Krieg der Zukunft – Eine sachliche Analyse der ZDF-Reportage

Krieg der Zukunft Teil 2: Schlacht über den Wolken vom 17.02. 2025
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/krieg-der-zukunft-schlacht-ueber-den-wolken-100.html
Eine Reportage von Andreas Orth und Pauline Sachs für ZDF info.
Anders als bei den sonst üblichen Dokumentationen über Militärtechnik und Krieg, nicht zuletzt in der Ukraine, versucht dieser Zweiteiler von ZDFinfo weniger mit Emotionen als mit Fakten zu punkten. Das sollte in deutschen Landen nicht schwerfallen, denn mit Militärtechnik kennen sich außer den Militärs selbst eigentlich nur noch jene Jugendlichen aus, welche sich die Nächte mit zumeist höchst ausgefeilten Videospielen wie dem Digital Combat Simulator (siehe Quellen) um die Ohren schlagen. So verwundert es auch nicht, dass unsere Polit-Eliten mit Raketen für die Ukraine werben, über deren Vorhandensein, Einsatzmöglichkeiten und Effektivität sie aber offensichtlich keinerlei größeren Kenntnisse besitzen. Sorgsam wurde so der Taurus-Marschflugkörper aus dem Wahlkampf größtenteils herausgehalten, denn was bislang zu diesem Waffensystem seitens der Politik geäußert wurde, würde an jedem Stammtisch und 10 Minuten Google-Recherche schnell zerpflückt werden.
Wie anders als mit dem Konflikt in der Ukraine und dem dortigen Gegner Russland soll man nun die heutige NATO-Militärtechnik analysieren? Daraus ergeben sich für die Reporter folgende Fragestellungen:
– Wie gut ist die NATO vorbereitet?
– Könnte moderne Luftabwehr uns vor feindlichen Raketen schützen?
– Wie gefährlich sind die neuen Hyperschallwaffen?
Informativ bis laienhaft naiv.
Das hiesige Format gibt sich nun aber technikinteressiert, kommt dabei nicht umhin, den Gegner klar auszumachen. An wem sonst als Russland sollte sich NATO-Technik sonst darstellen und vergleichen lassen? Nach dem Warum? muss an dieser Stelle nicht gefragt werden. Auch nicht, warum sich dieses Format größtenteils nicht „um die Zukunft“ kümmert, sondern uns den vermeintlichen Ist-Zustand erläutert. Und das mit einem leichten Hauch von Wehklagen über diesen Status quo, als auch einem gewichtigen Fingerzeig in Richtung vermeintlicher Notwendigkeiten.
Dem Format ist es geschuldet, dass dieser Beitrag für die Publikumskonferenz immer wieder „Technische Anmerkungen“ einfügt, welche aufzeigen sollen, wo die Reportage „Krieg der Zukunft“ hätte ansetzen können und müssen, letztlich aber doch auf nahezu laienhaftem Niveau hängengeblieben ist. Und das ungeachtet des bereitgestellten Bild- und Videomaterials, der Kommentare von Experten und Computeranimationen.
Die Bühne wird sogleich mit einigen „Drohgebärden“ russischer Kampfjets gegenüber den Flugzeugen der NATO als Beispiele bereitet (2.00 Minuten).

Zum Vergleich eine weitere Originalaufnahme desselben Vorfalls:

Kontextfrei ist das schon nicht so schön, was „der Russe“ da macht. Was der US-amerikanische B-52H-Nuklearbomber auf dem Bild über der Ostsee im Anflug auf St. Petersburg zu suchen hatte (moderne Fluglogdaten-Websites sind so ergiebig (1)), verschweigt die Sendung allerdings. Wer hier wen bedroht tut wohl nichts zur Sache, diese Flüge fernab der Heimat aber 20 km vor Kaliningrad sind jedoch keine Seltenheit. (2)

Eine weitere Einstellung in dieser „Galerie der Aggressionen“ zeigt uns die Su-27SM der russischen Marine, welche neben einer US-amerikanischen Reaper-Drohne Treibstoff ablässt. (2.20 Minuten)

Die Drohne geriet danach außer Kontrolle und verschwand im Schwarzen Meer. Diesen Kontext ersparte man uns ebenfalls, denn auf solche Reaper-Flüge nahe der Krim folgten alsbald „ukrainische“ Angriffe mit britischen Storm Shadow – Marschflugkörpern.
Technische Anmerkung: Die Ukraine besitzt weder Reaper-Drohnen, noch hat sich die Möglichkeit, die von der Drohne erhaltenen, aktuellen Daten in die Systeme Storm Shadow, Scalp oder ATACM zu programmieren. Gleichsam besitzt sie keine Satellitenüberwachung des Kampffeldes. All das erhält sie von der NATO, die sich im Übrigen „nicht im Krieg mit Russland befindet“, welches aber seinerseits den Westen bedroht.
Die B-52H fliegen so wie russischen Tu-95 regelmäßig Flüge an den „NATO-Außengrenzen“ bzw. denen Russlands, Abfangjäger steigen auf, begleiten die Maschinen nach Sichtkontrolle und man trennt sich. Über der Arktis, dem Nordmeer und vielen anderen Orten auf der Welt. Das kann man tagtäglich auf den Radarseiten verfolgen, bedrohen tut sich dabei niemand.

Nach dieser Einordnung und der Klarstellung über den zukünftigen Gegner geht es ans Eingemachte. Wenngleich mit offen zur Schau gestelltem, laienhaften Hintergrundwissen – was einem militärtechnisch nicht versierten Zuschauer aber nicht gleich auffallen wird. Dieses Wissen objektiv aufzubessern, wäre natürlich ein sinnvoller Ansatzpunkt der Sendung gewesen, sodass man auch merkt, dass die Reporter auch Hintergrundwissen von dem haben, was sie dem Publikum präsentieren.
So wird die Kinzhal (3) als Überschall- statt Hyperschall-Rakete bezeichnet (ein gewichtiger Unterschied), welche Russland von Syrien aus sogar nach Süddeutschland schießen könne. (5.30 Minuten) Letzteres verwirrt, da die Sendung nach der Trump-Wahl und somit auch dem Sturz Assads gedreht wurde. Der Abzug Russlands aus Syrien ist faktisch beschlossene Sache und es gab auch keine Kinzhals in Syrien (wozu auch?), respektive Flugzeuge, welche diese einsetzen konnten. Abgesehen davon ist Syrien gut 3.000 km von Deutschland entfernt. Die Kinzhal besitzt, wie uns der Bericht selbst sagt, nur eine Reichweite von 2.000 km, das Gebiet dazwischen gehört NATO-Staaten wie Griechenland, der Türkei oder Rumänien. Da würden die Trägermaschinen auch keinen des angesprochenen Reichweiteschubs geben können. Das diese Mig-31 aber sehr wohl im nur 600 km von Deutschland entfernten Kaliningrad stationiert sind, und das bekanntermaßen mit Kinzhal, lässt diesen Einwurf mit Syrien eher unbedarft erscheinen.
