WDR-Rundfunkrat lehnt Beschwerden einstimmig als unbegründet ab

Nach intensiver Vorarbeit hatte der WDR-Rundfunkrat jüngst zehn formale Programmbeschwerden einstimmig abgelehnt. „Natürlich behandeln wir auch diese Beschwerden mit zum Teil kleinstteiligen Einzelfragen sehr sorgfältig“, sagt Petra Kammerevert, Vorsitzende des Programmausschusses. „Programmgrundsätze waren aber in keinem Fall verletzt“.
ARD – Falschdarstellung über den 1. russischen Hilfskonvoi (I)
ARD – Ukrainisches Parlament billigt Reformpaket
ARD – Falschdarstellung über den 1. russischen Hilfskonvoi (V)
ARD – Falschinformation russischer Hilfskonvoi (III)
WDR – Falschmeldung und unkommentiertes Ändern von Textpassagen
ARD – Verfälschen der Redebeiträge des deutschen und des russischen Außenministers vor der UN-Vollversammlung
WDR – Falsches Bildmaterial IV
WDR – Falsches Bildmaterial III
ARD – Podien für Rechtsradikale innerhalb der Ukraineberichterstattung
ARD – Ungereimtheiten – Weltspiegel extra
Sehr witzig die Deklination: gering, infinitesimal, klitzeklein, sehr klein, unendlich klein, winzig – KLEINSTteilig.
Die kleinststeilige Beschwerdereihe „Falsches Bildmaterial I-V“ kam zum Beispiel aufgrund der sinngemäßen Aussage der Programmverantwortlichen zustande, dass es sich bei der 1. Beanstandung um einen bedauerlichen Einzelfall handele. Danach gewann die Geschichte, wie wir wissen, gehörig an Dynamik.
Fakt ist, dass wir bei gründlicher Sichtung der Inhalte von Mediatheken und Sendungsseiten hundertfach fündig geworden wären. Die Verstärkung der Botschaften durch möglichst passende, manipulative Bilder ist zu verlockend, als dass Medien darauf verzichten würden. Das Problem ist nur, dass es klare Regeln für die Nutzung von Symbolfotos gibt. Der Pressekodex des Deutschen Presserats fordert in Ziffer 2: „Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.“ In Ziffer 2, Richtlinie 2.2, heißt es: „Kann eine Illustration, insbesondere eine Fotografie, beim flüchtigen Lesen als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden, obwohl es sich um ein Symbolfoto handelt, so ist eine entsprechende Klarstellung geboten. So sind (…) deutlich wahrnehmbar in Bildlegende bzw. Bezugstext als solche erkennbar zu machen.“
Obwohl laut der Programmgrundsätze, insbesondere §5 (6) des Gesetzes über den WDR, die Nachrichtengebung allgemein, unabhängig und sachlich zu sein hat und Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen sind, was natürlich auch Bilder einschließt, ist laut Programmausschuss kein Verstoß gegen Programmgrundsätze zu erkennen.
Warum nicht, fragen Sie?
Weil diese Programmgrundsätze, laut Intendantenantwort, keinen Anspruch auf objektive Wahrheit in der Berichterstattung begründen.
Die kleinstteilige Beschwerdereihe „1. Russischer Hilfskonvoi I-V“ begründete sich auf die unterirdische Berichterstattung im August vergangenen Jahres, mit bangen Fragen des Korrespondenten Udo Lielischkies, vielen Spekulationen, noch mehr Anschuldigungen und sehr viel Verschwörungstheorien. Der Hilfstransport wurde als Waffenschmuggel, als Propagandaveranstaltung, als trojanisches Pferd, als Invasion, als Provokation und auf der Rückfahrt als Transport von Diebesgut und Kriegsgerät verunglimpft. Die Korrespondenten schäumten im Duett mit Poroschenko und Jazeniuk und überboten sich in süffisantem Modus um die abenteuerlichsten Deutungen. Dabei blendete der WDR-Qualitätsjournalismus das unendliche Leid der Zivilbevölkerung in der Ostukraine komplett aus, welche dringend auf die Hilfslieferungen angewiesen war. Die Nachrichtenwoche Ende August 2014 geht als eine der absurdesten Trauerspiele in der Geschichte öffentlich-rechtlicher Medienberichterstattung ein und ist bestens geeignet zum kollektiven deutschen Fremdschämen angesichts der humanitären Katastrophe im Osten der Ukraine.
