In Sachen Wagner

Beitragsbild – Wagner Soldat, beliebtes Musikkollektiv

Wagner: Russlands nicht ganz so verborgene Hand in Afrika

Nach dem Aufstand des privaten Militärunternehmens Wagner (Wagner PMC) im Juni 2023 stellten sich hinsichtlich der Zukunft von Wagners ausgedehnter Präsenz in Afrika Fragen. Dort dienten sie als inoffizielles, aber anerkanntes Instrument russischer Machtprojektion. Wagner und seine Führung scheinen aus dem gescheiterten Aufstand mit intakter Afrika-Operation hervorgegangen zu sein. Darüber hinaus dürfte das Interesse an dem Produkt Wagner in den kommenden Monaten und Jahren zunehmen, da Russland sich darauf vorbereitet, seine Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent auszubauen.

Die Wurzeln der Wagner-Gruppe gehen auf die Ukraine-Krise von 2014 zurück. Die russische Regierung, die durch verfassungsrechtliche Einschränkungen hinsichtlich der Stationierung russischer Streitkräfte außerhalb des Territoriums der Russischen Föderation ohne gesetzliche Genehmigung eingeschränkt war, bildete mehrere paramilitärische Gruppierungen aus militärischen „Freiwilligen“. Diese wurden zunächst auf die Krim und dann in den Donbass im Osten der Ukraine entsandt.

Eine dieser Formationen wurde von einem pensionierten Offizier einer russischen Spezialeinheit, Dmitri Utkhin angeführt, der das Rufzeichen „Wagner“ verwendete. Am 1. Mai 2014 schloss sich Utkhin mit dem Unternehmer Jewgeni Prigoschin zusammen, um ein privates Militärunternehmen namens „The Wagner Group“ oder einfach „Wagner“ (Englisch: Wagner Private Military Company, Wagner PMC) zu gründen.

Wagner-Soldat während der Kämpfe in Bachmut (Quelle: Netzfund)

Ursprünglich bestand die Aufgabe von Wagner darin, ethnisch-russische Milizen auszubilden und im Kampf zu unterstützen, die eine Abspaltung von der Ukraine anstrebten. Später, als sich der Ukraine-Konflikt beruhigte, vergab Wagner seine Dienste an ausländische Regierungen, die Russland um militärische Unterstützung baten. Durch den Einsatz von Wagner war die russische Regierung in der Lage, die angeforderte Unterstützung zu leisten, ohne sich mit den ansonsten anfallenden chaotischen politischen Modalitäten befassen zu müssen, bei denen sie zunächst die gesetzliche Zustimmung der russischen Duma oder des Parlaments einholen musste.

Dieses Zweckverhältnis begann mit dem russischen Einsatz in Syrien im Jahr 2015 und weitete sich später auf Afrika aus, als Wagner-Streitkräfte nach Libyen, in die Zentralafrikanische Republik, nach Mosambik, in den Tschad, in den Sudan, in Mali und anderswo stationiert wurden. Am Vorabend der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 hatte Wagner mehr als 3.000 Kämpfer in Afrika im Einsatz, wo sie sich die Gruppe den Ruf ihrer brutalen Effizienz erwarb. (1)

Von der Wagner PMC werden in Syrien Anti-IS-Kämpfer ausgebildet (Quelle: Netzfund)

Die vertragliche Beziehung zwischen Russland und Wagner scheint darin zu bestehen, dass die russische Regierung Geld für Gehälter und Boni der Wagner-Mitarbeiter bereitstellt, während das russische Verteidigungsministerium Waffen und logistische Unterstützung organisiert. Als privates Militärunternehmen kann Wagner jedoch unabhängige Geschäfte in Afrika verfolgen und ist in mehreren lukrativen Nebengeschäften tätig, unter anderem in der Öl- und Gasförderung sowie im Diamanten- und Goldabbau. Einigen Berichten zufolge hat Wagner seit seiner Gründung mehr als 20 Milliarden US-Dollar an Einnahmen aus seinen verschiedenen wirtschaftlichen Aktivitäten erzielt und wurde von den USA als „bedeutende transnationale kriminelle Organisation“ deklariert.