Dem ungeachtet fabuliert man weiter über die Vor- und Nachteile der Kinzhal, leider eben nicht sachgemäß. Patriot-Luftabwehrraketen, quasi die Goldene Kuh der westlichen Luftverteidigung, hatten schon im Irak-Krieg 1990 Probleme, weitaus langsamere Scud-Raketen erfolgreich zu bekämpfen.(4) Heute sind wir technisch natürlich weiter, wobei der Bericht unterschlägt, dass selbst Israel unlängst alle Patriot-Systeme nach 40 Jahren (!) außer Dienst stellte.(5)
Auch wenn man keine Belege aufzeigt (die untengenannten Quellen sagen dazu nichts aus), sei der Sendung nach die Kinzhal mit westlichen Bauteilen ausgerüstet, die nach den Sanktionen schwer zu beschaffen seien – Wunschdenken?
Dann fabuliert man weiter:
„In ihrer ersten Flugphase sind die Raketen durch ihre Geschwindigkeit unangreifbar. Doch im Zielanflug muss die Kinzhal langsamer werden, um nicht an Treffgenauigkeit zu verlieren. Dadurch werden sie in der letzten Flugphase verwundbar und ein leichtes Ziel für Flugabwehrraketen.“
Das Obenstehende ist genauso ins Reich der Märchen zu schicken, wie die darauf folgende Behauptung, dass die ukrainische Luftabwehr schon viele Kinzhals abgeschossen hätte.
Technische Anmerkung: Die Geschwindigkeit der Kinzhal, einer Weiterentwicklung der Iskander, ist auch im Endanflug noch so groß, dass sie rotglühende ins Ziel einschlägt. (siehe unten) Wenn etwas die Kinzhal abbremst, dann der Eintritt in die niederen Schichten der Atmosphäre. Zudem macht es die Kinzhal, wie auch die später genannte Zirkon aus, dass sie während des Zielanflugs die Flugrichtung ändern können, was eine Abwehr nahezu unmöglicht macht, da diese den Kurs in vergleichsweise kurzer Zeit vorherbestimmen muss. Ändert das Flugobjekt dann noch einmal den Kurs, fliegt die Abwehrrakete ins Leere und, so sie sich nicht selbst zerstört, schlägt unkontrolliert auf dem Boden ein.(6) Dies gilt sowohl für die alten Patriots, als auch die Iris-T. Ein wenig Studium der Materie hätte hier gute Dienste geleistet. Jeder erkannte Start eines Kinzhal-Trägers, also einer Mig-31K, löst in der gesamten Ukraine Luftalarm aus, da nicht bestimmt werden kann, wohin die Rakete letztlich fliegen wird. Die ukrainischen Streitkräfte erklären gerne, nahezu alle angreifenden Raketen und Drohnen abgeschossen zu haben – Botschaften, welche die westlichen Medien gerne wie auch hier ungeprüft weitermelden. Das gehört zum Informationskrieg hinzu, nimmt jedoch alsbald lächerlich Züge an, wenn die Fakten der Technik und der Realität diese Meldungen ins Land der Phantasie verbannen. Eine sachliche Auseinandersetzung mit Daten und Zahlen statt dem Wiedergeben ukrainischer Propaganda ist und wäre in diesem Zusammenhang völlig ausreichend. Die etwa 80 % der ukrainischen Infrastruktur hat sich ja offensichtlich nicht selbst zerstört.

Der Luftkampf
Nun gehen wir zu den Flugzeugen über, natürlich im Hauptaugenmerk Eurofighter / F-35 gegen Suchoi. Hier wird den Journalisten zwar sehr fiel Faktisches in die Hand gegeben, nur wissen sie es nicht zu verwenden. (9 Minuten) Eystein Kvarving („Brigadier“ der norwegischen Armee) bringt es sachlich auf den Punkt: die überlegene Technik zählt. Besserer Radar und bessere Waffen sind ausschlaggebend. Justin Bronk (Britischer Militärexperte) schließt sich dem nahtlos an, erläutert, dass auch im heutigen Luftkampf das Ausmanövrieren von Abfangraketen noch höchste Priorität hat. Es gilt, den Gegner zuerst zu entdecken, mit den Raketen zu erfassen und zu bekämpfen. Nahkampf wie im 2. Weltkrieg wird es kaum noch geben. Dennoch ist es wichtig, anfliegenden Raketen mit Wendigkeit, Geschwindigkeit und Geschick auszuweichen.
Die Luftwaffe besitzt 138 Eurofighter, 38 sollen noch kommen, obgleich ohnehin alle nachgerüstet werden müssen; 30 Jahre nach dem Erstflug (1994) seien nun auch moderne Luft-Boden-Raketen verfügbar. Leistungsfähig, aber veraltet! Verwundbar!, so die Reporter.
Technische Anmerkung: All die nun genannten Flugzeugtypen auf beiden Seiten haben einen bestimmten Zweck, sei es der Luftüberlegenheits- und -überwachungsjäger (Eurofighter, Rafale, Gripen, F-16 bzw. Su-27, Mig-29, Mig-31, Su-35), der Jagdbomber (Tornado, F/A-18 bzw. Su-34) oder eine Rolle dazwischen, also Maschinen, die mehrere Funktionen gleichzeitig durchführen können (F-15 bzw. Su-30). Man kann sich über alle sehr schnell und einfach im Internet bis ins Detail informieren. Ein Vergleich des einen mit einem anderen Flugzeugtyp ist dahingehend nur bedingt sinnvoll, der Eurofighter ist mitnichten der direkte „Ersatz“ für den Tornado.
