Der BREXIT nimmt Fahrt auf
Der BREXIT nimmt Fahrt auf
Der britische Exit (Austritt) aus der EU entscheidet sich in einem britischen Referendum am 23. Juni 2016. Der Premier Cameron war vor kurzem in Brüssel, um sich von der EU-Spitze ein Leckerli („substantielle Zugeständnisse“) abzuholen, das er seinen Landsleuten präsentieren könnte, um im Referendum für einen Verbleib in der EU zu stimmen. Leider bekam er in Brüssel nur Quark.
Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als vor vier Wochen in der RT-Sendung „Sputnik“ (Gastgeber George Galloway) der Vorsitzende von UKIP, Nigel Farage, zu Gast war. Hund und Katze in einer Sendung?
UKIP (United Kingdom Independence Party) und Nigel Farage ist es zu verdanken, dass das Referendum überhaupt stattfindet. Farage sitzt seit vielen Jahren im Europaparlament und wettert gegen die EU und trommelt für einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Dabei stellt er die führenden Figuren des EU-Systems bloß. (Auf Youtube gibt es zahlreiche Perlen. Eine davon ist seine Frage im Europäischen Parlament an den Vorgänger von Donald Tusk, Herman van Rompuy: „Wer sind Sie?! Wer hat Sie gewählt?!“)
Der Gastgeber von „Sputnik“ ist George Galloway, ein von der Labour Partei unter Tony Blair („New Labour“) verstoßener langjähriger Parlamentsabgeordneter (Anlass war die strikte Gegnerschaft Galloways gegen Blairs Krieg im Irak). Ein Mann der alten Labour-Garde, Gewerkschafter, Antifaschist, Antikriegs-Aktivist, Antirassist und – seit kurzer Zeit – Anti-EU.
Nun muss man wissen, dass UKIP eine zwiespältige Angelegenheit ist. Einerseits marktliberal und mit einer „Friends of Israel“-Fraktion. Andererseits gegen das EU-Projekt als solches und kritisch gegenüber den britischen Auslandseinsätzen. Für Einwanderungsquoten und ein australisches Punktesystem.
In dieser 25 minütigen Unterhaltung haben die Beiden sämtliche Differenzen beiseite gelassen und unterhalten sich ausschließlich über die EU und das Referendum. Und sie sind sich einig, dass am 23. Juni die Briten für einen Austritt aus der EU votieren werden. Ich war verblüfft. Kann sich hier jemand vorstellen, dass sich Frau Petry und Frau Kipping auch nur zwei Minuten unterhalten, ohne dass es zu einer Konfrontation kommt? Ist auch kein Wunder, denn von keiner habe ich je die Forderung nach einem EU-Austritt gehört.
Aber es wird noch besser: Jetzt gibt es eine Sammelbewegung (Grassroots out – GO!), in der sich die eben erwähnte UKIP, Abgeordnete der Labour Partei und der Konservativen zusammentun und für einen Austritt aus der Europäischen Union werben. Und bei einer großen Veranstaltung in London mit vielen Gästen und Rednern präsentierte nach über zwei Stunden Nigel Farage den Überraschungsgast George Galloway und dieser verkündete, dass auch er mit seiner Partei „Respect“ der GO!-Bewegung beitritt. Die Rede von George Galloway ist eine der Besten die ich je gehört habe. Weiter unten kommt meine Umschrift dieses glanzvollen Auftritts.
Verständlich, dass nach dieser Veranstaltung die BBC völlig aus dem Häuschen war. Man lud George Galloway ein, um über das Referendum zu reden. Die Moderatorin Jo Coburn, eine Brechreiz erzeugende Transatlantikpuppe, zeigt jedoch zuerst Aufnahmen von ein paar Leuten, die wegen des „Überraschungsgastes“ empört die Halle verließen. („Hat das die Kampagne torpediert?“) Diesen Leuten wurde von den Anglozionisten und den Presstituierten erfolgreich das Gehirn gewaschen. Der Blick von Galloway bei 1:24 sagt alles. „Es ist nicht das erste Mal, dass Sie mich hinters Licht geführt haben. Sie haben mich eingeladen, um über das Referendum zu reden. Stattdessen wollen Sie über mich reden…“ Die dazwischen quasselnde Coburn schafft es tatsächlich, dass in den verbleibenden sechs Minuten das Referendum nicht zum Thema wird. Schande über die BBC!