Die kurzlebige Rebellion

Der russische Einmarsch in die Ukraine bot Wagner eine zusätzliche Geschäftsmöglichkeit. Im Mai 2022 unterzeichnete die russische Regierung einen 940-Millionen-Dollar-Vertrag mit Wagner zwecks spezialisierter militärischer Unterstützung im Donbass. Wagners Unternehmungen weiteten sich dort von einem 500-Mann-Einsatz auf eine Operation mit 20.000 bis 30.000 unter Vertrag stehenden Kämpfern aus, darunter zeitweise Tausende von Sträflingen, die sich im Rahmen eines Abkommens zum Dienst in der Ukraine verpflichteten. Im Gegenzug für sechs Monate Kampfdienst gab es eine vollständige Begnadigung; Schwerverbrecher waren von dieser Rekrutierung ausgenommen.

Während dieser Zeit setzte Wagner seine Operationen in Syrien und Afrika fort und erweiterte den Umfang und die Aufgaben seiner Operationen in der Zentralafrikanischen Republik und Mali, während er gleichzeitig eine Präsenz in Libyen, im Tschad und im Sudan aufrechterhielt. Wagner wird vorgeworfen, beim Putsch 2021 in Burkina Faso eine Rolle gespielt zu haben. Die Größe der Wagner-Präsenz in Afrika wuchs auf über 5.000, was zum großen Teil auf den Mali-Einsatz zurückzuführen war, der vermutlich aus etwa 2.000 Mitarbeitern bestand. Aufgrund der Komplexität des Ukraine-Einsatzes operierte Wagners afrikanisches Kontingent als separate Einheit.

Am 23. und 24. Juni 2023 führte Jewgeni Prigoschin zusammen mit Dmitri Utchin einen Aufstand an, der sich gegen das russische Verteidigungsministerium richtete. Es ging um den Status der Wagner-Gruppe. Einer der Kernbestandteile des Wagner-Vertrags war die Immunität des Wagner-Personals gegenüber russischen Gesetzen, die den Einsatz privater Militärunternehmen auf russischem Boden verbieten. Die Erfüllung dieser Aufgabe stellte kein Problem dar, solange die Donbass-Gebiete Luhansk und Donezk nominell unabhängig blieben. Nach der Annexion von Luhansk, Donezk und zwei weiteren ukrainischen Provinzen (Cherson und Saporischschja) durch Russland im September 2022 galt der Rechtsschutz jedoch nicht mehr. Prigozhin wurde darauf hingewiesen, dass Wagner-Mitarbeiter, die im Donbass dienen, nach Ablauf des Wagner-Vertrags im Mai 2023 Verträge mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnen müssten.

Prigoschin und viele der Wagner-Führungskräfte weigerten sich, dies zu tun, was zu einem erbitterten Wortgefecht führte, bei dem Prigoschin Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und den Generalstabschef Waleri Gerassimow der Inkompetenz und Korruption beschuldigte, was wiederum dazu führte, dass Prigoschin und Utchin die Führung einer 8.000 Mann starken Wagner-Truppen übernahm und einen kurzlebigen Aufstand durchführten, der sie bis in die Vororte von Moskau führte, bevor eine Lösung gefunden wurde.

Wagner-Panzersoldaten beim Abzug aus Rostow (Quelle: 2)

Die Fortsetzung des Unternehmens

Die Folgen des Wagner-Aufstands waren für deren Operation im Donbass ein Schlusspunkt – die dortigen Wagner-Truppen wurden vor die Wahl gestellt, sich aufzulösen, einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium zu unterzeichnen oder nach Weißrussland ins Exil zu gehen. Alle schweren Waffen, die Wagner eingesetzt hatte, einschließlich Panzer und Artilleriegeschütze, wurden dem Verteidigungsministerium übergeben. Prigoschin, Utchin und die direkt am Aufstand beteiligten Wagner-Mitarbeiter wurden für ihre Beteiligung am Aufstand begnadigt. Darüber hinaus trafen sich Prigoschin und die 35 leitenden Wagner-Mitarbeiter, die den „Kommandanten-Rat“ bilden, weniger als eine Woche nach Ende der Revolte mit Putin im Kreml, wo über die Zukunft von Wagner gesprochen wurde.