Die „neue“, gerne ins Feld geführte Tarnkappentechnologie (F-22, F-35 bzw. Su-57), kann durchaus von Vorteil sein, wenn man weit und unbemerkt ins gegnerische Gebiet einfliegen will. Dies ist insbesondere wichtig, um die gegnerische Flugabwehr daran zu hindern, den eigenen, wie auch immer gearteten Angriffe zu unterbinden, oder die Abwehr gar selbst zu bekämpfen. Spätestens beim direkten Angriff mit Waffen, sicher jedoch beim Rückflug, ist der Tarnkappeneffekt dahin, da das Heck der Maschine bei weitem nicht so gut getarnt ist – Triebwerke lassen sich nun einmal schlecht verstecken. Nach den ersten Erfahrungen aus dem Jugoslawien-Krieg, als ein aus den 1960gern stammendes, sowjetisches S-125-System eine F-117 der US-Luftwaffe abschoss (8), ist der Mythos der Tarnkappen mit Vorsicht zu genießen. Seit 2010 stehen mit der S-350 und der S-400 Luftabwehrsysteme (s.u.) in Russland im Dienst, deren Hauptmerkmal es ist, Tarnkappen-Jets und Marschflugkörper ausfindig zu machen und diese zielgenau zu bekämpfen. Zudem darf in solch einer Diskussion über den einen oder anderen Kampfjet nicht außer Acht gelassen werden, dass weder er allein ist, noch dass der Gegner nur eine Gegenmaßnahme verwendet, die zu beachten sei.(9)
Gehen die Amerikaner (13 mins), bräuchten unsere Eurofighter zur Unterstützung die Tornado ECR (10) der Luftwaffe. Das ist mal ein interessanter Einwurf, mit dem spannenden Nachsatz: „effektiv, aber eigentlich auch veraltet“. Nun, der letzte ECR wurde 1991 (!) in Dienst gestellt, 2020 waren von 365 Tornados noch 85 im Einsatz. „Eigentlich“ ist in diesem Zusammenhang eine leichte Untertreibung. Die „moderneren“ Eurofighter ECR könnten Abhilfe schaffen, sind für 2030 geplant, 35 Jahre (!) nach dem Erstflug des Eurofighters.
Ab der 15. Minute geht der Blick nach Osten. Und da würde man doch vermuten, dass sich das Autorenteam zumindest ansatzweise mit der Materie auseinandergesetzt hat. Aber fehlgedacht: „Die meisten der Maschinen sind veraltet …,“ heißt es da, „wie die Su-27, die vor allem ungelenkte Waffen verschießt und für den Bodeneinsatz geeignet ist.“
Wenn die Fachlektüre zu kompliziert ist, liebe Reporter, hätte ein kurzer Blick in Wikipedia genügt. So liegt der Gedanke nahe, dass man es nicht für nötig hielt, sich mit „dem Russen“ wirklich auseinanderzusetzen.
Technische Anmerkung: Wie bereits oben erwähnt, ist die Su-27 (11) ein Luftüberlegenheitsjäger, der zusammen mit der Mig-29 als Gegenstück zur F-15 und F-16 der USA entworfen wurde. Die F-16A, welche die Ukraine aus den Niederlanden bekommt, stammt aus der ersten Baureihe der frühen 1980ger. Die derzeit in Dienst stehenden Su-27SM wurden alle erst seit 2002 gebaut, was etwa dem Dienstantrittsalter der ersten Eurofighter der Luftwaffe entspricht. Ihre Bewaffnung entspricht gemäß der Aufgabenstellung der des Eurofighters, also dem Luftkampf, der Überwachung und der Abwehr von Marschflugkörpern. Dank der modernen Elektronik kann die Suchoi auch Luft-Boden-Waffen mit sich führen, dies ist aber nicht ihre Kernkompetenz. Ein Blick in die Bewaffnung der Su-27SM lässt die Behauptung über „ungelenkte Waffen“ geradezu dumm erscheinen. Man hofft eben darauf, dass der Zuschauer ahnungslos ist.
Randbemerkung: Die zeitgleich mit der Su-27 entwickelten und ebenso um 2000 auf den SM-Standard modernisierten, gut 200 Mig-29-Luftüberlegenheitsjäger unterschlägt der Beitrag gänzlich.
Die Qualität der im Folgenden genannten Su-34 ist es, „feindliches Radar aufspüren zu können“. Das ist ja immerhin etwas, wenn man vielleicht mal davon absieht, dass ihre eigentliche Kernkompetenz darin besteht, mit ihren 8 Tonnen Nutzlast an Lenkbomben und Marschflugkörpern jeglicher Art schwerste Angriffsoperationen durchzuführen und dies auch tagtäglich absolviert.
Technische Anmerkung: Die Su-34 (12)ist faktisch das Arbeitstier der russischen Luftstreitkräfte im Frontkrieg in der Ukraine, da sie es sind, welche den eigentlichen „Gamechanger“ in Stückzahlen von 1 (3 Tonnen) bis 4 (500 kg) einsetzen: die aus normalen Fallbomben mit Rüstsätzen modifizierten Gleitbomben (13 – Video), welche 20 bis 80 km von der Front entfernt abgeworfen und satellitengesteuert ins Ziel fliegen. Die Sprengkraft dieser normalen Bomben ist bei weitem höher als die von Raketenwerfern, vielen Marschflugkörpern und selbst einigen ballistischen Raketen. Sie sind in Unmengen vorhanden und der Umbau ist im Vergleich zu anderem Militärgerät extrem billig. Abgesehen davon ist die Su-34 mit Luft-Luft-Lenkwaffen zur eigenen Verteidigung ausgestattet.
Besondere Erwähnung: Es verwundert bei der rudimentären Herangehensweise wenig, dass ein in Fachkreisen international viral gegangenes Video den Journalisten augenscheinlich völlig entging. Denn es wurde das Gespräch einer Su-34-Besatzung mit der Bodenkontrolle von 2024 veröffentlicht, als diese während ihres Angriffs nördlich von Mariupol von gleich drei Patriot-Raketen anvisiert wurde. Trotz einer Startmasse von knapp 40 Tonnen (Eurofighter: 16 Tonnen) ist die Su-34 ein „Kind“ der Su-27 und somit vergleichsweise äußerst manövrierfähig.

Es gelang der Crew, allen Patriots (die nach ukrainischen Angaben bereits „viele Kinzhals abgeschossen haben sollen“) auszuweichen. Die Darlegung dieses Vorfalls, den russische Piloten als nahezu tägliche Kampferfahrung bezeichnen, kann man sich hier von einem US-Veteranen erläutern lassen, wenngleich auf Englisch.
https://www.youtube.com/watch?v=YfNU1dR2kAw&t=434s
Die Dokumentation schließt die Auflistung der russischen Jets mit der Su-35. Diese ist immerhin „leistungsfähig gegen elektronische Störsender und im Bodeneinsatz“, obgleich auch sie als Ablösung für die Su-27 ein Luftüberlegenheitsjäger ist. Was man wüsste, hätte man zumindest Wikipedia gelesen. Der britische Experte Justin Bronk nennt freundlicherweise die Su-30SM in seiner Analyse auch noch, die unsere Reportage unterschlug, bezeichnet beide als hochmoderne Kampfjets. Nachteilig sei, dass sie keine Tarnkappenkapazität hätten, allerdings viele Waffen tragen können und extrem schnell und wendig sind.