Das Geile am Internet ist, dass man nicht auf die ekelhafte Berichterstattung der ÖR angewiesen ist. Dass Dumme ist, dass es noch immer keine anständigen Babelfische gibt. Aber diese glanzvolle Rede will ich gerne mit Ihnen teilen, das (konservative) Publikum war begeistert:
Referendum – George Galloway
„Genossen und Freunde! (Lachen und Klatschen im Publikum)
Als erstes lassen Sie mich Nigel Farage ganz herzlich für seinen freundlichen Empfang danken. Umso großherziger, da Nigel und ich uns in so gut wie Nichts einig sind. Aber wir sind uns wenigstens über eine Sache einig. Und es ist auch noch die wichtigste Sache, nicht nur in der Gegenwart, sondern für das zukünftige Leben eines jeden hier in dieser Halle und eines jeden in diesem Land. Es ist die Forderung, dass Britannien ein unabhängiges, souveränes und demokratisches Land sein sollte, und das heißt: raus aus der EU! (Lang anhaltender starker Applaus)
In dieser Halle und im ganzen Land haben wir verschiedene Vorstellungen davon, wie unser Land aussehen könnte und sollte. Aber der wesentliche Punkt ist der: keiner von uns in dieser Halle, keiner von uns in diesem Land ist in einer Position um zu entscheiden, welche Visionen für Britannien verwirklicht werden. Denn diese Macht wurde abgegeben an einen luxuriös finanzierten eurokratischen Staat. An ein zahnloses, grandios finanziertes Pseudoparlament. Und an einen Ministerrat aus Ländern die – wer will es ihnen verdenken und wie könnte es anders sein – aus ihren eigenen nationalistischen Interessen und nicht aus unseren Interessen heraus handeln. Das bedeutet dass unsere Unabhängigkeit als Land nicht mehr existiert. Und wir haben jetzt einen Notausgang, wie Nigel gerade sagte. Wenn wir den nicht nehmen, dann werden wir, unsere Kinder und deren Kinder klagen und bedauern, dass wir diese Gelegenheit nicht ergriffen haben, die wir am 23. Juni bekommen. (anhaltender Applaus)
Ich wollte heute hier sein, um die Lüge zu entlarven, dass eine Unterstützung für den Austritt etwas mit „politisch rechts“ zu tun hätte. Ich habe das Referendum 1975 bekämpft, unter meinem damaligen Anführer, dem großen und verstorbenen Tony Benn (Anm.d.Ü.: früherer Vorsitzender der Labour Partei). Und ich stehe heute Abend hier zu seinem Andenken. (Applaus)
Tony Benn hat uns 1975 das Recht erstritten, das uns ein Referendum ermöglicht. Und das muss ich sagen: wäre nicht Nigel Farage gewesen, dann gäbe es zu dieser Frage kein Referendum. (sehr starker Applaus)
Ich will mit der Lüge aufräumen, dass eine Mitgliedschaft in der EU etwas mit „links“ zu tun hätte. Wie Kate Hoey, meine Freundin seit 40 Jahren – damals war sie ja noch ein Kind – betont hat: was soll daran „links“ sein, den amerikanischen Konzernen mittels TTIP zu erlauben, die Türen des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) einzutreten und zu privatisieren was sie wollen. Mit der Macht der Gesetze in ihrem Rücken. (anhaltender Applaus)
Was soll daran „links“ sein, die Löhne und Arbeitsbedingungen abzusenken. Was soll ein einer Situation „links“ sein – und das muss ich sagen – ist eine meiner Differenzen mit Nigel – ich habe nicht nur Respekt, sondern Zuneigung für die Menschen in Rumänien. Ich bin in diesem Raum die einzige Person, die ein Buch in rumänischer Sprache veröffentlicht hat. Ich spreche sogar, ein wenig, rumänisch. Aber ich kann nicht zustimmen, dass der rumänischen Regierung vertraglich das Recht verbrieft wird zu entscheiden, wer zum Arbeiten und Leben nach Britannien kommen darf. Wen wir aus Britannien abschieben dürfen, welches Defizit wir in Britannien anhäufen dürfen oder wie unsere Außenpolitik in Britannien aussehen soll. Dem kann ich nicht zustimmen. (Applaus)
Ich will mit der Lüge aufräumen, dass die Unterstützung für einen Austritt ein Suhlen im Nationalismus sei. Es ist tatsächlich so, dass ich Nationalismus hasse. Ich habe mein ganzes Leben lang den schottischen Nationalismus bekämpft. Und ich habe beim schottischen Referendum 2014 dazu beigetragen, den schottischen Nationalismus zu besiegen. Ich hoffe ich kann dazu beitragen, diesem Referendum in wenigen Monaten zum Erfolg zu verhelfen. Es ist mir daher eine Freude Ihnen mitzuteilen, dass ich gestern im Auftrag meiner Partei unterschrieben habe, Grassroots Out! beizutreten und ich hoffe, dass die Wahlkommission dieser breit gestreuten, parteiübergreifenden Kampagne den offiziellen Status der „Out“-Kampagne verleiht. (johlender Applaus)