Tatsächlich vollzog die Wagner-Gruppe also ungeachtet des Aufstands eine weiche Landung. Im Rahmen der Vereinbarung nach dem Aufstand verlegte Wagner seine Operationsbasis aus dem Donbass auf das Territorium von Weißrussland, dessen Präsident Alexander Lukaschenko bei den Verhandlungen über ein Ende des Aufstands mitgeholfen hatte. Mitte Juli besuchte Prigoschin das Lager in Weißrussland, wo er und Utchin eine Ansprache vor 8.000 Wagner-Kämpfern hielten. Prigozhin teilte den Wagner-Mitarbeitern mit, dass zu ihren künftigen Aufgaben die Ausbildung der Streitkräfte Weißrusslands und die Fortführung ihrer Einsätze in Afrika gehörten.

Das russische Außenministerium hat sich an die afrikanischen Länder gewandt, in denen Wagner präsent war, und ihnen mitgeteilt, dass die von Wagner angebotenen Dienste ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Dies wurde durch die Tatsache verdeutlicht, dass Prigoschin während des Russisch-Afrikanischen Gipfels Ende Juli in St. Petersburg anwesend war. Der russische Präsident Wladimir Putin betonte dort die Bereitschaft Moskaus, jenen afrikanischen Staaten, die darum baten, Sicherheitshilfe zu leisten. Es fand ein Gipfel im Hintergrund statt, ein Treffen Prigoschins mit vielen der afrikanischen Staats- und Regierungschefs und ihren Vertretern, um die zukünftige Rolle Wagners auf dem afrikanischen Kontinent zu besprechen.

Ein wesentlicher Bestandteil des Wagner-Vertrags mit seinen Mitarbeitern ist die Beschäftigungsgarantie. Daher hat Wagner seine Rekrutierungsbüros in Russland geschlossen, in der Annahme, dass die derzeitige Truppenstruktur von 13.000 Mitarbeitern ausreicht, um sowohl seine Ausbildungsmission in Weißrussland, als auch seine operativen Missionen in Afrika zu erfüllen. Eines scheint jedoch sicher: Sowohl für die russische Regierung als auch für Jewgeni Prigoschin ist Wagner ein Dauergeschäft, und angesichts der Unruhen in Afrika sind die Aussichten für dieses Geschäft recht gut.

Dieser Beitrag erschien auf Energy Intelligence und wurde mit Genehmigung des Autors übersetzt.

Scott Ritter ist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des US Marine Corps, der im Laufe seiner mehr als 20-jährigen Karriere Dienstreisen in die ehemalige Sowjetunion zur Umsetzung von Rüstungskontrollabkommen absolvierte und während des Golfkriegs und später im Stab von US-General Norman Schwarzkopf diente von 1991 bis 1998 als Chefwaffeninspektor bei den Vereinten Nationen im Irak tätig war. Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten sind die des Autors.

WAGNER PMC – Eine Nachlese

Die Wagner PMC erhielt aufgrund ihres Einsatzes in Bachmut und den Auftritten ihres Geschäftsführers sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien, diesseits wie jenseits der Informationsmauer. Nur sehr wenige Autoren befassten sich sachlich-pragmatisch mit den Söldnern und einer Firma, wie es sie ihresgleichen im Westen zuhauf gibt, die berühmt-berüchtigste aus den Zeiten des Irak-Krieges ist wohl die US-amerikanische Blackwater, welche sich aufgrund der zahlreichen Vorwürfe über Menschenrechtsverstöße und Kriegsverbrechen umbenannte und nun als Academi firmiert. (3)

Es ist allen Analysen und Dokumentationen, die in den letzten 15 Monaten zum Thema Wagner erschienen gemein, dass nur sehr wenige Vergleiche zum Vorgehen anderer, staatlich geförderter bzw. engagierter Söldnertruppen gezogen wurden. Dies zieht und zog sich aber wie ein roter Faden durch die gesamte Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine: ein völliges Unterlassen einer Analyse bzw. eines Vergleichs dieses Konflikts mit anderen, nahezu ausnahmslos von den USA und der NATO geführten Kriegen auf der Welt in den letzten 20 Jahren. Und dabei gibt es Vergleichsmöglichkeiten zuhauf.