Technische Anmerkung: Es ist nicht die Kernkompetenz von Luftüberlegenheitsjägern, unauffindbar zu sein, also ein vernachlässigbares Kriterium. Greift man eine Su-30SM oder Su-35 (14)) an, können sie Raketen aufgrund ihrer extremen Manövrierfähigkeit gut ausweichen, besitzen zudem moderne Gegenmittel. Ihre Rolle ist es, den Luftraum zu überwachen und bereits weit entfernte gegnerische Flugzeuge und Marschflugkörper aufzuspüren und zu bekämpfen. Und genau diese Rolle ist es, in der diese beiden Suchois und die ebenfalls ungenannte Mig-31 aufgrund des Irbis-E-Radarsystems hervorragende Dienste leisten.(15) Mittels modernster Infrarotsensoren werden selbst getarnte Flugzeuge aufspürbar, da sie ihre Wärmesignatur weitaus schlechter verbergen können, als ihr Radarbild.(16)
Ihre Faktenferne beweisen die Journalisten sogleich, indem sie auf den Kommentar von Herrn Bronk, dass Russland hunderte R37M-Raketen eingesetzt habe, Bilder von zerstörten Gebäuden zeigen. (16.30 mins) Warum eine Reportage über Technik produzieren, sich aber nicht um einfachste, rudimentäre Fakten kümmern? Das Narrativ bedienen die anderen Kollegen doch schon zur Genüge?
Technische Anmerkung: Die genannte R-37M ist eine seit 2018 eingesetzte Luft-Luft-Rakete großer Reichweite, welche extrem schnell losfliegt (Mach 6), dann zunächst gleitet und erst im Zielgebiet ein zweites Triebwerk aktiviert und dort somit äußerst agil ist.(17) Der Einsatz dieser und ähnlicher Raketen sorgte dafür, dass die ukrainische Luftwaffe nach wenigen Monaten faktisch ausgeschaltet war, und auch dieser Tage jeder Flug einem Himmelfahrtskommando gleicht. Es gibt in allen vier Sektoren der Frontlinie eine ständige Luftüberwachung durch Su-30SM und Su-35, weshalb auch die nun gelieferten, 40 Jahre alten F-16 keine nennenswerte Änderung bringen. Sie jagen tief im Hinterland mit ihren vergleichsweise schwachen Radarsystemen einfliegende Drohnen.(18) Der moderne Luftkampf wird durch die besseren Radargeräte und bessere Waffen gewonnen. So konnten NATO und USA, aber auch Israel im Nahen Osten, bislang nahezu ungestört agieren, ihre Gegner dort sind technisch Jahrzehnte im Rückstand. Der geneigte Leser kann gerne die Quellen zu den einzelnen modernen Geräten und Systemen auf beiden Seiten vergleichen, um sich ein eigenes Bild der momentanen Situation zu machen.
Die Dokumentation folgte dem gut ausgetretenen Pfad, spricht im Vergleich zu Russland von moderneren und besser ausgerüsteten westlichen Luftstreitkräften. Obgleich sie ein ums andere Mal selbst betont, wie alt zum Beispiel der Eurofighter und dessen Technik sei, den Rentner Tornado ECR ins Spiel bringt und die eingesetzte Waffentechnik schlichtweg ignoriert.
Die Luftverteidigung
Ein wichtiger Punkt sei auch die Luftverteidigung, in der sich Deutschland auf die Patriot stützt, zu der oben schon einige Worte gesagt wurden. Experte hier ist Timur Kadyshev (18 mins), der seine Forschungskarriere am renommierten (US-amerikanischen) MIT begann. Er weist richtigerweise darauf hin, dass eine flächendeckende Luftverteidigung mit den genannten 9 Patriot-Systemen schlichtweg nicht möglich sei. Die Frage, ob sie überhaupt notwendig ist, stellen sich weder die Reporter noch der Experte. Denn wenn es in einer Stadt keine militärisch relevanten Ziele gibt, ist ihr Schutz rein faktisch gesehen nicht notwendig. Die Zeit, in der tausende Bomber im reinen Terrorkrieg ganze Städte einebneten – Bomber von denen nicht ein einziger einen roten Stern auf der Tragfläche trug – ist längst vorbei. Trotz all der emotionsgeladenen, doch nahezu gänzlich faktenfreien Berichte über das Leid der Ukrainer, zielen russische Angriffe nahezu ausnahmslos auf militärische Ziele und solche ab, die kritische Infrastruktur betreffen.

Dass infolgedessen durch die Zerstörung des Stromnetzes auch die Zivilbevölkerung betroffen ist, mag hierzulande in der Polit- und Medienlandschaft Wellen der Empörung hervorrufen. Doch steht außer Frage, dass Russland auch jede, weit von der Front entfernte Stadt der Ukraine in wenigen Tagen in ein neues Gaza verwandeln könnte. Einem Gaza, in dessen Ruinenlandschaft Israel allein 2.000 Kinder mehr getötet hat (14.500), als nachweislich Zivilisten im ganzen Ukrainekonflikt auf beiden Seiten ums Leben kamen. (12.605) Bis zur Einnahme der östlichsten, schwer ausgebauten Städte der Ukraine, wurden nämlich von dort aus weiter auf zivile Ziele in Donezk-Stadt und andere Ortschaften geschossen – weitestgehend unbeachtet von westlichen Medien.
Die Aufzählung setzt sich mit deutschen Iris-T-Systemen und dem israelischen Iron Dome und Arrow fort, Systeme, die vom Bundestag zwecks Anschaffung diskutiert wurden.
Technische Anmerkung: Die Reportage erklärt dem Zuschauer erneut einige Waffensysteme, welche, wie bei den Flugzeugen oben, im Regelfall einen bestimmten Zweck erfüllen: Abfangen von Kurzstreckenwaffen, von Marschflugkörpern und/oder Flugzeugen, ballistischen oder gar Kontinentalraketen. Ein einzelnes Modell für all diese Aufgaben ist weder praktikabel, noch in einem preislich vertretbaren Rahmen herstellbar. Die genannten Patriots dienen z.B. der Abwehr von Flugzeugen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen. Man schießt keine 1 Million Dollar Patriot auf eine Kurzstreckenrakete, wie sie die Hisbollah verwendet, oder eine Shahed-/Geran-Drohne für Euro 25.000. Für gewöhnlich besteht die Luftabwehr aus einer Kombination verschiedener Raketensysteme, welche von Abfangjägern, Aufklärungsflugzeugen, Radarstationen und Satellitenüberwachung unterstützt werden. Da Deutschland sich 30 Jahre keiner „Bedrohung“ gegenübersah, war (und ist) die Notwendigkeit einer solch umfassenden Luftabwehr nicht gegeben und wäre durch keinen Bundestag genehmigt worden. Selbst Israel, trotz seiner geringeren Größe und beachtlichen militärischen Streitmacht, konnte dem iranischen Angriff im letzten Jahr, der einzig militärische Ziele traf, nur wenig entgegensetzen.(20) Bringt man Luftabwehrsystem zu nahe an die Frontlinie, werden sie oftmals von Aufklärungsdrohnen erkannt, welche das Gebiet 24 Stunden am Tag überwachen. Dann werden teure Patriot- und IRIS-T-Systeme schnell Opfer von gezielten Angriffen mit Iskander-Raketen oder auch Lancet-Drohnen, deren Existenz uns beide Reportagen unterschlugen. Unten fällt ein IRIS-T-System, welches die Bundeswehr noch gar nicht besitzt, einem solchen Angriff zum Opfer.
