglicherweise dazu motivieren, nun doch eine Atombombe zu bauen. Das ist keine Bestätigung des Westens, sondern eine schmerzliche Lehre. Denn angesichts einer iranischen Atombombe hätten Israel und die USA den Angriff auf den Iran nicht gewagt.

Professor Marandi von der Teheraner Universität verweist in einem Interview auf die iranische Geschichte. Iran war in schwierigen Etappen seiner Geschichte nicht abhängig von einzelnen Personen. Es gab immer wieder Anschläge von außen auf führende Politiker und Militärkommandeure mit dem Ziel, die Entwicklung des Landes zu ändern. Im Irak-Krieg wurde der Präsident getötet, dann der Ministerpräsident und viele Militärkommandeure, ohne dass die mit den Morden verbundenen Ziele erreicht wurden.

Nach seiner Wahrnehmung stellen sich die Iraner trotz aller Probleme klar hinter die Führung des Landes. „Das Land ist geeint in einer Weise, wie ich es nie zuvor gesehen habe.“

Und so kommt er zu dem Schluss:

„Wir müssen sicherstellen, dass dies ein Fehler war und dass so etwas nie wieder geschieht. Die Beziehungen des Iran zum Westen werden sich grundlegend ändern.“

Ausblick

Die Zerstörung der internationalen Ordnung, die Zerstörung des Völkerrechts ist in vollem Gange. Wenn es kein Vertrauen mehr gibt, wenn Verträge, Recht und Gesetz nichts mehr gelten, dann kommt das einer Rückkehr zum Faustrecht gleich. Einer Rückkehr der Macht des Stärkeren.

Als Europa dieses Prinzip der Macht des Stärkeren einst überwand, schrieb man das Jahr 1648. Nach 30 Jahren Krieg kam man endlich zur Einsicht.

Der Westen, der sich aus dem Europa des Westfälischen Friedens entwickelte, befindet sich angesichts der Realitäten des Jahres 2025 in einer Phase der politischen und kulturellen Degeneration, also des Verfalls, der Zurückbildung, der Entartung. Wenn das Faustrecht, die Macht des Stärkeren wieder zur bestimmenden politischen Agenda zu werden scheint, dann befinden wir uns erneut auf dem Niveau des späten Mittelalters. Was erwartet uns dann als Nächstes?

 

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