„Amerikas wohl größte Söldnerfirma, die bis heute vor allem unter dem Namen Blackwater berüchtigt ist, hat einen katastrophalen Ruf. Während der Hochzeit der amerikanischen Militärintervention im Irak standen die von der amerikanischen Regierung finanzierten Blackwater-Söldner im Ruf, äußerst schnell zu schießen. Berüchtigt waren die von Blackwater eskortierten schwer bewaffneten Diplomatenkonvois, die durch die Straßen der irakischen Hauptstadt rasten, meist ohne Rücksicht auf Fußgänger und den übrigen Verkehr. Eine Untersuchungskommission des amerikanischen Außenministeriums berichtete von Alkoholgelagen mit weiblichen Gästen auf Hotelzimmern. Geladene Schnellfeuergewehre hätten die Söldner stets bei der Hand gehabt. Sie hätten für sich in Anspruch genommen, über dem Gesetz zu stehen.“

… schrieb am 23. Oktober 2014 die Frankfurter Allgemeine Zeitung. (4)

„Mit der amerikanischen Regierung einigte sich Blackwater im August 2010, damals unter dem Namen Xe firmierend, auf einen Vergleich. Im Gegenzug für eine Zahlung von 42 Millionen Dollar verzichtete das Außenministerium darauf, eine Klage wegen 288 Verstößen gegen amerikanische Gesetze im Zeitraum von 2003 bis 2009 gegen die Firma zu erheben, unter anderem wegen illegaler Exporte von Rüstungsgütern.“ (ebd.)

Ein Interview eines ex-Blackwater-Söldners, der ein Buch zu seinen Erfahrungen im Irak schrieb:

Zu Firmen wie Blackwater / Academi gibt es in Deutschland zwar einige Dokumentationen, aber noch nicht einmal eine deutschsprachige Wikipedia-Seite. Was bei vielen, in Deutschland nicht gerne hinterfragten Dingen, gerade zum Ukraine-Krieg, dessen Geschichte und Hintergründen, der Fall ist.

ARTE – Die Wagner-Gruppe – Russlands geheime Söldner 
ARD – Wagner-Gruppe: Brutale Söldner für Putins Krieg
ARD – Afrika: Gold, Geld, Gewalt – Russlands „Wagner“-Söldner
ZDF – So mächtig sind die Wagner-Söldner
Eine unabhängige Analyse zu dem Thema schrieb Jaques Baud, welche auf The Postil (Englisch) veröffentlicht wurde: The Wagner Mutiny

Auch von der „anderen“ Seite wurde zu dem Thema geschrieben und man sollte auch hierzulande die Gelegenheit bekommen, zu lesen, was dort eigentlich gesagt wird. Es ist ohnehin eher erstaunlich, wie der deutsche Konsument auf die vorgefilterte, auf betreutes Denken ausgelegte Version unserer Medien eingeschränkt wird, als ob er nicht selbst in der Lage dazu ist, das Gesehene richtig einzuordnen.

Über bzw. von Wagner selbst gibt es zwei bekanntere Publikationen, nicht zuletzt, weil jeweils Englisch untertitelt:

Dokumentation – PMC Wagner – Contract with the Motherland

Spielfilm – Best in Hell (2022) 

Der Analyst, der unter dem Pseudonym Simplicius (5) regelmäßig auch auf Englisch sachliche wie ausführliche Kommentare und Reportagen zu den Geschehnissen gibt, nahm sich dem Thema Wagner nach dem „Coup“ mehrfach an (2).