https://www.youtube.com/watch?v=aueH4Q3UDn4
(Quelle: Hindustan Times – Youtube)
Auf russischer Seite wählt die Reportage als potenzielle Angriffswaffen die ballistischen Iskander-Raketen und die Kalibr-Marschflugkörper (21), bevor man zu einer Erklärung über US-Cruise Missiles der Marke Tomahawk übergeht. (26 mins) Was folgt, ist das übliche Auflisten der Vorzüge und Spezifikationen (ohne den Hinweis auf die Nuklearfähigkeit) der Tomahawk, welche die Russen (natürlich) ihrerseits mit der Stationierung von Nuklearwaffen beantworten werden. Wie anders als mit Nuklearwaffen soll Russland auf die potenzielle Bedrohung durch Nuklearwaffen reagieren? Solch ein Gedanke kommt weder dem Reporter noch dem dazu befragten Experten.
Anschließend wird es wieder interessanter, weil doch ausnahmsweise zukunftsorientiert: die russische Zirkon! (27 mins) Leider entschwindet hier auch der Experte Kadyshev ins Reich der Spekulation und Bagatellisierung, denn es ist über den Antrieb und die Funktionsweise der Zirkon nahezu nichts bekannt, er verwechselt sie zudem mit dem Avangard-System. Denn es ist dieses, welches einen Gleitflugörper benutzt, wie der Experte es erläutert. Das Video unten erklärt sachlich die Funktionsweisen der Rakete und schickt die Behauptung, dass Zirkon – oder eben Avangard – leicht zu bekämpfen seien, ins Reich haltloser Spekulationen.
Technische Anmerkung: Die Zirkon ist dazu gedacht, große und schwere Schiffe zu attackieren, in erster Linie Flugzeugträger. Ihre Flughöhe und große Geschwindigkeit macht sie für eine Luftabwehr nahezu unangreifbar, nur für bewegliche Ziele bräuchte sie im Anflug zum Ausrichten gegebenenfalls eine niedrigere Geschwindigkeit (hier Mach 5-6). Kommandostellen, Munitionslager und Führungsbunker weichen im Regelfall eher selten aus. Da sie ihre Flugbahn im Anflug dennoch immer wieder ändern kann, ist eine Bestimmbarkeit des eigentlichen Zieles kaum vorzunehmen, was eine Abwehr selbst mit modernsten Systemen recht schwierig gestaltet. Ein kurzes Studium der bekannten Fakten und Analysen hätte hier Aufklärung gebracht.(22) Letztlich wird sich erst nach dem Ukraine-Krieg zeigen, welche Auswirkungen die bislang gegen Bunker eingesetzten Kinzhals und Zirkons hinterlassen haben, denn der Nebel des Krieges liegt schwer über jeder verifizierbaren Information.
https://www.youtube.com/watch?v=Pd0pBFfSAtc
Russische Hyperschallwaffen – eine Übersicht
Zum Ende hin zurück zu den (wirklich) modernen Jets, der F-35 und Su-57. (31 mins) Der nette Seitenhieb über den Absturz einer Suchoi kann nur zum Schmunzeln anregen, widmet doch die englische Wikipedia-Seite den Vorkommnissen mit der F-35 gleich eine eigene Seite.(23) Danach eine kurze Anmerkung über eines der (vielen) Abwehrsysteme der Su-57 und den üblichen, dem Narrativ geschuldeten Kommentar, dass die Produktion aber wegen der westlichen Sanktionen stoppt. Dass dies eine leere Behauptung ist, zeigt der Fakt, dass in regelmäßigen Abständen neue Maschinen paarweise ausgeliefert werden, in diesem Jahr soll das erste Regiment vollzählig mit 24 Maschinen bestückt sein.(24)
Technische Anmerkung: Mit Herstellungskosten von 31 Millionen Euro in der Anschaffung ist die Su-57vergleichsweise ein Leichtgewicht unter den modernen Kampfjets, zudem werden von diesem Typ auch nicht viele Maschinen benötigt. Sie dienen der Luftraumüberwachung, der Koordination mit und Zielzuweisung für andere Flugzeuge, dem Leiten von Angriffsdrohnen und der Bekämpfung von speziellen Zielen, wie beispielsweise Luftabwehrsystemen, mittels moderner Marschflugkörper wie der Ch-59MK2/Meh.
Der Stückpreis einer F-35 liegt zwischen 121 Millionen (für die USA) und 285 Millionen (35 deutsche F-35 für 10 Milliarden). Eine F-22 kostet den amerikanischen Steuerzahler 175 Millionen Euro.
Nun folgt ein Abgesang auf die F-35 und gut sechs Minuten Analyse zum Thema Krieg der Zukunft! Ein später Anfang. (37 mins)
Technische Anmerkung: Im März 2022 beschloss die Bundesregierung den Kauf von 35 F-35A (seit 2015 im Dienst der US-Luftwaffen), welche zum Teil in Deutschland gebaut werden sollen. (25)Die ersten F-35 sollen 2027 in Dienst gestellt werden, zu einem Zeitpunkt, an dem die US-Navy-Luftwaffe bereits die zuerst ausgelieferten F-35 wieder einmottet.(26)Der Aktionismus der Bundesregierung erstaunt, denn, wie auch in der Reportage angedeutet, ist die F-35 nicht nur extrem teuer in Anschaffung und Unterhalt, sie ist auch in Teilen veraltet und sehr störanfällig. Braucht Deutschland, mit Blick auf die Zukunft und nahe Vergangenheit und umgeben von befreundeten NATO-Staaten ein Mehrzweckkampflugzeug mit Tarnkappenfunktion, welches vorrangig die Rolle als Jagdbomber und Eindringling erfüllen soll? Bis 2022 hatten die amerikanischen Streitkräfte 750 F-35 erhalten, von denen 2023 etwa 450 auch aktiv waren. Der Rechnungshof der US-Regierung stellte 2023 fest (27), dass von diesen auch nur 55 % einsatzbereit seien. Ob Elektronik, Triebwerke oder Software, überall hakte und hakt es, sowohl in der Produktion, dem Verschleiß und insbesondere dem Nachschub.(28) Und das zu Friedenszeiten!