Aber ich bin auch kein britischer Nationalist. Als Schotte mit irischen Wurzeln kann man mich schlecht einen „kleinen Engländer“ nennen (Anm.d.Ü.: eine Bezeichnung für britische oder englische Nationalisten, oder fremdenfeindliche und/oder nationalistische Engländer). Sich selbst aus der Welt auszuschließen, soll das international sein? Es hat nichts Internationalistisches, sich selbst in einen Klub der Reichen in einem Teil Europas einzuschließen, auch wenn die Schlösser schon kaputt scheinen. Ich will dass die Welt unsere Auster ist. Ich will mit dem Commonwealth handeln, das wir so schändlich im Stich gelassen haben als wir 1975 der Europäischen Union beitraten. (starker Applaus)
Ich will mit Brasilien handeln, mit Russland, mit Indien, mit China, mit Südafrika, mit dem Iran, wo die Sonne aufgeht und nicht untergeht. Und wo in Wahrheit die meisten Kunden der Welt leben. Wir werden uns also von gar nichts abtrennen wenn wir die Europäische Union verlassen. Wird werden uns stattdessen der ganzen Welt öffnen – und das ist Internationalismus. (Applaus)
Nun, ich habe die Eurokraten erwähnt. Ich war für fast 30 Jahre Mitglied des Britischen Parlaments. Eines morgens wachte ich auf und musste feststellen, dass jemand mit dem Namen Catherine Ashton jetzt meine Außenministerin sei. Wie Sie gerade in dem wunderbaren Video-Ausschnitt von Nigel gesehen haben, war meine Frage: Wer sind Sie?! Wer hat Sie gewählt?! Wer kann Sie absetzen?! Und ich musste zusehen, wie diese Person, von der wir nie zuvor gehört hatten, uns in eine Konfrontation nach der anderen hineinzog, mit einem Gegner nach dem anderen. Hier muss man fairerweise sagen: es mag sein, dass uns das britische Parlament, irgend ein britisches Parlament, mit Sicherheit die der letzten Jahre, uns in die selben Konfrontationen geführt hätte. Aber zumindest hätte ich hier dagegen kämpfen können, und das Parlament hätte dies hier ablehnen können.
Und David Davies, er ist gegangen, ein Mann für den ich großen Respekt und Zuneigung habe, David Davies und ich waren Teil einer monumentalen Debatte im Jahr 2014, als dieses Genie Cameron versuchte, uns zu überreden, wir sollten die Luftwaffe für ISIS und AlQaeda werden und damit beginnen, Syrien zu bombardieren. Die amerikanische Luftwaffe ließ schon die Triebwerke auf dem Vorfeld warmlaufen und wartete nur noch auf das Durchwinken der Vorlage Camerons im britischen Parlament. Aber in einer epischen Debatte, in der die Reden das Ergebnis veränderten, seine Rede und meine unter anderem, haben das Ergebnis verändert und wir haben Camerons Vorlage abgeschmettert. Und die Triebwerke auf der Andrews Luftwaffenbasis mussten abgestellt werden. Wir haben mit knappen 13 Stimmen verhindert, dass wir in ein weiteres Desaster verstrickt werden. Das ist die Art parlamentarischer Souveränität an die ich glaube (tosender Applaus) und das ist das was wir haben können, wenn wir diese Europäische Union verlassen.
Zum Schluss: ich will nicht dass Sie denken, ich wäre irgendeine Art Pazifist, gegen alle Kriege. Wäre ich damals auf der Welt und alt genug gewesen, dann wäre ich unter den Ersten gewesen die in der Warteschlange der Freiwilligen gestanden hätten, um im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen. Ich hätte sogar dafür geworben, dem Faschismus eher und mit all unserer verfügbaren Härte zu begegnen. Aber als der Krieg schließlich da war, da nannte es Mr Churchill „unsere feinste Stunde“. Als wir alle gemeinsam vorwärts marschierten, Mr Churchill und Mr Attlee und Mr Bevan, zusammen, gemeinsam an vorderster Front. Eine Führung des britischen Volkes, nie zuvor und nie danach so einig. Und wir haben uns in der Geschichte verewigt. Und das ist es, was wir hier heute Abend tun. Mr Farage und ich, Mrs Hoey und Mr Davies.
Links Rechts! Links Rechts! Vorwärts Marsch zum Sieg am 23. Juni!“ (stehende Ovationen)
Disclaimer: Dieser Beitrag hat nicht den Anspruch den BREXIT zu bewerben oder gutzuheißen. Ebensowenig wurde auf diesen Seiten jemals der Fremdwunsch nach einem GREXIT befürwortet. Dieser Beitrag wagt lediglich einen Blick über den Tellerrand und gibt an Stelle der Deutungsversuche diverser Kommentatoren der Aktuellen Kamera Tagesschau, den Befürwortern des britischen Referendums selbst das Wort. Vielen Dank an FritztheCat für den Beitrag und die freundliche Übersetzung der Rede von George Galloway.