Russische Frau und Wagner-Soldat in Rostow

Es ist derzeit nicht erkennbar, wie viele Wagner-Söldner nach dem Coup in den Dienst der russischen Streitkräfte traten – welche anders als Wagner keine ehemaligen Strafgefangenen aufnimmt. Die schwere Ausrüstung an Panzern, Artillerie, Flugzeugen etc., hat Wagner PMC an die normalen Streitkräfte zurückgegeben und ein Teil der Truppe ging nach Weißrussland, wo sie ungeachtet der Abgabe des schweren Geräts in NATO-Führungsetagen für Aufregung sorgen. Der „Coup“ (6) und die völlig ausgebliebenen Folgen für die Generäle und die Wagner-Führung, letztere wie oben angemerkt sogar in St. Petersburg beim Russland-Afrika-Gipfel anwesend, deutet offenbar eher auf ein lang angelegtes Ablenkungsmanöver, denn eine wirkliche Auseinandersetzung hin.

Schon 1939 bezeichnete Winston Churchill Russland als ein Rätsel, eingehüllt in ein Mysterium innerhalb eines Geheimnisses. Auch heute noch reden die meisten Experten und „Putinflüsterer“ nahezu ausnahmslos über ihre eigenen Meinungen und Theorien, als dass sie je selbst hinter diesen Vorhang geschaut oder dort gelebt hätten. Umso erstaunlicher ist es, dass z. B. eine gestandene Journalistin wie Caren Miosga, die selbst in Russland studierte und dort einen Buchladen eröffnen wollte (7), heutzutage im Strom des antirussischen Infotainments mitschwimmt und regelmäßig jedwede journalistische Objektivität missen lässt.

Wagner selbst wird auf russischen Informationskanälen oftmals aufgrund des Namen auch als das „Orchester“ oder die „Musiker“ bezeichnet. Nach ihrem Sieg in Bachmut erschienen daher Bilder wie dieses:

The Orchestra

Was denkt man jedoch in russischen Expertenkreisen? Hier einige Auszüge eines solchen Artikels (8):

Aber um zum Schluss noch einmal auf die Wagner-Situation zurückzukommen. Die haltlosen Behauptungen, Wagner sei „Russlands stärkste Kampftruppe“, zielen typischerweise darauf ab, Putin dafür zu diskreditieren, dass er Russlands „effektivste Streitmacht“ verschwendet, um „Schoigu zu stützen“.

(Anm. CM: Schoigu ist kein Militär, was er mit vielen Verteidigungsministern auf diesem Planeten gemein hat. Und wie bei all diesen auch, sorgt das oft für Verstimmungen auf Seiten des Militärs. Prigoschin selbst ist allerdings auch nur Geschäftsmann.)

Wie auch im Westen sind Söldnertruppen wie Wagner oftmals professioneller aufgestellt als ein Heer von Wehrdienstleistenden, doch besitzt Russlands wie die USA und Großbritannien auch einen hohen Anteil an Berufssoldaten, die auch jetzt neben Freiwilligen in den Krieg involviert sind. Dahingehend sei noch einmal klargestellt: solange dieser Konflikt den Titel einer Speziellen Militäroperation trägt, dürfen dort per Gesetz keine Wehrdienstleistenden mehr eingesetzt werden. Ein Großteil der russischen Truppen ist demnach überhaupt nicht in dem Konflikt involviert, den Russland ohnehin als Krieg der NATO gegen das Land betrachtet. Und auf diesen Krieg bereitet sich Russland seit 2014 faktisch vor und ist im Gegensatz zum Westen bereit dafür.

Wagners Erfolg in Bachmut war darin begründet, dass sie vor Ort am besten bewaffnet und versorgt waren und für diesen Angriff eine beträchtliche Anzahl (sich freiwillig gemeldeter) Gefangener anheuern konnte, die sie als Sturmtruppen einsetzten – allerdings auch dies nicht in dem Maßstab, wie er seitens der Ukraine behauptet wurde. In einem der Videos oben wird Prigoschins Rede vor den Gefangenen gezeigt.