Das große Plus der F-35 soll sein, dass sie vergleichsweise unbemerkt fliegen und überraschend angreifen kann. Das funktioniert in der Theorie, und mitunter sogar in der Praxis. Jedenfalls dann, wenn Israels F-35 praktisch ohne Gegenwehr über dem Libanon und Syrien fliegen können. Wie sieht das aber bei Gegnern aus, die über eine moderne Luftabwehr verfügen, wie etwa unser potenzieller Gegner? Die Analysten von MetaDefense haben sich mit den Fakten der russischen S-400 und den F-35 auseinandergesetzt und diese geprüft. Sollten Letztere versuchen, eine S-400-Stellung anzugreifen, würden sie von dieser spätestens in 50 bis 100 km Entfernung erkannt und vergleichsweise verlässlich bekämpft.(29)
Die oben angesprochenen Su-30SM und Su-35, wie auch die Mig-31, sind ob des Irbis-E-Systems ebenfalls in der Lage, Tarnkappenflugzeuge aufzuspüren und mit diversen Lenkwaffen sicher zu bekämpfen. Und dies wären erneut wieder nur Teile eines komplexen Systems der Luftraumüberwachung und Luftabwehr. Von den sich im aktiven Dienst befindlichen, modernisierten S-300W4 und den neuen S-350, Buk-M3, Tunguska-, Panzir- oder Tor-Systemen erfährt der Zuschauer nichts, obgleich allein ein Blick in Wikipedia schon geholfen hätte. Gerade die letztgenannten sind in der Bekämpfung der westlichen ATACMs, HIMARS, Scalp und Storm Shadows höchst erfolgreich, wie man schnell auch aus den vergleichsweise wenigen Erfolgsmeldungen der letzten 2 Jahre schließen kann.
Die Reportage, die uns sehr wenig über den Krieg der Zukunft offenbart, erklärt uns, dass Russland verglichen mit der NATO weniger als ein Viertel an Kampfjets besitzt. Ob man bei dieser Zählung gleich die gesamte US-Luftstreitmacht mit einberechnet hat, die mitnichten in Europa stationiert oder eingesetzt werden würde? Zahlen auf dem Papier sind nur dann von Wert, wenn das dort Niedergeschriebene auch einsatzbereit ist und fliegt. Ein Blick hinter den Vorhang, den man sich auch von den Reportern gewünscht hätte, zeigt jedoch, dass wir in Europa weder nur von „modernen“ Kampfjets sprechen können, noch dass diese auch wirklich einsatzbereit sind. 2017 wurde berichtet, dass von den damals 128 Eurofightern nur 39 auch wirklich flugbereit gewesen seien, mitunter auch nur 4.(30) Zudem fehlten 2019 fast 50 % an Piloten, damit überhaupt die Sollstärke erreicht würde.(31) Und von diesen haben im selben Jahr nur 58 % die NATO-Anforderungen an Kampfpiloten erfüllt (32), weil sie zu selten in der Luft sind. (33). Die geforderten 15 Flugstunden im Monat sind aber nicht nur für die Luftwaffe ein Problem. Selbst in den USA liegt der Durchschnitt darunter (34), wir leben eben in Friedenszeiten und haben zu teure Flugzeuge. Wie sollen sich Piloten so auf den aktiven, täglichen Luftkrieg vorbereiten bzw. dafür bereit sein? Wenn der potenzielle Gegner, situationsbedingt, nahezu täglich im Cockpit sitzt und somit auch an Erfahrung sammelt?
Sollte sich Deutschland da nicht besser auf umfassende Flugsimulatorenentwicklung und -bereitstellung konzentrieren?
Wurden die zu Beginn gestellten Fragen der Reporter beantwortet?
Wie gut ist die NATO vorbereitet? hieß es da. Tritt man einen Schritt zurück und schaut sich die vorgebrachten Daten und Fakten an, haben viele NATO-Staaten durchaus moderne Kampfsysteme im Einsatz. Inwieweit diese auch wirklich einsatzfähig sind, lässt sich nur schwer sagen. Nicht zuletzt in einem Konflikt der hohen Intensität, in welchem täglich Nachschub gebraucht wird, die Logistik also koordiniert und zeitnah stehen muss. Über Monate. Das Personal muss in allen Bereichen vorhanden und gegebenenfalls auch ersetzbar sein, vom Ausbildungs- und Erfahrungsstand ganz abgesehen.
Ist eine wirkliche Koordination aller Teilstreitkräfte in den jeweiligen Ländern gegeben, unter den teils sehr verschiedenen Kampfsystemen auf jeder Ebene? Und das auch noch nach einigen Wochen, in welchen es auf allen Kommando- und Einsatzebenen mit Sicherheit Verluste geben wird. Wie tief in den jeweiligen Strukturen verfügt die NATO über solch einfache Dinge wie eine gemeinsame Sprache? Jenseits der Führungs- und Kommandoebene? Beim „Gegner“ wäre das kein Problem. Doch diese Fragen stellten sich offensichtlich in beiden Reportagen nicht.
Ein Studium der Quellen, bei gleichzeitigem Ignorieren des üblichen westlichen Narrativs, dürfte ein ziemlich düsteres Bild über den Ist-Zustand der NATO zeichnen. Die Rüstungsindustrie wird das sicher freuen, den Steuerzahler jedoch bedenklich stimmen. Nicht zuletzt, da Jahr für Jahr hunderte Millionen für das Militär ausgegeben wurden und werden. Die Frage ist natürlich, ob wir gerade jetzt eine eigene Armee brauchen, die uns vor all denen schützen soll, denen es bisher nicht in den Sinn gekommen ist, uns anzugreifen? Denn ungeachtet des seit 1949 indoktrinierten Mantras der Gefahr aus dem Osten, respektive der nahezu naiv-kindlichen Behauptung von „Putins imperialen Plänen“, wird Russland Europa nicht 2029 oder in absehbarer Zeit später angreifen. Denn die sehr simple Frage nach dem Warum wird gar nicht erst gestellt. Und selbst wenn Russland einen Grund fände, „den Westen“ anzugreifen, wäre es rein logistisch nicht in der Lage dazu. Die Frontlinie in der Ukraine hat eine Länge von knapp 1.000 km. Dort wird nicht nur gekämpft, sondern dort muss auch Nachschub in jedweder Form hingebracht werden, die medizinische Versorgung stehen etc. pp.. In dem begrenzten Konflikt in der Ukraine geht das, zumal der russische Nachschub kaum gestört ist. Zudem ist auf Russlands Seite ungeachtet der steten westlichen Propaganda alles auf minimale Verluste auf militärischer wie ziviler Seite eingestellt. Auch wenn unsere Militäranalysten – übrigens dieselben, welche uns vor einer drohenden russischen Invasion warnen – stets von der Unfähigkeit der russischen Streitkräfte berichten, vergessen sie zu sagen, dass Russland diesen Krieg mit angezogener Handbremse führt. Diese Zurückhaltung dürfte bei Staaten und Völkern ohne eine gemeinsame Geschichte mit Russland respektive der Sowjetunion eher nicht zum Tragen kommen. Nicht zuletzt, wenn diese sich gegenüber Russland seit 3 Jahren aktiv feindlich verhalten haben.