Natürlich waren auch hier keine Programmgrundsätze verletzt. Simple rechtsstaatliche Grundsätze missachtend dilettierten sich Redaktionen und Korrespondenten durch die Berichterstattung. Gerüchte über angeblich kriminelle Motive anderer Menschen/Staaten zu verbreiten, obwohl diese zum Zeitpunkt der Berichterstattung bereits wiederlegt waren, gehört sicher nicht zu den Grundsätzen journalistischer Ethik. Nicht, dass es keine Gegenbeweise für abenteuerliche Anschuldigungen, sondern ob es überhaupt Beweise, zumindest hinreichende Belegtatsachen für die Existenz eines Vorfalls gibt, sollte Maßstab einer verantwortungsbewussten Berichterstattung sein (Negativa non sunt probanda).
Auch sieht man keine Programmgrundsätze verletzt, wenn hochrangigen Politikern Worte in den Mund gelegt werden, die so nie geäußert wurden und auch Podien für Rechtsradikale sind kein Problem für die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten mit Bildungsauftrag.
Wir sehen hingegen im Weglassen wichtiger Informationen einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht und eine Täuschung des Publikums und selbstverständlich im Hinzufügen von nicht getroffenen Aussagen in Form der indirekten Rede einen schweren Verstoß gegen die Wahrheits-und Sorgfaltspflicht – und zwar völlig unabhängig davon, was das Gremium einstimmig dazu befindet.
Die auf keinen Fall kleinstteilige Beschwerde zur Räuberpistole „ Flucht aus Ilowajsk“ verletzt aus unserer Sicht in mehrfacher Hinsicht die Programmgrundsätze. Dieser Streifen ist handwerklich ein Desaster und durchschaubar in seiner hinterhältigen Botschaft. Unsere Argumentation beweist das in aller Ausführlichkeit und wirft ein grenzwertiges Schlaglicht auf das Selbstverständnis der Macher um Udo Lielischkies. Weiter entfernt als von den Werten eines Hanns-Joachim-Friedrichs können die Macher aus journalistischer Sicht überhaupt nicht sein. Verantwortungsbewusster Journalismus identifiziert sich mit keiner Kriegspartei und schürt keine Feindbilder, insbesondere dann nicht, wenn er einem gesetzlichen Auftrag verpflichtet ist.
Fazit nach dem einstimmigen (!) Massenurteil:
1.) Die Kritik- und Reklamationskultur der Anstalten und deren Gremien lässt zu wünschen übrig.
2.) Handwerkliche Fehler oder vorsätzliche Manipulationen werden selbst dann nicht eingestanden, wenn sie umfassend belegt und offensichtlich sind.
3.) Der Verpflichtung zur Objektivität, Wahrheit, Ausgewogenheit, Meinungsvielfalt und Unparteilichkeit wird nicht Genüge getan.
4.) Die Wahrheitspflicht wird unter Missachtung eindeutiger Rechtsprechungen kreativ ausgelegt.
5.) Der Rundfunkrat/Fernsehrat steht nicht auf Seiten des Publikums, sondern folgt ausschließlich den Empfehlungen der Intendanten und Redakteure.
6.) Die Beschwerden und Argumentationen werden vom Rundfunkrat/Programmausschuss nur unzureichend geprüft.
Die einzelnen Punkte des Fazits werden zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlich abgehandelt und mit Belegen untermauert.