Wagner-Soldaten in Bachmut

Als Wagner versuchte, außerhalb von Bachmut zu kämpfen, in den offenen Steppen der Flanken nahe Kleeschevka, Berkhovka, Iwanowsk, erlitten sie schwere Verluste. Es gelang ihnen nicht, die meisten dieser Gebiete einzunehmen, insbesondere Iwanowsk, auf das sie verzweifelt abzielten, da es ihnen eine äußerst günstige Kontrolle über die naheliegende Hauptversorgungsstraße ermöglicht hätte. Es gab damals Videos von Wagner-Leichenhaufen auf freiem Feld. Warum? Weil sie außerhalb der Stadt nicht so effektiv waren.

Auf diesen offenen Feldern erlitten sie das gleiche Schicksal wie jede Truppe bisher, ob Ukrainer (AFU) oder Russen, die versuchten, auf freiem Gelände zu kämpfen; in Gebieten, die rund um die Uhr von Drohnen überwacht und vermint sind, sowie unter Artilleriefeuerkontrolle des Gegners standen.

Tatsache ist, dass das Kämpfen in der Stadt weitaus einfacher ist, weil Wagner die AFU mit übermäßigen Vorräten an thermobarischen Shmel-Raketen, ihrer eigenen täglichen Zuteilung an Iskander- und Kalibr-Raketen, ihrer eigenen Luftwaffe und thermobarischen TOS-1-Systemen usw. an Kampfkraft deutlich übertraf.

Nehmen wir ein Beispiel zum Vergleich:

Gesamtfläche von Bachmut: 41 km² / Bevölkerung: 71.000.

Gesamtfläche von Mariupol: 244 km² / Bevölkerung: 422.000.

Mariupol ist eine Stadt, die etwa fünfmal so groß ist wie Bachmut. Russische Marinesoldaten und tschetschenische Streitkräfte eroberten die Stadt in etwa 1,5 bis 2 Monaten, obgleich sie von den elitärsten und fanatischsten Asov-Streitkräften der Ukraine verteidigt wurden, wobei es nur wenige russische Verluste gab.

Azov Soldiers

Wagner-Chef Prigoschin sprach in einer seiner medienwirksamen Auftritte von 20.000 eigenen Verlusten. Und das macht Wagner zur Elite? Wohl kaum. Wenn Prigoschins Zahlen tatsächlich stimmen, bedeutet das, dass Wagner allein in Bachmut fast so viele Verluste zu beklagen hatte, wie die gesamte russische Armee während der gesamten SMO bis zu diesem Tag. Die pro-ukrainische Internetplatform MediaZona (https://en.zona.media/article/2022/05/20/casualties_eng ), die in Zusammenarbeit mit der BBC News Russia die Sterbemitteilungen etc. in Russland verfolgt, kommt momentan auf etwa 30.000 nachweislich gefallene russische Truppen, „schätzt“ selbst, dass es bis Ende Mai 47.000 Tote gab. Das schließt die Truppen der vier neuen russischen Gebiete mit ein. Zu den Verlusten auf Seiten der Ukraine schweigt die Seite so beharrlich wie die ukrainische Regierung. Aktuelle Schätzungen westlicher Experten gehen von 400.000 gefallenen Ukrainer aus (Interview Tucker Carlson & MacGregor; bei ca. 2 min)

Bedeutet das, dass Wagner schlecht ist? Nein natürlich nicht. Die meisten von ihnen sind eingefleischte Patrioten und hervorragende Kämpfer. Aber machen wir uns nichts vor. Jeder, der glaubt, sie seien eine elitäre Streitmacht, weiß einfach nicht viel über Kriegsführung oder Militär im Allgemeinen. Man würde solche Aussagen auch nicht zu Blackwater gemacht haben.

Russische Militärexperten nehmen als Paradebeispiel die VDV-Luftlandetruppen (Воздушно-десантные войска России)(9), welche zu Beginn des Konflikts Cherson innerhalb weniger Tage vollständig einnahmen. Oder die russische Marineinfantrie beim Einsatz in Mariupol.

Russische Elitesoldaten

Tatsache ist, dass Prigoschin ein Dramatiker und ein erfolgreicher Verkäufer seiner Truppe ist.