Die beiden anderen Fragen hinsichtlich der Luftabwehr und den Hyperschallwaffen wurden rudimentär beantwortet, zukunftsweisend allerdings nicht. Gerade bei der Luftverteidigung hätte man die derzeitige Lage in der Ukraine durchaus einbringen können. Denn Russland zeigt hier eine sehr effektive Art der Kriegführung: nahezu täglich fliegen Dutzende Geran-Drohnen Angriffe auf die Infrastruktur und nicht zuletzt die Luftabwehrsysteme. Der Luftraum wird dadurch mit Radarsignalen ähnlich wie beim Angriff des Iran auf Israel gesättigt, sodass die Patriots, Iris-T und S-300 der Ukrainer die nebenher einfliegenden Marschflugkörper und ballistischen Raketen wenn überhaupt, dann nur schlecht ins Visier nehmen können. Tun sie es dennoch, wird so ihre Position offenbar und Kinzhal-Raketen greifen die Luftabwehr selbst gezielt an.
Ebenso zum Krieg der Zukunft gehört das Stören von GPS-Signalen, von welchen die Funktion vieler moderner Waffensysteme und ihrer Zielgenauigkeit abhängt. So soll Russland, welches statt GPS das eigene GLONASS nutzt, im Juli letzten Jahres unbestätigten Angaben zufolge die GPS-Signale im Baltikum gestört haben. Viele zivile wie auch militärische Systeme wären nahezu blind und müssten sich auf Verfahren zur Orientierung verlassen, welche die meisten in einem relevanten Umfang kaum bewerkstelligen können.

Diese Art der elektronischen Kriegführung wird einen großen Stellenwert im Krieg der Zukunft einnehmen, etwas, das kaum angesprochen wurde.
So bleibt zu konstatieren, dass diese Doppelreportage zum Thema „Krieg der Zukunft“ zwar bemüht war, doch über ein sehr überschaubares, oberflächliches Niveau nicht hinauskommt. Obgleich man viele Experten befragt hat und auch nette Animationen zur Verfügung hatte, fehlte eine über das übliche Narrativ „Russlands Technik ist alt oder quantitativ unterlegen“ hinausgehende Analyse von Fakten, die in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Stattdessen lamentiert man irritierenderweise zum einen über das Alter der Eurofighter, aber führt zum anderen die Probleme mit den „neuen“ F-35 auf. Wie können westliche Systeme den russischen Gegenstücken überlegen sein, wenn sie eigentlich alt und problembehaftet sind? Man erhält den Eindruck, jemand hat wie ein Lehrer eine Vorgabe gemacht, wie diese Präsentation zu gestalten sei, und daran wurde sich akribisch gehalten. Dabei hätten drei oder vier Stunden Studium der nahezu zahllosen Quellen und eine sachliche Einarbeitung dieser in die Reportage einen wirklich interessanten Status quo der NATO und Russlands zeichnen können. War aber offensichtlich nicht gewünscht, weshalb man hier lediglich ein weiteres, dem Narrativ folgendes Stückwerk mit ausgewählten technischen Schmankerln geliefert bekommt.
CM
Quellenangaben:
(1) Flightradar 24 – https://www.flightradar24.com/57.90,24.52/6
(2) Air and Space Force Magazine – https://www.airandspaceforces.com/usaf-b-52-bombers-baltics-near-russian-territory/
„According to publicly available flight tracking data, at one point, the B-52s flew roughly a few dozen kilometers from Russian territory in Kaliningrad, a Russian exclave between Lithuania and Poland, and flew around the territory again on the way back to the U.K. The B-52s circled over Lithuania and also flew through Dutch, German, and Polish airspace.“
(3) Kinzhal – Wikipedia (Deutsch) https://de.wikipedia.org/wiki/Ch-47M2_Kinschal bzw. (Englisch) https://en.wikipedia.org/wiki/Kh-47M2_Kinzhal
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass bei ersten Hintergrundrecherchen zur Militärtechnik ein Studium der deutsch- und englischsprachigen Wikipedia notwendig ist, da sie oft Informationen beinhalten, die nicht auf beiden Seiten verarbeitet wurden. Generell ist die deutsche Wikipedia bei dem vorliegenden Thema gerade in den „Einsatz“-Abschnitten vom politischen Narrativ eingefärbt. Der interessierte Leser sollte sich daher auf die technischen Details und Parameter verlassen und diese miteinander abgleichen. Gleiches gilt mit den Parametern, welche auf den Seiten für westliche Technik angegeben werden. Durch diesen Abgleich erhält man schnell einen Überblick über die Fähigkeiten der Systeme an sich und im Vergleich zu dem jeweiligen Gegenüber.
(4) Patriot vs Scud – https://wissenschaft-und-frieden.de/artikel/patriot-gegen-scud-scheingefechte-im-lichte-der-medien/
(5) Israel schickt Patriots in den Ruhestand (Englisch) – https://breakingdefense.com/2024/05/israel-retires-patriot-air-defenses-as-native-air-defense-systems-step-up/
(6) Dashcam Video (Reuters) einer herabfallenden Luftabwehr-Rakete – https://www.youtube.com/watch?v=fHh3kkQ6CC0

(7) Zircon – Debunking misconceptions (Englisch) – https://simplicius76.substack.com/p/3m22-zircon-debunking-misconceptions
(8) F-117 von S-125 abgeschossen – National Interest (Englisch) https://nationalinterest.org/blog/reboot/f-117-stealth-fighter-how-symbol-us-air-power-was-shot-down-209642
S-125M Neva – Wikipedia (Englisch) https://en.wikipedia.org/wiki/S-125_Neva/Pechora
(9) Stealth is no longer relevant – Schwedischer Test- und Militärpilot zum Thema überbewertete Tarnkappenfunktion (Englisch) – https://www.youtube.com/watch?v=ffGQLnlXks4
(10) Tornado ECR auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Panavia_Tornado#Tornado_ECR
(11) Su-27 auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Suchoi_Su-27
(12) Su-34 auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Suchoi_Su-34
(13) Gleitbomben, erklärt vom Wall Street Journal (Englisch) – https://www.youtube.com/watch?v=7ZknurbdEkE
(14) Su-30 auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Suchoi_Su-30
Su-35 auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Suchoi_Su-35
(Links zu den jeweiligen englischsprachigen Seiten finden sich dort)
(15) Irbis-E-Radarsystem beim Military Watch Magazine (Englisch) – https://militarywatchmagazine.com/article/why-russia-s-air-force-loves-the-su-35-s-irbis-e-radar-a-detailed-look-at-the-sensor-suite-built-to-hunt-stealth-fighters
Irbis-E auf Wikipedia (Englisch) – https://en.wikipedia.org/wiki/Irbis-E
(16) Military Watch Magazine zur Jagd auf Tarnkappenjets mittels Infrarotsensoren (Englisch) – https://militarywatchmagazine.com/article/su35-fourth-sensor-irst-hunt-stealth
(17) R-37M – Luft-Luftrakete auf Military Watch Magazine (Englisch) – https://militarywatchmagazine.com/article/longest-ranged-aam-performs-ukraine-su57
Hier wird auch erwähnt, dass eine Su-57 mit einer R37M eine ukrainische Su-27 auf eine Entfernung von 217 km abschoss.