Er hat genau das Richtige getan, um um Wagner herum einen Mythos und eine Aura der Unbesiegbarkeit aufzubauen. Das mag psychologisch eine „nützliche Sache“ sein, denn Feinde fürchten Wagner wegen ihres Rufs. Aber ein großer Teil dieses Rufs hat eher mit der Brutalität abseits des Kampfgebiets zu tun – das berüchtigte Vorschlaghammer-Video wird immer wieder als Beweis angeführt, so wie die Folter in den US-Gefängnissen im Irak dortigen US-Einheiten vorgeworfen wurde.

Abschließend bleibt anzumerken, dass die Kern-Einheiten innerhalb der Wagner-Organisation sehr effektiv sein können, insbesondere weil viele von ihnen ursprünglich aus den Rängen von Russlands eigenen Eliteeinheiten stammen. Es ist einfach so, dass Wagner als Ganzes aus offensichtlichen Gründen eine sehr uneinheitliche Organisation ist: Es gibt einen kleinen, hoch-spezialisierten Kern von vielleicht 5.000 Mann, der dann mit tausenden Kämpfern unterschiedlichster Herkunft und aus Strafgefangenen ergänzt wurde. Russische Marine-/Luftlande- und andere Einheiten verfügen ihrerseits aber über eine einheitlichere Ausbildung und Qualität und sind daher insgesamt effektiver, insbesondere, wenn es um Kämpfe in offenen Gebieten im Gegensatz zu Kämpfen in der Stadt geht.

Abseits von Prigoschins Tiraden machten sich diese Truppen in Mariupol einen Namen. Wie etwa der Marineinfanteriekommandeur der 810. Garde-Schwarzmeerflotte mit dem Codenamen „Struna“, besser bekannt als „Red Backpack Man/Roter Rucksack-Mann“, der mit seiner Einheit und tschetschenischen Truppen in Mariupol die Elite von Asow mit minimalen Verlusten zerschlug.

https://twitter.com/RALee85/status/1535914499756150785/photo/1

Zu keinem Zeitpunkt hat sich Wagner in Kämpfen so effektiv gezeigt, wie die Luftlandetruppen der 76. Rotbanner Garde-Luftangriffsdivision, beispielsweise in Gostomel. (11)

76th airborne assault division

Truppenübung der 76. Rotbanner Garde-Luftangriffsdivsion in Belarus 2021 (Quelle: Geopolitiki https://geopolitiki.com/russian-76th-guards-air-assault-division-arrived-in-belarus/ )

Wie so oft, kann uns eine mediale Präsenz über das eigentliche Geschehen hinwegtäuschen, nicht zuletzt, wenn man seitens der Medien die Erstere vor das Letztere stellt und damit eine eigene Realität erschafft, über die man mehr diskutiert, als über das Geschehen an sich. Dahingehend wohnte Wagner und Prigroschin mietfrei in den Köpfen der westlichen Meinungsmacher und Politiker, Medienanstalten und Experten.

CM

Quellen:

(1) Wagner Isis Hunters – https://en.wikipedia.org/wiki/ISIS_Hunters
(2) Simplicius – Special Report – https://simplicius76.substack.com/p/special-report-emergency-situation
(3) Blackwater / Academi – https://de.wikipedia.org/wiki/Academi
(4) Frankfurter Allgemeine Zeitung – https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/amerika/blackwater-der-schlechte-ruf-von-amerikas-soeldnerfirma-bleibt-13226392.html
(5) Simplicius (substack) – https://simplicius76.substack.com
(6) Simplicius – Prigozhin‘s Siege Ends – postmortem – https://simplicius76.substack.com/p/prigozhins-siege-ends-postmortem
(7) Käptn‘s Dinner: Caren Miosga – https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/kaeptnsdinner/Mit-Michel-Abdollahi-und-Caren-Miosga,sendung1245772.html
(8) Simplicius – SITREP 7/4/23: Final Hour of Zelensky’s Terror Ploy – https://simplicius76.substack.com/p/sitrep-7423-final-hour-of-zelenskys
(9) Russische Luftlandetruppen VDV – https://en.wikipedia.org/wiki/Russian_Airborne_Forces
(10) String – The Red Backpack Man – https://www.youtube.com/watch?v=gwhPVvRS7dQ
(11) Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/76._Garde-Luftsturm-Division

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