R37M auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Wympel_R-37
(18) F-16 vs Geran Video auf Bulgarianmilitary (Englisch) – https://bulgarianmilitary.com/2024/09/12/miracle-didnt-happen-watch-f-16-kills-shahed-136-with-m61-fire/
(19) Anzahl der getöteten Kinder im aktuellen Gaza-Konflikt (Englisch) – https://onu.delegfrance.org/the-conflict-in-gaza-has-been-particularly-deadly-for-palestinian-children
Statista – Zivile Opfer in der Ukraine (Englisch) – https://www.statista.com/statistics/1296924/ukraine-war-casualties-daily/
Statista – Zivile Opfer in Gaza (Englisch) – https://www.statista.com/statistics/1422308/palestinian-territories-israel-number-fatalities-and-injuries-caused-by-the-israel-and-hamas-war/
UN Gaza: Number of children killed higher than from four years of world conflict
https://news.un.org/en/story/2024/03/1147512
(20) The Sunday and Times – Youtube-Video, Iran setzte hunderte Drohnen ein, welche die Luftverdeitigung „sättigten“ und so den Weg für die 200 ballistischen Raketen „frei machten“ – https://www.youtube.com/watch?v=B9sxCZhIdVw
https://www.youtube.com/watch?v=DpFo5sdQq60
Allein im Februar 2025 setzte Russland tausende Drohnen gegen die Streitkräfte de Ukraine ein:
February 2025 became a record month for the number of drones used:
Russia used 3,097 units of „Geraniums“, „Gerberas“ and „Parodiya“
The number of FPV drones used, also reached a record and amounted to more than 17 thousand strikes per month.
On one of the days, a daily record was set: more than 1,150 FPV drones used.
Lancets, also updated their record in February with more than 200 uses.
https://t.me/c/1884414652/38326
Es sei hier angemerkt, dass Russland ja unter den Sanktionen leide und so der Nachschub an westlicher Elektronik etc. fehle. Dennoch werden ständig Suchois geliefert, werden gut ein Dutzend Iskander pro Woche eingesetzt und wie oben zu lesen (und auch im Internet leicht verifizierbar) tausende Drohnen verwendet. Mit und ohne westliche Bauteile. Die Welt in den 2020gern ist ein globaler Markt und beispielsweise China einer der größten Produzenten in Sachen Elektronik. Sollte man einmal drüber nachdenken.
(21) Sky News – Anflug und Einschlag einer Kalibr im Kraftwerk von Dnipro – https://www.youtube.com/shorts/uNtvSkL8dvU
(22) Simplicius – 3M22 Zirkon – Debunking the misconceptions (Englisch) – https://simplicius76.substack.com/p/3m22-zircon-debunking-misconceptions
Zirkon auf Wikipedia (Englisch) – https://en.wikipedia.org/wiki/3M22_Zircon
(23) F-35-Vorfälle auf Wikipedia (Englisch) – https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_accidents_and_incidents_involving_the_Lockheed_Martin_F-35_Lightning_II
(24) Su-57 auf Wikipedia (Englisch) – https://en.wikipedia.org/wiki/Sukhoi_Su-57
Su-57 auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Suchoi_Su-57
Marschflügkörper Ch-59MK2/Meh auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Ch-59M
(25) F-35 auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Lockheed_Martin_F-35#Deutschland
(26) Navy mottet F-35 bereits ein – The Warzone (Englisch) – https://www.twz.com/43722/750-f-35s-now-delivered-navy-to-put-some-of-its-oldest-test-models-into-storage
(27) GAO – US-Rechnungshof – https://www.gao.gov/products/gao-23-106217
(28) Ersatzteilprobleme der F-35 auf The Warzone (Englisch) – https://www.twz.com/how-the-f-35s-lack-of-spare-parts-became-as-big-a-threat-as-enemy-missiles
(29) MetaDefense analysiert:F-35A vs S-400 Triumf: a quick analysis on open source data – https://meta-defense.fr/en/2024/09/03/f-35a-vs-s-400-rcs-detection/
(30) Tagesspiegel: 4 von 128 Eurofightern einsatzbereit – https://www.tagesspiegel.de/politik/nur-vier-von-128-eurofighter-kampfjets-einsatzbereit-5521048.html
(31) Business Insider: die Piloten fehlen – https://www.businessinsider.de/wirtschaft/eurofighter-piloten-warum-der-bundeswehr-der-nachwuchs-ausgeht-2019-8/
(32) Nur 58 Prozent einsatzbereit: Augen geradeaus – https://augengeradeaus.net/2019/08/58-prozent-der-bundeswehrpiloten-nach-nato-massstaeben-einsatzbereit/
(33) Bild: 42 % zu selten in der Luft – https://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/weil-flugzeuge-fehlen-42-prozent-der-bundeswehr-piloten-zu-selten-in-der-luft-63758498.bild.html
(34) US-Piloten fliegen zu selten: Air Defence Forces (Englisch) – https://www.airandspaceforces.com/air-force-flying-hours-decline-again-after-brief-recovery/
Zuguterletzt noch ein wenig Unterhaltung zum Thema des modernen Luftkampfes. Man kann es auf Videos bei Flugshows vor dem Hintergrund des Himmels nicht gut erkennen, doch in diesem Beispiel demonstriert Longshot, einer der bekanntesten Videospieler auf dem Gebiet des Digital Combat Simulators, die in der Su-30SM, Su-35 und Su-57 eingebaute 3D-Schubvektor-Steuerung (Thrust Vectoring). Sie lässt diese (vergleichsweise schweren) Maschinen nahezu wie Raumschiffe auf der Stelle wenden. Die Suchois sind die einzigen im Einsatz befindlichen Kampfflugzeuge, welche derzeit über diese Technik verfügen.
Es wird solche Nahkämpfe nahezu niemals geben, ungeachtet von Hollywood-Blockbustern wie Top Gun, doch die Steuerung hilft den Suchois, anfliegenden Raketen sehr gut auszuweichen. Im vorliegenden Video, einem von vielen, hilft sie dem Piloten, das Ziel so gut wie nie aus den Augen zu verlieren. Demonstriert wird ein Nahkampf zwischen einer Su-30SM und dem Eurofighter.
https://www.youtube.com/watch?v=1vsPeX3M-fE
Quelle: NEW SU-30 Flanker VS Eurofighter Typhoon | DCS World – Longshot
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